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I. Die gesetzliche Differenzierung zwischen Bürgern und Einwohnern

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Eine grundsätzliche Differenzierung zwischen dem klassischen Begriff des Bürgers und dem des Einwohners[1] lässt sich schon in der Leitvorstellung der Gemeindeordnungen für die gemeindliche Selbstverwaltung erkennen: Die Förderung des Wohls der Einwohner durch von der Bürgerschaft gewählte Organe, vgl zB § 1 I GO NRW; §§ 1 I, 28 NKomVG.

Dem Bürgerrecht in einer Stadt („Stadtluft macht frei“) kam traditionell große Bedeutung zu. Vgl aus der preuß. Städteordnung vom 19.11.1808 (GS 1822 Anh. S. 324):

„§ 14: Ein Bürger oder Mitglied einer Stadtgemeinde ist der, welcher in einer Stadt das Bürgerrecht besitzt.

§ 15: Das Bürgerrecht besteht in der Befugnis, städtische Gewerbe zu treiben und Grundstücke im städtischen Polizeibezirk der Stadt zu besitzen. Wenn der Bürger stimmfähig ist, erhält er zugleich das Recht, an der Wahl der Stadtverordneten teilzunehmen, zu öffentlichen Stadtämtern wahlfähig zu sein und in deren Besitze die damit verbundene Teilnahme an der öffentlichen Verwaltung nebst Ehrenrechten zu genießen.

§ 16: In jeder Stadt gibt es künftig nur ein Bürgerrecht. Der Unterschied zwischen Groß- und Kleinbürgern und jede ähnliche Abteilung der Bürger in mehrere Ordnungen wird daher hierdurch völlig aufgehoben.

§ 17: Das Bürgerrecht darf niemandem versagt werden, welcher in der Stadt, worin er solches zu erlangen wünscht, sich häuslich niedergelassen hat und von unbescholtenem Wandel ist. …“

Einwohner ist jeder, der in der Gemeinde wohnt[2], Bürger nur, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist (vgl Art. 15 II bay.GO, § 28 II NKomVG, § 21 II GO NRW, § 13 II KV M-V). Die Wahlberechtigung richtet sich indes nach den Vorschriften des Kommunalwahlrechts[3]. Danach ist gängigerweise das aktive Wahlrecht denjenigen vorbehalten, die am Wahltag Deutsche im Sinne von Art. 116 GG oder Unionsbürger[4] sowie 18 bzw. 16 Jahre alt[5] sind und darüber hinaus eine gewisse Zeit, in der Regel mindestens drei Monate[6], ihren melderechtlichen Wohnsitz (Hauptwohnsitz) in der Gemeinde haben.

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Das sog. passive Wahlrecht, die Wählbarkeit, richtet sich grundsätzlich nach der Wahlberechtigung (vgl § 49 I NKomVG; § 12 KWG NRW), wobei es insoweit auch in denjenigen Ländern, die mit Blick auf das aktive Wahlrecht das Wahlalter abgesenkt haben, der Vollendung des 18. Lebensjahres bedarf[7]. Für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes bestehen nicht nur auf staatlicher, sondern auch auf kommunaler Ebene Inkompatibilitätsregelungen (vgl Art. 137 I GG)[8], aus denen sich hier ausnahmsweise zur Sicherung der Integrität der Entscheidungsprozesse (Verhütung von Interessenkonflikten zwischen kommunalem Vertretungsmandat und hauptberuflicher Funktion) auch legitime Wählbarkeitsbeschränkungen ergeben[9].

So ist es nach BVerwGE 117, 11 ff von Verfassung wegen nicht zu beanstanden, wenn ein Landesgesetzgeber die Tätigkeit einer Teilzeitangestellten des die Gemeinde verwaltenden Amtes (dazu oben Rn 27 f) ohne Rücksicht auf die konkret ausgeübte Funktion generell für unvereinbar mit der gleichzeitigen Wahrnehmung eines Mandats in der Gemeindevertretung erklärt.

§ 50 I Nr 7 NKomVG; § 13 I 1 b, d KWG NRW und § 25 I 1 Nr 4 KV M-V; begründen eine Unvereinbarkeit von Amt und Ratsmandat nur für Angestellte und Beamte solcher Behörden, die Aufgaben der allgemeinen Kommunalaufsicht oder – bezogen auf Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (dazu unten Rn 206) – der Sonderaufsicht über die Gemeinden wahrnehmen. Nicht erfasst werden hiervon Bedienstete anderer Behörden, auch wenn diese aufsichtsbehördliche Befugnisse ausüben. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung sei weder durch die Entstehungsgeschichte noch durch den Sinn der Inkompatibilitätsbestimmung geboten, so OVG NRW, NWVBl. 2002, 464.

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Vor allem in den 80er-Jahren war die kommunal- und ausländerpolitische Frage diskutiert worden, ob die Zubilligung eines Kommunalwahlrechts Integrationsbemühungen unterstützen könne. Die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg räumten im Jahre 1989 durch entsprechende Wahlrechtsänderungen Ausländern, die sich seit längerer Zeit (fünf bzw acht Jahre) in Deutschland aufhielten und einen bestimmten ausländerrechtlichen Status innehatten, das kommunale Wahlrecht bei Gemeinde- und Kreiswahlen bzw auf Bezirksebene ein.

Nach § 13 II KommVerfDDR sollte sogar schon ein nur zweijähriger Aufenthalt in der Gemeinde ausreichen, um den Status eines Gemeindebürgers und damit zugleich das Wahlrecht zu erlangen.

Art. 28 I 2 GG spricht auch in Bezug auf Kreise und Gemeinden von einer Vertretung des „Volkes“. Gemeint sein kann bei dieser die bundesstaatliche Homogenität sichernden Norm im Einklang mit der Präambel, Art. 1 II, 38 I und 146 GG nur das deutsche Volk. Die Einführung eines Kommunalwahlrechts für Ausländer bedurfte daher einer Änderung des Grundgesetzes (vgl heute Art. 28 I 3 GG[10])[11]. Wegen Verstoßes gegen Art. 28 I und 20 II GG hat das BVerfG die Ausländerwahlgesetze von Schleswig-Holstein und Hamburg dann auch für nichtig erklärt[12].

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Nicht ausdrücklich geklärt ist bislang freilich, ob nicht einer pauschal formulierten, nicht nur Unionsbürger iSd Art. 28 I 3 GG erfassenden Verfassungsänderung sogar Art. 79 III GG entgegensteht, wonach eine Änderung des Grundgesetzes generell unzulässig ist, durch die in Art. 20 GG niedergelegte „Grundsätze“ berührt werden. Art. 20 GG enthält nämlich in Abs. 1 das allgemeine Demokratiegebot als Verfassungsstrukturprinzip und in Abs. 2 die Spezifizierung, dass alle Staatsgewalt vom „Volke“ ausgeht und in Wahlen vom „Volke“ ausgeübt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat aber betont, dass die Gemeinden Staatsgewalt ausüben und sich diese Staatsgewalt – in Homogenität mit Bund und Ländern – von der Gesamtheit der jeweiligen Bürger als dem Volke, von dem alle Staatsgewalt ausgeht, her legitimieren muss[13].

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Lösungshinweis zu Fall 3 (Rn 98):

Damit sind die entscheidenden Probleme des Ausgangsfalles angesprochen. Die geplante Gesetzesnovellierung ohne Verfassungsänderung wäre unzulässig. Fraglich bleibt, ob eine nicht nur Unionsbürger, sondern Ausländer generell einbeziehende Verfassungsänderung mit Blick auf Art. 79 III GG, der eine Antastung der in Art. 20 GG niedergelegten „Grundsätze“ blockiert, möglich wäre. Dies dürfte angesichts der Aussagen des BVerfG jedoch zu verneinen sein[14].

Die zweite Frage betreffend, könnte zunächst an eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG gegen das Landesgesetz gedacht werden[15], und zwar unter Berufung auf die nach überkommener Ansicht durch Art. 3 GG mitgeschützte[16] Gleichheit und Allgemeinheit der Wahl. Anders aber seit 1998 das BVerfG, das in ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rspr Art. 28 I 2, 38 I 1 GG als speziellere Wahlgleichheitssätze betrachtet und daher bei politischen Wahlen im Verfassungsraum der Länder die Gewährung subjektiven Schutzes des Wahlrechts abschließend den Ländern zuweist[17]. Es erschiene ohnehin zweifelhaft, ob vorliegend wirklich von einer Verletzung subjektiver Rechte des D ausgegangen werden kann, welche gem. Art. 93 I Nr 4a GG, § 90 I BVerfGG unabdingbares Erfordernis für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde ist.

Sofern das Landesverfassungsrecht eine (Individual-)Verfassungsbeschwerde nicht vorsieht (wie etwa in Nds. und NRW), bietet im Anschluss an die unter den neuen gesetzlichen Bedingungen durchgeführte Kommunalwahl das im Kommunalwahlrecht aller Länder anerkannte Institut der Wahlanfechtung bzw Wahlprüfung gesicherte Kontrollmöglichkeiten[18].

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Mit Blick auf das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger heißt es unmissverständlich in Art. 28 I 3 GG:

„Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar.“

Insoweit ist nunmehr in Art. 20 II 2 lit b) AEUV festgesetzt, dass die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger (vgl Art. 20 I AEUV) in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Kommunalwahlen besitzen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten, wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Demgemäß sehen inzwischen auch alle Kommunalwahlgesetze der Länder ein Wahlrecht für Unionsbürger ausdrücklich vor (vgl § 48 I 1 NKomVG; § 7 KWG NRW; Art. 1 I Nr 1 bay.GLKrWG; § 4 II 1 LKWG M-V).

Teil I Kommunalrecht§ 3 Die Gemeindebevölkerung (Bürger und Einwohner) › II. Konsequenzen

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