Читать книгу Besonderes Verwaltungsrecht - Mathias Schubert - Страница 141
IV. Verfassungsrechtliche Aspekte
Оглавление278
Verfassungsrechtliche Einwände gegen die auf kommunalrechtlicher Ermächtigung basierende satzungsmäßige Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs[24] könnten aus der Sicht der betroffenen Grundstückseigentümer vor allem unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht vorgebracht werden.
Die satzungsrechtliche Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs stellt einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der davon betroffenen Personen dar. Diesen werden unmittelbar durch die Satzung die Gebote auferlegt, diejenigen Maßnahmen vorzunehmen oder zu dulden, die zur Herstellung des Anschlusses an die vom Satzungsgeber vorgesehene Einrichtung erforderlich sind (Anschlusszwang) und ihren Bedarf ausschließlich von dieser Einrichtung zu decken (Benutzungszwang). Damit ist zwangsläufig das Verbot der anderweitigen Bedarfsdeckung verbunden. Den Anschluss- und Benutzungspflichtigen wird somit die Möglichkeit genommen, selbst darüber zu entscheiden, auf welche Weise sie ihre Versorgung sicherstellen wollen. Kann auf Grund des Anschluss- und Benutzungszwangs eine private Versorgungsanlage nicht mehr genutzt oder ein Versorgungsrecht nicht mehr wahrgenommen werden, so liegt ein Eingriff in das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht vor[25].
Wegen der Befugnis des Gesetzgebers zur Inhaltsbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 I 2 GG (normgeprägtes Grundrecht – Ausgestaltungsbedürftigkeit) hat das Bundesverwaltungsgericht das Eigentumsrecht eines Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kläranlage betreibt, aber von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen[26].
Es besteht Einvernehmen dahingehend, dass eine im Interesse der Volksgesundheit bei entsprechendem Bedürfnis erfolgte normative Festlegung als Ausfluss der Sozialbindung des Grundeigentums regelmäßig eine legitime Schrankenziehung (Art. 14 I 2 GG) darstellt, wenn sie die Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wahrt[27].
279
Weil bei der normativen Ausgestaltung der Einzelheiten des Anschluss- und Benutzungszwangs durchgängig das rechtsstaatliche Übermaßverbot zu beachten ist, kann sich gegebenenfalls ein Anspruch auf Ausnahmegenehmigung (vgl o. Rn 277) aus dem Grundrecht ableiten lassen[28].
280
Belastende Wirkungen bringt die Festlegung eines Anschluss- und Benutzungszwangs aber auch namentlich für solche Gewerbetreibende mit sich, die entsprechende Einrichtungen bislang auf privater Basis betrieben haben. Hier steht die Judikatur der obersten Bundesgerichte auf dem Standpunkt, der private Betreiber habe von Anfang an damit rechnen müssen, dass eine öffentliche Einrichtung geschaffen und ein Anschluss- und Benutzungszwang begründet werde. Insofern habe er nur eine – von den Art. 12 und 14 GG nicht geschützte – risikobehaftete wirtschaftliche Chance wahrgenommen und sich in eine Position begeben, die insoweit mit der des vorgenannten Grundstückseigentümers vergleichbar sei, dessen latente situationsbedingte Pflichtigkeiten sich leicht alsbald zu aktuellen Verpflichtungen verdichten könnten[29].
281
Angesichts der besonderen Begründungsbedürftigkeit für öffentliche Monopole[30] wird aber darüber hinaus auch zu fragen sein, inwieweit durch die Schaffung und auch durch die Aufrechterhaltung eines Anschluss- und Benutzungszwangs berufliche Entfaltungschancen Privater übermäßig behindert werden[31]. Gegebenenfalls muss dem durch eine Befreiungsregelung (o. Rn 277) Rechnung getragen werden.
Teil I Kommunalrecht › § 8 Der Anschluss- und Benutzungszwang › V. Rechtsfragen aus dem Benutzungsverhältnis