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NominalgruppeNominalgruppe

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Bei der Begriffsbestimmung von Nomen und Nominalisierung haben wir bereits auf den Begriff der Nominalgruppe zurückgegriffen. Mit dem Hinweis auf die Einschätzung von von Polenz, dass mit ‚Nominalstil‘ eigentlich ‚Nominalgruppenstil‘ gemeint sei, ist bereits deutlich geworden, dass es sich bei ‚Nominalgruppe‘ um einen Zentralterminus für die Beschäftigung mit Nominalstil handelt.

Diskurs: Nominalgruppe oder NominalphraseNominalphrase?

Wie auch andere hier diskutierte Terminologiepaare sind ‚Nominalphrase‘ und ‚Nominalgruppe‘ keineswegs synonym. Häufig geht es bei der Entscheidung für einen der beiden Termini um die Verortung in einem grammatiktheoretischen Kontext. So ist ‚Nominalphrase‘ bspw. ein fester Grundbegriff der Generativen Grammatik. Alternativ dazu kann auch zwischen ‚Gruppe‘ als losere Verbindung und ‚Phrase‘ als grammatikalisierte Verbindung mit festen phrasenstrukturellen Eigenschaften unterschieden werden (vgl. Eroms 2016). Gerade für die Beschäftigung mit Grammatikalisierung ist diese Unterscheidung hilfreich, weil mit ihr die Entwicklung von einer loseren Verbindung hin zu einer Struktur mit festen Phraseneigenschaften eingefangen werden kann (vgl. Eroms 2016). Eine solche diachrone Perspektive nimmt das vorliegende Studienbuch aber nicht ein. Da bei der Modellierung syntaktischer Grundstrukturen hier vordergründig auf Eisenbergs Grammatik zurückgegriffen wird, verwenden wir in Anlehnung an Eisenberg den Terminus ‚Nominalgruppe‘.

Für eine Annäherung an den Begriff der Nominalgruppe ist zweierlei relevant: ihre interne Struktur sowie ihre syntaktische Funktion. Für die Erfassung der internen Struktur von Nominalgruppen greifen wir hier auf den Begriff des ‚WortgruppengliedsWortgruppenglied‘ von Ágel (2017: 20ff.; 691ff.) zurück. Dabei handelt es sich um einen Terminus, der gezielt eine Analogie Analogiezum Terminus ‚SatzgliedSatzglied‘ herstellt: Satzglieder sind satzgrammatische Funktionen von grammatischen Formen, Wortgruppenglieder sind wortgruppengrammatische Funktionen von grammatischen Formen (Ágel 2017: 23). Hinter dieser Analogie steckt die folgende Grundidee: Wenn etwas (in unserem Fall: eine grammatische Form) Bestandteil einer größeren Einheit (in unserem Fall: eines Satzes oder einer WortgruppeWortgruppe) ist, dann muss es eine Funktion in Bezug auf diese größere Einheit haben. Salopp formuliert: Es gibt keine Aliens in Sätzen oder Wortgruppen. Diesen wichtigen Kerngedanken wollen wir hier in Bezug auf die Glieder von Nominalgruppen weiter verfolgen. Als Nominalgruppenglieder betrachten wir hier Kerne (NomenNomen), Köpfe Kopf(ArtikelArtikel) und Attribute. Da ‚Attribut‘ ein Zentralbegriff für die Beschäftigung mit Nominalstil ist, widmen wir diesem Wortgruppenglied einen eigenen Abschnitt.

Diskurs: Köpfe Kopfund Kerne

Es ist bereits deutlich geworden, dass das Nomen eine zentrale Funktion in der Nominalgruppe übernimmt. Diese zentrale Funktion wird in manchen Darstellungen mit dem Terminus ‚Kopf‘ und in anderen mit dem Terminus ‚KernKern‘ erfasst. So bezeichnet die IdS-Grammatik das „strukturelle und funktionale Zentrum einer WortgruppeWortgruppe“ als Kopf (1997: 72). Das ist in Bezug auf die Nominalgruppe nicht unproblematisch, weil das Nomen nicht gleichzeitig strukturelles und funktionales Zentrum ist. Es ist vielmehr „nur“ das lexikalische Zentrum (Eisenberg 2013b: 53; Ágel 2017: 698). Die Rede von einem lexikalischen Zentrum ergibt Sinn, wenn man diesen Begriff vom Artikel Artikelals grammatischem Zentrum der Nominalgruppe abgrenzt (Eisenberg u. Ágel ebd.). Der Artikel wird in dieser Tradition als ‚Kopf‘ bezeichnet. Diese Verwendung des Terminus ‚Kopf‘ ist also nicht identisch mit der Verwendung des Terminus ‚Kopf‘ in der IdS-Grammatik. Mit der Unterscheidung von Köpfen und Kernen knüpft Eisenberg an die syntaktischen Grundüberlegungen von Oliver Teuber (2005) an (die dieser seiner Dissertation zu analytischen Verbformen als Begriffsapparat voranstellt). Köpfe und Kerne werden bei Teuber und Eisenberg ebenso wie die klassischen Satzgliedbegriffe Satzgliedbegriffals syntaktische Relationen Relationsyntaktischerfasst. An diese Tradition knüpft auch Ágel an (2017), der – wie bereits ausgeführt – für die syntaktischen Relationen in der Wortgruppe in Analogie Analogiezu den syntaktischen Relationen im Satz Satzden Terminus ‚WortgruppengliedWortgruppenglied‘ einführt. Die Dudengrammatik verwendet ebenso wie Eisenberg den Terminus ‚Kern‘ für das Nomen in einer Nominalgruppe (dort aber NominalphraseNominalphrase). Für die Funktion des Artikels verwendet Peter Gallmann, der Autor des Satzkapitels in der Dudengrammatik, keinen gesonderten Terminus. Auf sein Konzept des Hauptmerkmalträgers werden wir unten genauer eingehen.

Es erweist sich als wichtig, die Wortgruppenfunktion Wortgruppenfunktiondes Nomens Nomenvon der Wortgruppenfunktion des Artikels Artikelabzugrenzen. Was mit der Redeweise vom Artikel als grammatisches Zentrum gemeint ist, sollen die folgenden Beispiele illustrieren:

Maskulinum (stark) Maskulinum (schwach) Femininum
Nominativ der Mann die Männer der Automat die Automaten die Frau die Frauen
Genitiv des Mannes der Männer des Automaten der Automaten der Frau der Frauen
Dativ dem Mann den Männern dem Automaten den Automaten der Frau der Frauen
Akkusativ den Mann die Männer den Automaten die Automaten die Frau die Frauen

Tab. 1:

Exemplarische Paradigmen deutscher Substantive

Die Beispiele zeigen, dass die grammatischen Kategorien Kategoriegrammatischder Nominalgruppe (GenusGenus, KasusKasus, NumerusNumerus) am Artikel Artikeldeutlich häufiger sichtbar werden als am SubstantivSubstantiv: Das starke Maskulinum MaskulinumMann hat im Singular Singularnur im Genitiv Genitiveine eindeutige Kasusendung, sie ist allerdings mit der Endung des Artikels identisch und dadurch redundant. Im Plural Plurallässt sich nur der Dativ Dativvon den anderen Kasus unterscheiden. Beim schwachen Maskulinum Automat ist nur der Nominativ NominativSingular von den anderen Kasus unterscheidbar, alle anderen Kasus im Singular sowie alle Kasus im Plural tragen die schwache Endung -en. Beim Femininum FemininumFrau schließlich sind nur Singular und Plural unterscheidbar. Für die Maskulina bietet der Artikel im Singular unterschiedliche Formen für alle vier Positionen im ParadigmaParadigma, im Plural sind immerhin nur Nominativ und Akkusativ Akkusativsynkretistischsynkretistisch, also mehrdeutig.

In Bezug auf die Funktion der Kennzeichnung der nominalen Kategorien Kategorienominaldurch den Artikel spricht Gallmann in der Dudengrammatik von einem ‚HauptmerkmalträgerHauptmerkmalträger‘ (2016: 955). Das muss nicht unbedingt ein Artikel sein, auch ein stark dekliniertes DeklinationAdjektiv Adjektivkann diese Funktion übernehmen, wenn kein Artikel mit entsprechender Endung vorhanden ist:

D-er starke schwarze Kaffee hilft da sicher.

Dies-er starke schwarze Kaffee hilft da sicher.

Mein stark-er schwarz-er Kaffee hilft da sicher.

Ein stark-er schwarz-er Kaffee hilft da sicher.

Stark-er schwarz-er Kaffee hilft da sicher.

(Dudengrammatik 2016: 956)

In der Terminologie von Eisenberg ist der Hauptmerkmalträger HauptmerkmalträgerKopf Kopfeiner NominalgruppeNominalgruppe. Die Konsequenz dieser Auffassung ist im Grunde genommen, dass auch die Flexionsendung eines stark deklinierten DeklinationAdjektivs Kopffunktion übernimmt. Meist werden aber nur Artikel Artikelals Köpfe betrachtet. Wir werden es in diesem Studienbuch aus Gründen der Überschaubarkeit auch bei diesem kurzen Hinweis auf die Kopffunktion der Flexive Flexivstark deklinierter Adjektive Adjektivbelassen. Die Adjektive stark und schwarz sind in den Beispielen darüber hinaus als Wortgruppenglieder Wortgruppengliedauch Attribute. Der Attributstatus ist dabei unabhängig davon, ob ein Adjektiv stark oder schwach dekliniert ist, ob es also gleichzeitig Hauptmerkmalträger ist oder ob ein Artikel als Hauptmerkmalträger fungiert.

Als zweites Standbein der Annäherung an den Begriff der Nominalgruppe Nominalgruppewurde eingangs ihre syntaktische Funktion benannt. Nominalgruppen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie im Satz eine Satzgliedfunktion Satzgliedfunktionübernehmen können:

(3) Der verliebte Paul will der glücklichen Paula rote Rosen schenken.

Dieser Satz enthält drei Nominalgruppen: der verliebte Paul, der glücklichen Paula und rote Rosen. Alle drei Nominalgruppen sind Satzglieder Satzgliedin diesem Satz: Der verliebte Paul ist SubjektSubjekt, der glücklichen Paula ist Dativobjekt und rote Rosen ist AkkusativobjektAkkusativobjekt. In der Grammatik von Eisenberg sind Nominalgruppen deshalb KonstituentenkategorienKonstituentenkategorie. Das bedeutet, dass sie unmittelbare Bestandteile des Satzes sind. Das lässt sich in Anlehnung an Eisenberg wie folgt abbilden:

Abb. 1:

Nominalgruppen als Satzkonstituenten

Wichtig ist dabei aber: Als Konstituentenkategorien in Bezug auf Sätze kommen nicht nur Nominalgruppen in Frage, sondern beispielsweise auch Präpositionalgruppen Präpositionalgruppeund NebensätzeNebensatz.

Umgekehrt können auch Nominalgruppen nicht nur als Konstituenten von Sätzen fungieren. Sie können auch Konstituenten von Präpositionalgruppen sein:

(4) Der verliebte Paul wartet hinter der Mauer auf die glückliche Paula. Er überrascht sie mit roten Rosen.

Im Gegensatz zu Beispiel (3) ist hier die glückliche Paula nicht unmittelbare Konstituente Konstituenteunmittelbardes Satzes und folglich auch kein Satzglied, sondern Konstituente Konstituenteder Präpositionalgruppe. Bei Eisenberg ist sie der Kern Kernder Präpositionalgruppe (die Präposition Präpositionist der KopfKopf). Die Präpositionalgruppe ist hier die Konstituente des Satzes und ein Satzglied (Präpositionalobjekt). Das Gleiche gilt für roten Rosen: Auch diese Nominalgruppe ist Konstituente einer Präpositionalgruppe (mit roten Rosen), ebenso wie die Nominalgruppe der Mauer Konstituente der Präpositionalgruppe hinter der Mauer ist.

Abb. 2:

Nominalgruppen als Konstituenten von Präpositionalgruppen

Schließlich können Nominalgruppen auch Konstituenten von Nominalgruppen sein:

(5) die erste Durchsteigung der Nordwand der großen Zinne auf der Direttissima im Winter 1989 durch Kurt Albert und Gefährten im Rotpunkt-Stil (IdS-Grammatik 1997: 1927)

Mit diesem Beispiel illustrieren die Autoren der IdS-Grammatik, dass eine Nominalgruppe Nominalgruppesehr komplex sein kann. Es handelt sich zunächst insgesamt um eine Nominalgruppe, weil sie als Konstituente Konstituenteeines Satzes fungieren kann:

(6) Die erste Durchsteigung der Nordwand der großen Zinne auf der Direttissima im Winter 1989 durch Kurt Albert und Gefährten im Rotpunkt-Stil war eine Sensation.

Die Nominalgruppe fungiert in diesem Satz als SubjektSubjekt. Da, wie wir gerade diskutiert haben, Nominalgruppen auch Konstituenten von Nominalgruppen sein können, ist es hilfreich, einen Terminus zu haben, mit dem wir solche komplexen Nominalgruppen wie (5) benennen können. In Anlehnung an Mertzlufft (2013: 230) nennen wir Nominalgruppen, die Konstituenten von Sätzen sind und eine Satzgliedfunktion Satzgliedfunktionübernehmen, in diesem Studienbuch „maximale NominalgruppeNominalgruppemaximaln“. Die Nominalgruppe mit dem deverbalen Kern KerndeverbalDurchsteigung ist deshalb so komplex, weil sie weitere Nominal- und Präpositionalgruppen Präpositionalgruppeals Attribute enthält. Die Attributstruktur Attributstrukturschauen wir uns im Abschnitt zu Attributen näher an.

An dem Beispiel haben wir nachvollzogen, dass eine Nominalgruppe sehr umfangreich sein kann. Was ist aber die untere Grenze für die Annahme einer Nominalgruppe, d.h., was muss minimal vorhanden sein, damit von einer Nominalgruppe ausgegangen werden kann?

Diskurs: Gibt es eingliedrige Nominalgruppen?

Die Grundsatzfrage lautet: Wieviele Elemente sind notwendig, damit man von einer Gruppe sprechen kann? Mit dieser Frage gehen die Grammatiken unterschiedlich um. Die Dudengrammatik und die IdS-Grammatik sprechen auch bei einzelnen Substantiven Substantivvon Nominalphrasen: Kühe fressen Gras (Dudengrammatik 2016: 808); Julia weint (IdS-Grammatik 1997: 1928). In der IdS-Grammatik spricht man hier von ‚Einwort-Nominalphrasen‘. Eisenberg hingegen unterscheidet als Konstituentenkategorien KonstituentenkategorieNomen Nomenund Nominalgruppen und benennt als Bedingung für eine NominalgruppeNominalgruppe, dass diese mindestens zwei Nomina (im Sinne des Begriffsverständnisses: deklinierbare Wörter) enthalte (2013b: 22). Nach diesem Verständnis wären im Beispiel Paul liebt Paula zwei Nomen Konstituenten des Satzes, im Beispiel der junge Paul liebt die alte Paula zwei Nominalgruppen. Wir müssen hier nicht unbedingt eine Festlegung bezüglich der Frage treffen, ob auch einzelne Nomen als Nominalgruppen zu betrachten sind. Für eine Beschäftigung mit dem Nominalstil sind allerdings einzelne Nomen als Satzkonstituenten Satzkonstituentenicht besonders interessant. Für den Nominalstil sind vielmehr komplexe Nominalgruppen konstitutiv.

Nominalgruppe Nominalgruppe

Eine NOMINALGRUPPE ist eine WortgruppeWortgruppe, die ein NomenNomen als Kern Kern(lexikalisches Zentrum) enthält. Eine Nominalgruppe enthält maximal je einen Kern und einen Kopf Kopf(grammatisches Zentrum; in der Regel ein ArtikelArtikel). Hingegen kann eine Nominalgruppe durch beliebig viele Attribute erweitert werden. Nominalgruppen können Konstituenten von Sätzen sein, also Satzgliedfunktion Satzgliedfunktionübernehmen. Sie können aber auch Konstituenten von Präpositionalgruppen Präpositionalgruppesein (sie fungieren dann als Kerne) oder Konstituenten von Nominalgruppen (hier fungieren sie als Attribute).

Das Vorhandensein eines Kerns ist die Grundbedingung für eine Nominalgruppe. Diese Bedingung kann allenfalls durch Koordinationsellipsen ausgehebelt werden:

(7) Die neue Freundin von Paul ist hübscher als die alte.

An der Oberfläche besteht die Nominalgruppe die alte nur aus Kopf und AdjektivattributAdjektivattribut; Freundin ist sozusagen als Kern mitzudenken.

Wichtig ist, dass eine Nominalgruppe nur einen Kern hat. Dabei können aber mehrere Nomen zu einem komplexen Kern Kernkomplexkoordiniert werden:

(8) Die Eltern und Kinder besuchen den Zoo.
Nominalstil

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