Читать книгу Drug trail - Spur der Drogen - Matthias Kluger - Страница 5
Der Anruf
Оглавление„Phil? Phil, kannst du mich hören?“
Robert presste das iPhone an sein kaltes Ohr und lauschte.
„Shit, Phil, ich kann dich nicht verstehen. Bist du noch dran?“
Nichts, außer einem Rauschen in der Leitung, durchbrochen von gelegentlichem Knacken.
„Wenn du mich hörst, Phil, ich leg jetzt auf. Ruf mich gleich zurück, hörst du!“
Robert war so auf das erfolglose Telefonat mit seinem Zwillingsbruder konzentriert, dass er einen Fuß auf die Straße setzte, ohne den Verkehr zu beachten. Das laute Hupen eines Kleinwagens riss ihn abrupt in die Realität zurück und ließ ihn mit einem Satz auf den Bürgersteig zurückspringen. Zur Entschuldigung hob er die linke Hand, während seine rechte das Handy in die Manteltasche steckte. Fröstelnd stülpte Robert den Kragen seines dunklen Mohair-Mantels nach oben und wandte sich zur Fußgängerampel rechts von ihm. Washington D.C. war in dicke Schneeflocken gehüllt, die sich zart wie Wattebäuschchen auf seinem blonden Kurzhaarschnitt und den Schultern des Mantels türmten. Inmitten geschäftigen Trubels gehetzter Stadtmenschen, die zwei Tage vor Weihnachten noch die letzten Geschenke für ihre Liebsten aufzutreiben versuchten, schlug Robert den Weg in Richtung Capitol ein. Er wich gerade einer entgegenkommenden älteren Dame mit enorm beladenen Einkaufstüten aus, als sein iPhone klingelte. Robert nestelte das vibrierende Gerät aus den Tiefen seiner Manteltasche und drückte es sich an die Ohrmuschel.
„Endlich, Phil. Wo bist du?“
„Im Treppenhaus vor meiner Wohnung. Sorry, ich musste vorhin auflegen. Irgendwelche Idioten sind bei mir eingebrochen und haben einen irrsinnigen Saustall hinterlassen. Zwei von der Streife besichtigen gerade das Chaos.“
„Eingebrochen?“, fragte Robert, als hätte er das eben Gesagte nicht korrekt verstanden. „Fehlt irgendwas?“
„Zirka 900 Euro, aber die Uhr, die mir Vater letztes Jahr geschenkt hat, haben sie liegen lassen.“
„Fuck. Wie sind die reingekommen?“
„Meine Haustür scheint ein Witz zu sein. Der Polizist meint, Profis knacken das Schloss in null Komma nix. Muss heute Nacht gewesen sein, als ich bei meiner Perle war.“
„Perle? Welche Perle?“, hakte Robert nach.
Philipp grinste ins Telefon. „Nix Ernstes.“
„Und jetzt?“, wollte Robert wissen.
„Na ja, der oder die hatten es nur aufs Bargeld abgesehen. Der von der Streife meint, dass es sich meist um Einzeltäter handelt. Nicht selten Junkies, die Kohle für Drogen brauchen. Hier in Berlin haben die Cops laufend damit zu tun und kommen kaum hinterher. Ist eine richtige Seuche. Der Polizist hat mir vorgerechnet, dass so ein Junkie im Durchschnitt hundert bis zweihundert Euro am Tag braucht. Das sind locker mal über fünfzigtausend im Jahr.“
„Da muss ’ne alte Oma lange für stricken. Sonst ist aber alles okay, oder?“
„Außer, dass es arschkalt ist und regnet“, entgegnete Philipp.
„Bei uns schneit es“, brüllte Robert nun, da ein rumorender Truck auf seiner Höhe lautstark von einem Gang in den anderen schaltete. „Wann kommst du?“
„Deswegen habe ich dir gestern schon aufs Band gesprochen. So wie es aussieht, wird das nichts über die Weihnachtstage. Mutter hat für die Feiertage ein volles Programm aufgelegt und die aktuelle Kampagne lässt mir kaum Luft zum Atmen. American-British-Tobacco hat den Relaunch vorgezogen und mein Boss ist kurz vorm Kollabieren.“
„Shit, Alter. Hätte mich gefreut, dich über Weihnachten zu sehen. Was mach ich jetzt mit den beiden Hasen, die ich uns gebucht habe?“ Robert feixte in den Hörer.
„Dir wird schon was Passendes einfallen, Bruderherz. Zur Not halte sie bis zum Frühjahr warm. Wie geht’s Vater?“
„Wie soll’s Dad ein knappes Jahr vor der Präsidentschaftswahl schon gehen? Ich seh ihn mehr im Oval und im Kongress als zu Hause. Das Auftreiben von Spendengeldern kostet ihn Jahre seines Lebens. Aber er hat ja mich.“ Robert lachte auf. „Spaß beiseite. Dad geht es so weit gut. Er wird sicher ungehalten sein, wenn ich ihm sage, dass du nicht kommen kannst. Ich treffe ihn …“ Robert zögerte einen Augenblick. „Warte kurz, ich bekomm gerade noch ein Gespräch rein.“
Robert presste den Makeln-Knopf und lauschte dem zweiten Anrufer. Dann, nach etwa einer Minute, wechselte er wieder die Leitung: „Phil, ich muss Schluss machen. Ich melde mich. Sag Mom noch einen Gruß von mir.“
Noch bevor Philipp antworten konnte, hatte Robert aufgelegt und einem der vielen Yellow Cabs, die sich schleichend den Weg durch den verschneiten Verkehr bahnten, Zeichen gegeben.
„Zum Capitol“, wies Robert den Taxifahrer an, nachdem er sich den Schnee vom Mantel geschüttelt hatte und eingestiegen war. „Und zwanzig Dollar extra, wenn wir es in zehn Minuten schaffen!“