Читать книгу Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger - Страница 4
Exodus
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Vor seinen weit aufgerissenen Augen begann sich der Raum samt Interieur zu drehen. Bedrohlich wölbte sich der Boden unter seinen Füßen nach vorn und erschwerte ihm so das Gehen und die Balance zu halten. Der braune Teppich schien über eine Felsklippe hinweg in die Tiefe zu stürzen.
Er taumelte, stolperte zur Badezimmertür und krallte seine Finger in das Holz des Türrahmens, ohne zu bemerken, dass dabei zwei der erst kürzlich manikürten Fingernägel abbrachen.
Sein Herz raste wie der Kolben einer Dampfmaschine und drängte das Blut in kurzen, heftigen Stößen durch das Adergeflecht hinauf in seinen Kopf. Schweißperlen traten auf seine Stirn, rannen ihm über das Gesicht und färbten den Kragen des weißen Hemdes dunkel.
Während Tausende imaginäre Nadeln auf seine Kopfhaut einstachen, spürte er den aufsteigenden Schwindel. Sein Blickfeld verengte sich bis zur Größe eines Stecknadelkopfes – dann wurde es vollends schwarz um ihn herum. Es war eine beängstigende Finsternis, die sich über ihn senkte, und doch keine Bewusstlosigkeit. Als wäre er Teil einer in Zeitlupe abgespielten Filmsequenz, versagten schlagartig beide Knie ihren Dienst, er kippte vornüber und seine knapp neunzig Kilo knallten auf die kalten Fliesen des Badezimmers.
Er röchelte leise und seine Hände fühlten die Kühle des Bodens, während anhaltend ein Dampfhammer auf die Windungen seines Gehirns einzuschlagen schien. Durst! Unbändiger Durst! Das maßlose Verlangen nach Flüssigkeit! Jedes Molekül seines Körpers schrie verzweifelt danach. Doch er war nicht fähig zu schreien. Vielmehr füllte seine angeschwollene Zunge die gesamte Mundhöhle aus und presste sich gefühllos gegen den ausgetrockneten Gaumen. Fortwährend pulsierte sein Herz – nein, es tobte wie verrückt und verursachte ein bebendes Inferno vom Haaransatz bis zu den Zehen. Im Versuch, kriechend den Waschtisch zu erreichen, mobilisierte er die letzten Kräfte. Zitternd gelang es ihm, sich aufzustützen. Noch immer umgab ihn ein Schleier wabernder, undurchdringlicher Schwärze. Direkt vor ihm, nur wenige Schritte entfernt, müsste sich das Waschbecken mit dem erlösenden Wasserhahn befinden. Seine Hand tastete wie die eines Blinden, als sich augenblicklich die Muskeln verkrampften und seinen ganzen Körper wie einen Zitteraal vibrieren ließen. Gleichzeitig schien eine kräftige imaginäre Faust seine Eingeweide zusammenzuquetschen, was ihn ungewollt dazu zwang, eine gekrümmte Haltung wie die eines Fötus einzunehmen. Übersäuerter Mageninhalt, der gallig durch die Speiseröhre nach oben quoll, tropfte zu beiden Seiten aus den Mundwinkeln. Als zerrte eine zweite, extrem starke Hand an seinen Haaren, riss er ruckartig den Kopf in den Nacken und übergab sich in einem Schwall. Sekunden später lag er mit dem Gesicht inmitten seines Erbrochenen. Speisereste verklebten Mund und Nasenlöcher, doch davon bekam er nichts mehr mit. Es war der Augenblick, an dem sich auch sein Herzmuskel das letzte Mal zusammenzog, um gleich darauf bleiern zu erschlaffen.