Читать книгу Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 9 - Martina Meier - Страница 8

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Juliana und die Plätzchendiebe

Juliana, ein junges blondes Mädchen, legte Wert darauf, ihren Namen auf die amerikanische Art mit Tsch zu hören. Das sagte sie jedem, denn woher sollten es die Menschen sonst wissen. Überhaupt ist es immer von Vorteil zu sagen, was man möchte. Natürlich in Verbindung mit einem netten Ton, dann bekommt man es auch viel leichter.

Es war Anfang Dezember, Weihnachten nahte. Die Vorbereitungen liefen allerorten auf Hochtouren. In den Straßen blinkte die weihnachtliche Beleuchtung, nur der Schnee ließ dieses Jahr auf sich warten. Alle Kinder waren ungeduldig, und Juliana bildete da keine Ausnahme.

Jeden Morgen stürmte sie zu ihrem Adventskalender und schaute nach, welche Figur sich hinter dem Türchen verbarg, naschen durfte sie die Schokolade allerdings erst nach dem Frühstück. Ihre Mutter achtete auf eine gute Ernährung, weshalb sie fast alles im Bioladen kaufte.

Am vierten Dezember kam Juliana morgens mit einem besorgten Gesichtsausdruck in die Küche, wo schon das Frühstück auf dem Tisch stand.

Ihre Mutter fragte: „Was ist los? Geht’s dir nicht gut?“

Juliana überlegte, ob sie dieses Jahr wie letztes etwas vom Nikolaus bekommen würde. Denn der sechste Dezember fiel auf einen Sonntag, an dem hatten alle Geschäfte geschlossen und keiner arbeitete, das wusste sie.

Nachdem sie der Mama ihre Sorgen erklärt hatte, lachte diese. „Wenn es weiter nichts ist, mein Liebling, diese Angst kann ich dir nehmen. Dem alten Mann und seinen Helfern macht es so viel Spaß, die Kinder zu beschenken, dass er dafür bestimmt auch eine Nachtschicht einlegt und sonntags auf seinen Schlitten steigt.“

„Und ich dachte schon, niemand arbeitet an einem Sonntag“, stöhnte Juliana erleichtert.

„Doch, doch die wichtigen Personen erfüllen ihren Dienst. Ärzte und Krankenschwestern, Köche und Bedienungen in Restaurants, und die wichtigsten, alle, die für ein gelungenes Weihnachtsfest sorgen müssen, arbeiten im Dezember auf Hochtouren.“

Das beruhigte Juliana, und wie fast immer fühlte sie eine Fröhlichkeit, die ihresgleichen suchte. Sie nahm sich ganz fest vor, am fünften Dezember eher ins Bett zu gehen, aber nicht zu schlafen. Juliana wollte sehen, ob der Nikolaus persönlich kam oder vielleicht eine Helferelfe oder Knecht Ruprecht schicken würde. Hellwach lag sie da ... und nichts geschah. Ihre Augenlider wurden schwer und schwerer. „Wahrscheinlich wiegen sie abends doppelt so viel wie am Tag“, ging es ihr durch den Kopf. Immer wenn ihr die Augen zufielen, riss Juliana sie wieder auf, bis sie irgendwann geschlossen blieben.

Am nächsten Morgen waren die bereitgestellten Stiefel übervoll, daneben lag noch einiges, was nicht mehr reingepasst hatte. Ganz oben steckte ein brauner Briefumschlag, den Juliana neugierig aufriss. Zuerst las sie, wer den Brief unterschrieben hatte. Nur ein einziges Wort stand alleine in der letzten Zeile: Nikolaus. Sie konnte nicht glauben, dass er Zeit gehabt hatte, an sie persönlich zu schreiben. So schnell sie konnte, las sie den Inhalt des Briefes.

Liebe Juliana!

Er war tatsächlich direkt an sie adressiert.

Ich schreibe allen neugierigen Kindern eine kleine Bitte. Ich verspreche dir, jedes Jahr zu kommen, jedoch immer erst, wenn du schläfst, also versuch gar nicht, so lange wach zu bleiben, bis ich da bin. Am meisten würdest du mir helfen, wenn du an diesem Tag früher ins Bett gehen würdest als sonst, dann könnte ich schneller deine Schuhe füllen und meine wahnsinnig große Tour fortsetzen. Bis nächstes Jahr.

Und seine Unterschrift.

Mit dem Briefbogen rannte das Mädchen in die Küche. „Mama, Mama, es gibt den Nikolaus wirklich“, schrie sie und wedelte dabei mit dem Papier.

„Ja, natürlich. Was dachtest du denn? Er ist gekommen, obwohl heute Sonntag ist.“

„Hast du ihn gesehen?“, fragte Juliana ihre Mutter.

„Nur gehört und mich ruhig verhalten. Ich wollte ihn nicht stören. Er war in großer Eile.“

Schuldbewusst schaute die Kleine auf den Boden und murmelte: „War wohl meine Schuld. Aber nächstes Jahr ist er hier schneller fertig.“ Dann rannte sie in ihr Zimmer, um nachzusehen, was alles in den Stiefeln war.

Eine Woche vor dem Fest wachte Juliana auf und hoffte wie jeden Morgen, dass endlich der lang erwartete Schnee gefallen wäre. Tatsächlich lag draußen eine dicke Schicht, die sehr schnell höher wurde. Gebannt blieb sie am Fenster stehen, bis sie kalte Füße bekam. Dann rannte sie zu ihrer Mutter.

Bei ihr duftete es herrlich nach Gebäck. Das wunderte Juliana, denn die Mutter betonte immer, die Weihnachtsbäckerei müsse am ersten Advent fertig sein.

So war es auch gewesen. Aber was das Mädchen von Anfang an am besten konnte, noch bevor es sprechen lernte, war, die Menschen in seiner Umgebung mit schönen Augen um den Finger zu wickeln. Deshalb durfte Juliana immer mal wieder ein Plätzchen naschen. Und oft nutzte sie die Gelegenheit, wenn sie sich ihr bot, und stibitzte einen Keks, ohne dass es jemand merkte. Manchmal dachte Juliana: „Wir müssen eine Wunderschachtel haben“, denn die Dose mit den Weihnachtsplätzchen wurde nie leer. Erklären konnte sie sich das nicht, aber es freute sie, denn nachwachsendes Gebäck war großartig. Sie aß und ihre Eltern merkten nichts.

Erstaunt fragte das Mädchen deshalb: „Mama, du backst?“

„Ja, ich glaube, letzte Nacht waren Einbrecher im Haus“, stöhnte sie, die Hände bis zu den Ellbogen mit Mehl bestäubt. „Die schöne Keksdose, die noch von meiner Mutter stammt, haben sie Gott sei Dank stehen lassen, aber den Inhalt nahmen sie komplett mit. Ich dachte die ganze Zeit schon, sie muss ein Loch haben, denn immer wenn ich nachsah, war weniger drin als beim letzten Mal, und jetzt ist sie völlig leer. Ich muss sie füllen, damit wir an Weihnachten was zum Knabbern haben.“

„Ich helfe dir“, bot Juliana geknickt an und wickelte emsig ihre Ärmel hoch. Gemeinsam backten sie mehrere Sorten, und seltsamerweise schlug ihre Mutter immer die Kekse vor, die Juliana meistens aus der Blechdose genascht hatte.

Am Mittag war der Vorrat wiederhergestellt. Vorsichtig durfte sie die alte Büchse in den kühlen Keller tragen. Dort überlegte sie, ob ein Plätzchen weniger auffallen würde, entschloss sich aber, der Versuchung zu widerstehen. Sie nahm sich vor, bis Weihnachten nicht mehr nach unten zu gehen, denn dann wollte sie noch von allen Sorten essen können. Als sie wieder oben war, beruhigte sie die Mutter.

„Wir haben die besten Plätzchen, aber ich glaube, die Einbrecher kommen kein zweites Mal zu uns. Bestimmt brechen sie in andere Häuser ein, um dort probieren zu können.“

Ihre Mama grinste sie an. „Ja, das wäre schön. Für dieses Jahr habe ich wirklich genug gebacken.“

Mit vollen Backen betrat Julianas Vater die Küche. „Schon als Kind konnte ich nicht bis Weihnachten auf die Plätzchen warten. Immer bin ich an die Verstecke geschlichen und habe genascht. Meine Eltern sprachen von einer Weihnachtsplätzchenbande, die nachts ihr Unwesen trieb. Ich bin ihnen dafür dankbar, denn so blieb ich unentdeckt.“

„Diese Bande kenn ich, die waren heute Nacht bei uns.“ Die Mutter lachte, nahm ihren Mann kurz in den Arm und verließ die Küche, um Zutaten fürs Mittagessen aus der Vorratskammer zu holen.

Ihr Vater hob Juliana auf den Arm und flüsterte: „Komm, wir gehen ausprobieren, ob zwei Kekse weniger auffallen.“

„Mensch, Papa, und ich dachte, so viel hab ich doch gar nicht gegessen.“

„Stimmt, das warst du nicht alleine. Auch ich bin immer wieder in den Keller geschlichen. Komm, einmal noch.“

Gern ließ sich die Kleine überreden.

Fred Keller wurde 1971 in Pforzheim geboren und liest fast ebenso lang. Mit vierzig fing er an zu schreiben. Seit 2015 gehört er zu dem Goldstadt-Autoren e.V. Dreimal war er in Anthologien des Papierfresserchens MTM-Verlags vertreten. Anfang 2016 erschien die Kurzgeschichtensammlung „Wenn die Sonne bläst“.

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 9

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