Читать книгу Zukunft? - Mary Specter - Страница 8
In Dresden
ОглавлениеIn Dresden sieht es nach den heftigen Schneefällen und den immer wieder tobenden Stürmen aus wie nach einem Krieg. Ruinen wohin man sieht.
Ein toter Stadtteil soll man meinen! Aber das ist nicht so! Im Schatten der Ruinen leben nicht nur Ratten, verwilderte Hunde. Ganz oben an der Nahrungskette ein Rudel Wölfe. Die Hunde sind zu klug, um sich irgendwo einzeln blicken zu lassen, die Ratten nicht nach dem Geschmack der Wölfe. Doch der Hunger treibt sie immer wieder in die Altstadt. Im Randgebiet, wo die Ärmsten der Armen hausen, merkt kaum jemand, wenn einer der verwahrlosten Einzelgänger fehlt. Unter Leitung der Alpha-Wölfin geht das zwölfköpfige Rudel durchaus strategisch vor. Die weiße Wölfin ist ausgesprochen klug.
Nur ein großes schwarzes Männchen kann ihr Paroli bieten.
Es bricht ebenfalls in das ungeschützte Armenviertel ein. Jedoch beschränkt es sich auf Hühner und andere Kleintiere. Aus irgendeinem Grund mag es die Menschen. Der Schwarze hat sich mit den Menschen arrangiert, während die weiße Jägerin mit ihrem Rudel üppige Beute in ihr Lager schleppt.
Wütend wirft Nele Kurfürst ihre Handtasche in einen der weißen Ledersessel. Während ihr Leibwächter mit gekreuzten Armen vor der Brust stehenbleibt, geht Nele zur gläsernen Theke am Anfang des in völligem Weiß gehaltenen Raumes. Sie gießt aus einer Karaffe Cognac in ein feingeschliffenes Glas. Während sie die goldene Flüssigkeit langsam schwenkt, zeigen sich tiefe Falten auf der sonst glatten Stirn.
„Was fällt den alten Säcken ein, mich vor allen Leuten so runterzuputzen!“
Sie nippt an ihrem Glas. „Man sollte sie rauswerfen zum Pöbel in den Dreck!“
Sie trinkt den Cognac in einem Zug aus und stellt das Glas hart auf dem Tresen ab.
„Allesamt Versager! Ich habe mit meinem Verstand und mit meinem Geld das alles hier geschaffen.“
Sie breitet die Arme aus und geht einige Schritte bis in die Mitte des großen Raumes. Dort bleibt sie stehen. Ihre schlanke Gestalt sackt in sich zusammen.
Bruno Bär, ihr Leibwächter, kann gerade noch verhindern, dass Nele auf den gläsernen Boden schlägt. Er legt sie sanft auf die ebenfalls weiße Ottomane. Der Schwächeanfall ist ebenso schnell vorbei, wie er gekommen ist.
„Danke Bruno!“
Die beiden hatten vor einiger Zeit ein Verhältnis. Nele hat es beendet, weil ihrer Meinung nach Bruno nicht standesgemäß ist.
Oft schon hat sie diese Entscheidung bereut. Er hat sich hervorragend verhalten. Keine Szene gemacht und weiter selbstverständlich für ihre Sicherheit gesorgt. Nie wird sie den traurigen Ausdruck in seinen Augen vergessen, als sie ihm mitteilte, dass es besser für ihre Karriere sei, wenn sie sich trennen. Als Tochter sehr reicher Eltern ist sie es gewohnt, Forderungen zu stellen und diese auch erfüllt zu bekommen. Um etwas zu bitten, ist ihr fremd. Oft hat sie die Liebe der Mutter vermisst. Später ist es ihr dann egal. Aber sie weiß schon zu schätzen, dass ihre Wünsche immer erfüllt werden.
Geld statt Liebe – ein schlechter Tausch!
Viel später erst wird ihr das bewusst.
Bruno ist in bürgerlichen Verhältnissen groß geworden. Er hat liebevolle Eltern und zwei Schwestern, die schon verstorben sind.
Sein Stolz lässt es niemals zu, Nele zu bitten, mehr als nur ihr Leibwächter sein zu dürfen.
Nele weiß, dass er sie noch liebt, aber sie wird den Anfang machen müssen.
Bruno steht auf, um Nele ein Glas Wasser zu holen.
„Bitte, bleib hier!“ Sie greift nach seiner Hand und gibt ihm zu verstehen, dass er sich neben sie setzen soll. Eine unendliche Sekunde lang schweigen beide.
„Ich bin dir sehr dankbar, Bruno und ich weiß …“
Die Finger des geliebten Mannes legen sich auf ihren Mund: „Du musst gar nichts sagen. Ich liebe dich und das wird sich nie ändern.“
Tränen rinnen über Neles Gesicht - gegen ihren Willen.
„Nimm mich in die Arme und halt mich ganz fest“, sagt sie mit zitternder Stimme.
Diesmal gehorcht Bruno gern.