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Einleitung Anliegen und Gegenstand

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‚Nominalstil‘ ist ein weit verbreiteter Begriff. Eine Googlesuche ergibt aktuell knapp 50.000 Treffer, sie führen uns in Lehr- und Lernkontexte (bspw. „Nominalstil – Verbalstil – Grammatiktraining“), aber auch in den Bereich der Sprachkritik („Nominalstil – die Mutter aller Stilsünden“) und Sprachberatung („Nominalstil vermeiden! So schreiben Sie verständlicher“). Nominalstil ist im Grunde genommen ein vorwissenschaftlicher Begriff, der breite Verwendung findet, bislang aber keine systematische linguistische Aufarbeitung erfahren hat. Als Indiz dafür wird hier gewertet, dass es in der grammatischen Bibliographie des Instituts für deutsche Sprache (grammis) kein Suchwort ‚Nominalstil‘ gibt und die Recherche im Onlinesuchsystem der Deutschen Nationalbibliothek nur zwei Treffer zu DaF-bezogenen Publikationen mit ‚Nominalstil‘ im Titel liefert (Punkki-Roscher 1995, Järventausta / Schröder 1997). Und in der Tat bildet die linguistische Auseinandersetzung mit dem Konzept in keinster Weise den breiten Rekurs auf das Phänomen in der Sprachgemeinschaft ab (eine Ausnahme bildet bspw. Ziegler 2009). Das bedeutet natürlich nicht, dass es keine breite linguistische Forschung zu Nominalstilmerkmalen gäbe, vielmehr sind die einzelnen Phänomene, die gemeinhin als nominalstilistisch eingeordnet werden (bspw. Nominalisierung, Komposition, Attribution), durchaus Gegenstand elaborierter linguistischer Forschung.

Aus dieser Einschätzung ergibt sich das Anliegen des vorliegenden Studienbuches quasi von selbst. Es besteht in einer linguistischen Aufarbeitung des Konzepts ‚Nominalstil‘ auf der Basis der einschlägigen linguistischen Forschung. Dabei – das sei ausdrücklich betont, um Missverständnissen vorzubeugen – liegt der Schwerpunkt auf der grammatischen Seite des Phänomens, d. h. auf ‚Nominal-‘. Anliegen des Buches ist es, einen Überblick über das grammatische System des Nominalstils zu bieten. Außen vor bleibt hier also weitestgehend die mit ‚-stil‘ verbundene Verbindung zum Text: Nominalstil ist ein Phänomen bestimmter Kommunikationsbereiche (etwa: Wissenschaftssprache, Rechtssprache, Behördensprache) und Textsorten. Eine systematische Aufarbeitung des Beitrags von Nominalstil zur Textqualität in diesen oder benachbarten Bereichen bleibt folglich anderen Darstellungen vorbehalten. Die vorgenommenen Analysen zu einschlägigen Textbeispielen werden aber möglicherweise trotzdem einen Eindruck des Beitrags von Nominalstil zur Textprofilbildung vermitteln.

Der Untertitel des Buches, „Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven“, ist wie folgt zu verstehen: Primäres Ziel ist die Aufarbeitung nominalstilistischer Möglichkeiten des Ausdrucks von Satzinhalten. Eine zentrale Prämisse besteht dabei darin, dass Inhalte, die auch in Sätzen mit Vollverben ausgedrückt werden können, in nominale Strukturen überführbar sind. Die zentrale Frage lautet hier folglich: Wie können die Möglichkeiten der Überführung von Satzinhalten von verbalen in nominale Strukturen charakterisiert werden? Es wird aber auch darum gehen, welche Grenzen der nominalen Ausdrucksseite gesetzt sind. Was kann nicht nominal ausgedrückt werden und woran liegt das? Schließlich sind auch die Perspektiven des Ausbaus nominaler Syntax Gegenstand der Darstellung, also solche Bereiche, in denen im aktuellen Sprachgebrauch zu beobachten ist, dass bestimmte Arten von Satzinhalten, die eigentlich Sätzen mit Vollverben vorbehalten zu sein scheinen, nominalstilistisch realisiert werden.

Zielgruppe

Zielgruppe eines Studienbuchs zur germanistischen Linguistik sind zuallererst Studierende der Germanistik. Das Buch ist allerdings nicht als Lehrbuch konzipiert, d.h., es folgt keiner Progression und enthält keine Übungen. Dennoch kann es für das Selbststudium genutzt werden. Empfohlen sei dabei insbesondere eine intensive Auseinandersetzung mit den Beispielanalysen sowie eine Anwendung des Analyseinventars auf selbst gewählte Beispiele. Darüber hinaus richtet sich das Studienbuch an Lehrende der germanistischen Linguistik, die in ihren Vorlesungen oder Seminaren Nominalstil systematisch aufarbeiten oder einzelne nominalstilistische Phänomene besprechen wollen.

Das Buch möchte über die Zielsetzung einer Grundlage für die germanistische Hochschullehre hinaus aber auch zur weiterführenden linguistischen Auseinandersetzung mit dem Konzept des Nominalstils anregen. Es richtet sich deshalb durchaus auch – obwohl es keine wissenschaftliche Monographie ist – an Kolleginnen und Kollegen.

Aufbau und Nutzung

Das Studienbuch entwickelt ein Konzept von Nominalstil. Folglich sind die einzelnen Teile des Buches aufeinander bezogen. Das bedeutet aber nicht, dass das Buch nur linear gelesen werden kann. Folgendes erwartet Sie bei der Lektüre der einzelnen Kapitel:

 Im Kapitel „Grundbegriffe“ werden die folgenden grundlegenden Begriffe erarbeitet: Nomen/Substantiv, Nominalisierung, Nominalgruppe, Attribut, Satz, Satzinhalt. Hier wird dasjenige Begriffsverständnis dieser grundlegenden Begriffe entwickelt, das den Ausführungen in den weiteren Kapiteln zugrunde liegt. Das Kapitel kann also als ein Nachschlagewerk bei der Lektüre der weiteren Bausteine des Buches genutzt werden. Da diese Begriffe für die Arbeit in allen Kapiteln zentral sind, erschien es ratsam, sie in einem eigenständigen Kapitel zusammenzutragen.

 Das Kapitel „Nominalstil – eine erste Annäherung“ bietet einen Einstieg in die Beschäftigung mit dem Nominalstil. Ausgehend von den Begriffsbestimmungen in zwei einschlägigen linguistischen Lexika werden in einem ersten Schritt die wichtigsten grammatischen Merkmale des Nominalstils besprochen. Auf der Basis der Diskussion des qualitativen Beitrags dieser Merkmale zum Nominalstil wird anschließend ein eigenes Begriffsverständnis entwickelt, das Nominalstil als Ergebnis einer Überführung von Satzinhalten in nominale Strukturen begreift. Vor diesem Hintergrund kann die Rolle der einzelnen grammatischen Merkmale neu bewertet werden. Schließlich werden in diesem Kapitel auch die Auswirkungen des Nominalstils auf die syntaktische Ausgestaltung von Sätzen beleuchtet.

 Das Kapitel „Nominalstil zwischen verbaler und nominaler Syntax“ bietet einen Ansatz zur grammatiktheoretischen Verortung des Phänomens. Zentrale Theoriebausteine sind Cziczas Konzept der strukturellen Domäne (2015), das eine Gegenüberstellung der grundlegenden syntaktischen Funktionsweisen von Satz und Nominalgruppe erlaubt, sowie Welkes Konzept der Valenzvererbung (2011), das als grammatiktheoretischer Rahmen für die Analyse der Überführung von Satzinhalten aus verbalen in nominale Strukturen fungiert. Mit der Übertragung des valenzgrammatischen Konzepts der Satzbaupläne auf die nominale Domäne (= „Nominalgruppenbaupläne“) wird schließlich ein Ansatz für Bestandsaufnahmen zu grundlegenden nominalstilistischen Strukturen vorgeschlagen.

 Das Kapitel „nominale Komplexität“ bringt mit ‚Komplexität‘ einen weiteren Erklärungsansatz für Nominalstil ins Spiel: Ein einzelnes Attribut oder eine einzelne Nominalisierung macht noch keinen Nominalstil, vielmehr entsteht erst durch die gehäufte Verwendung solcher grammatischen Merkmale der Eindruck von einem nominalstilistischen Text. Es wird ein Komplexitätsverständnis vorgestellt, mit dem nominale Komplexität analysiert und mit verbaler Komplexität verglichen werden kann. In diesem Kapitel geht es aber auch um die Grenzen des Nominalstils, d. h. darum, was passiert, wenn die nominale Komplexität zu stark ausgereizt wird.

 Das Kapitel „Ausbau nominaler Syntax“ schließlich bietet mit Verbalkomplexen als Partizipialattributen und Verknüpfungen im Bereich der Attribution zwei Beispiele für weiterführende Übertragungen von Satzinhalten auf nominale Strukturen, mit denen sozusagen die Grenzen des nominal Sagbaren weiter ausgelotet werden. Indem auf diese Weise das Spektrum der nominal realisierten Satzinhalte erweitert wird, werden neue Perspektiven für die nominalstilistische Ausdrucksweise eröffnet.

Zentrales Anliegen des vorliegenden Buches ist eine möglichst verständliche und nachvollziehbare Entwicklung eines Konzepts von Nominalstil. Aus diesem Grunde kann nicht der Anspruch erhoben werden, sämtliche Sekundärliteratur, die sich mit einzelnen Nominalstilphänomenen beschäftigt, zu berücksichtigen bzw. ausführlich zu dokumentieren und zu besprechen. Vielmehr wird in den einzelnen Kapiteln mit zentralen Theoriebausteinen gearbeitet, die möglichst detailliert dargelegt werden, damit sie gewinnbringend für die Entwicklung des Nominalstilverständnisses genutzt werden können.

Ein Studienbuch steht aus Sicht der Autorin vor einem grundsätzlichen Dilemma: Es sollte einerseits ergebnisorientiert sein, um der Zielgruppe ein Handwerkszeug für die Analyse der behandelten Strukturen zur Verfügung zu stellen. Es kann also den eigenen Ansatz nicht in der gleichen Ausführlichkeit aus einer Diskussion der vorliegenden Forschungsansätze entwickeln, wie es in einer wissenschaftlichen Monographie der Fall ist. Andererseits wird natürlich auch in einem Studienbuch das Rad nicht neu erfunden, d.h., es profitiert vom wissenschaftlichen Diskurs zum behandelten Themenfeld. Um einerseits die Einbettung in den Diskurs transparent zu machen und andererseits eine möglichst gute Lesbarkeit zu gewährleisten, werden hier an einigen Stellen Ausführungen zum Diskurs in gesonderte Abschnitte ausgelagert. Diese Abschnitte sind mit dem Hinweis „Diskurs“ gekennzeichnet und vom Fließtext abgehoben. Sie als Leser oder Leserin können also selbst entscheiden, ob diese Informationen für Sie relevant sind, oder ob Sie diese Textteile überspringen möchten, weil für Sie vordergründig die ergebnisorientierte Entwicklung des Nominalstilverständnisses von Belang ist.

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