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2. Institutionelle Garantie der gemeindeverbandlichen Selbstverwaltung (Art. 28 II 2 GG)

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Indem das Grundgesetz in Art. 28 II 2 GG auch den Gemeindeverbänden nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung zuerkennt, bringt es zum Ausdruck, dass die diesbezüglich vorstehend in Bezug auf die gemeindliche Ebene gefundenen Auslegungsergebnisse zugleich für die Gemeindeverbände gelten (BVerfGE 83, 363 [383]: „das gleiche Recht der Selbstverwaltung“), also auch insofern eine institutionelle Garantie zu bejahen ist. Allerdings ist der Aufgabenkreis der Gemeindeverbände („im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches“) kein universeller im Sinne einer Allzuständigkeit, sondern ein gesetzlich geformter. Zwar muss der Gesetzgeber den Gemeindeverbänden einen hinreichenden Bestand nicht nur staatlicher, sondern kreiskommunaler Aufgaben zuweisen und dabei auch dem Selbstverwaltungsgedanken in angemessener Weise Rechnung tragen[96]. Ihm kommt auf dieser Ebene aber hinsichtlich der Einzelheiten des Aufgabenprogramms ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Aufgabenbereichs der Kreise findet erst dort Grenzen, wo die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würde. Der Gesetzgeber darf diese Gewährleistung nicht unterlaufen, indem er den Kreisen keine Aufgaben mehr zuweist, die in der von der Verfassung selbst gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Er muss deshalb einen Mindestbestand an Aufgaben zuweisen, die die Kreise unter vollkommener Ausschöpfung der auch ihnen gewährten Eigenverantwortlichkeit erledigen können[97].

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Ganz in diesem Sinne hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2007 in seinem ersten Urteil betreffend die Kreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern, bei der im Wege einer regionalen Maßstabsvergrößerung zwölf Landkreise und sechs kreisfreie Städte zu fünf „Regionalkreisen“ zusammengeschlossen werden sollten, herausgearbeitet, dass das auch in den Kreisen geltende Verfassungsprinzip einer „Demokratie von unten nach oben“ betroffen sei, wenn der Aufgabenbestand der Regionalkreise von staatlichen Aufgaben dominiert werde, während die daneben bestehende Selbstverwaltung in einer Region von bis zu 70 000 km2 kaum noch nach dem bürgerschaftlich-demokratischen Prinzip der Überschaubarkeit erfolgen könne. Kreise müssten in der Fläche so gestaltet sein, dass es ihren Bürgern typisch möglich sei, nachhaltig und zumutbar ehrenamtliche Tätigkeit im Kreistag und seinen Ausschüssen zu entfalten[98]. Die nach den Maßgaben des Verfassungsgerichts nachgebesserte Kreisgebietsreform, die sechs Kreise und nur noch zwei kreisfreie Städte (Rostock, Schwerin) vorsieht, hat das Gericht im Jahr 2011 mit 4:3 Richterstimmen dann als verfassungsgemäß angesehen.[99]

Daran anknüpfend hat das Landesverfassungsgericht in Sachsen-Anhalt sich ebenfalls näher zum Prinzip der Überschaubarkeit geäußert, im zu entscheidenden Fall aber andersherum der Leistungsfähigkeit der kommunalen Einheit einen Vorrang vor dem Prinzip der örtlichen Verbundenheit eingeräumt: Zwar komme dem Bestand eigenständiger örtlicher Gemeinschaft ein Wert von hohem verfassungsrechtlichen Rang zu, doch schließe es allein die Größe des neu gebildeten Gemeindegebiets (hier 632 km2) nicht aus, dass eine örtliche Verbundenheit mit den verschiedenen Ortsteilen zumindest hergestellt und damit dem Gebot der Überschaulichkeit Rechnung getragen werden könne. Entscheidend sei, „ob die verschiedenen neuen Gemeindeteile verkehrsmäßig in zumutbarer Weise an die übrigen Gemeinden angeschlossen sind oder angeschlossen werden können, die Gemeindeverwaltung mit ihrer Tätigkeit alle Teilgebiete gleichmäßig erfassen und betreuen kann und die Bewohner aller Teilgebiete sich in gleicher Weise an den gemeindlichen Aktivitäten beteiligen können“.[100]

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Art. 28 II 2 GG garantiert vom Wortlaut her keine bestimmte Kategorie von Gemeindeverbänden. Wenngleich die Kreise[101] in Art. 28 I 2 GG erwähnt sind, so verzichtet Art. 28 II 2 GG doch auf ihre ausdrückliche Benennung. Unbeschadet dessen wird man jedoch davon auszugehen haben, dass die institutionelle Rechtssubjektsgarantie des Gemeindeverbandes eine Organisationsform voraussetzt, deren tragende Elemente der herkömmlichen Kreisorganisation (dazu unten Rn 175 ff) sehr nahe kommen[102]. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bislang nicht festgelegt, sondern nur festgestellt, dass zu den Gemeindeverbänden iSv Art. 28 II 2 GG „jedenfalls die Kreise gehören“[103].

Die Selbstverwaltungsgarantie weist den Kreisen auch die Wahrnehmung der unter Rn 55 geschilderten Gemeindehoheiten auf der Gemeindeverbandsebene zu. In Ansehung der Finanzhoheit wird so etwa in der Festsetzung des Umlagesatzes der sog. Kreisumlage (dazu oben Rn 23 u. unten Rn 343) eine Selbstverwaltungsangelegenheit gesehen[104].

Üblicherweise unterscheidet man bei den von den „lokal-örtlichen“ Aufgaben der kreisangehörigen Gemeinden zu separierenden „regional-örtlichen“ Kreisaufgaben zwischen drei Gruppen (s. auch Rn 22)[105]: Die substanziell überörtlichen Aufgaben sind solche, die von der Sache her über das Gebiet einer einzelnen Gemeinde hinausgehen und Auswirkungen für mehrere kreisangehörige Gemeinden haben (zB Standortmarketing für den gesamten Kreis). Daneben nehmen die Kreise sog. Ergänzungsaufgaben wahr. Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die der Kreis zur Minderung eines Leistungsgefälles zwischen starken und schwachen kreisangehörigen Gemeinden gleichsam stellvertretend für einige kreisangehörige Gemeinden wahrnimmt, wenn sie deren Leistungskraft übersteigen (zB Betrieb von Volkshochschulen). Als sog. Ausgleichsaufgaben übernimmt der Kreis schließlich logistische oder beratende Unterstützungsmaßnahmen für die Aufgabenerledigung auf der Ebene der kreisangehörigen Gemeinden, zB im Bereich der Rechtsberatung[106].

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