Читать книгу Allah ist unsichtbar - Martina Dr. Schäfer - Страница 13
2.2 Die Synthese jüdischer und griechischer Philosophie bei Philon von Alexandria
(15/10 v.d.Z.– 40 n.d.Z.)[27]
ОглавлениеEine wichtige Voraussetzung der späteren christlichen apophatischen Theologie bildete die Verschmelzung der griechischen philosophischen Ansätze mit den Vorstellungen der jüdischen Religion, wie sie sich erstmals bei Philon aus Alexandria findet, der von 20 v.d.Z. bis 50 n.d.Z. lebte.
Wie liessen sich nun die Geschichten aus der Thora, die Riten und Gesetze des jüdischen Glaubens im Licht der Philosophie erklären und deuten?
Zuerst verortete Philon Platons Ideenwelt im Geist Gottes selber. Dieser Schritt lag schon seit einigen Generationen in der Luft[28] und war unter anderem auch eine Reaktion auf Aristoteles' Ablehnung der rein geistig irgendwo im Nirgendwo verankerten Ideenwelt.
Die Welt wird aus dieser göttlichen Vernunft heraus geschaffen. Zwar bleibt Gott das Unerfahrbare, Nicht-zu-Beschreibende aber er offenbart sich eben in dieser zweifachen Weise: Einerseits als real erfahrbare Welt, als das Universum und andererseits als logos, als die überall wirkende, schöpferische und erhaltende Kraft, die auch in der menschlichen Seele zu finden ist und ihr ermöglicht, Gott zu erkennen.
Sie ist das Abbild des logos, der zwei Gesichter hat: Eines ist der Welt zugewandt, das andere Gott und so erhält der Logos eine Vermittlerfunktion zwischen Mensch und Gott.
Nomos ist ein weiterer Begriff aus Philons Philosophie und bedeutet Gottes Gesetz, wie es in einzelnen Menschen, beispielsweise den Propheten, in Abraham oder Mose in Erscheinung tritt. Doch auch, wenn der nomos durch einzelne Menschen oder in bestimmten Ländern, Stämmen wirkt, ist er doch ein allgemeines, wenn man so will, Kulturen übergreifendes Gesetz, insofern es die Gesetzmässigkeiten Gottes in der Welt, ihre Wirkungen, abbildet.
Während die griechischen Philosophen, wie wir oben bei Platon lesen konnten, selber Geschichten und Gleichnisse entwickelten, um den Lesenden, Zuhörenden oder Mitdiskutierenden ihre Gedanken begreiflich zu machen, konnte Philon ausserdem auf einen vorhandenen Fundus, nämlich auf die Erzählungen aus der Thora, zurück greifen.
Diese Auslegung der heiligen Schriften, in denen der Logos zu finden ist und auch gefunden werden kann qua Teilhabe der Seele am Logos, kann auf verschiedenen Ebenen oder mit verschiedenen methodischen Ansätzen, wie wir heute sagen würden, mit verschiedenen «Sinnen», vollzogen werden.[29]
Die Vertreibung aus dem Paradies, beispielsweise, ist für Philon die Allegorie für die Vertreibung der Seele aus ihrem ursprünglichen Zustand. Die Erzählung wird so zur Darstellung eines «inneren Konfliktes in jeder Seele»[30] und sich immer wieder neu abspielt.[31]
Die «Biografien» grosser Figuren in der Thora wie z.B. des Mose, werden so zu generellen Beschreibungen kontemplativer Wege: Moses Aufstieg auf den Berg Sinai schildert für Philon sowohl die apophatische letztliche Unmöglichkeit des kontemplativen Weges (Gott erscheint nicht direkt sondern in einer Wolke) als auch andererseits die ganz «einfache» Lösung für jeden Menschen, es diesem individuell dargestellten Vorbild nach zu tun.[32]
Im Unterschied zur platonischen Position, ist die Liebe bei Philon kein automatisch in der Seele angelegtes Vermögen zu streben, sondern eine Form der Inspiration – also eher von Aussen durch einen Eindruck oder «Gnade» angeregt.
Die Seele ist für Philon ein Abbild des Logos, weshalb sie in ihrem Streben eher von sich selbst als Seele, absehen muss, sich «nichten», wie Philon es ausdrückt.[33] Diesen, durchaus auch ekstatischen Zustand nennt Philon «nüchterne Trunkenheit», was einer d e r apophatischen Begriffe schlechthin ist, wie wir dann bei Dionysius Areopagites lesen werden.[34]