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Ratlose Veronika

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Als Clexton Baine seine Frau wie auch Tumelo auf der Veranda stehen ließ und in der Bibliothek verschwand, bereute er bereits, dass er Zola in der Nacht so hatte liegen lassen. Nicht, dass er ihr hätte helfen wollen. Nein, sie war eine Gefahr für ihn geworden! Er war sicher, dass sie sich ihm trotz ihrer Angst nicht unterwerfen würde. Auf keinen Fall darf sie Gelegenheit bekommen, jemandem davon zu erzählen, dachte Clexton und in seinen Ohren erklang der Satz von Zola, als er sie das erste Mal auf der Veranda stehen sah: ›Vor vier Jahren mit meiner Mutter … mit meiner Mutter … ‹ Es war naheliegend, dass sie dorthin geflüchtet war. Er musste Zola und ihre Mutter finden, bevor all seine Sklaven das Geschehene erfuhren, und vermeiden, dass trotz Züchtigung Aufsässiger hieraus eine Revolte entstand.

»Was ist denn los mit dir?«, fragte Veronika ihren Mann, dem sie, nachdem Tumelo gegangen war, mit Jos auf dem Arm ins Haus gefolgt war.

»Was soll schon sein? Da hast du dich ja reichlich geirrt in deiner Zofe, oder siehst du das anders?« Giftig blickte er Veronika an.

»Aber Clexton, du weißt doch gar nicht, was los ist. Sicher wird uns Zola erklären können, warum sie heute nicht da war!«

»Wie naiv bist du eigentlich?«, harschte Clexton sie an. »Wer ist hier der Herr im Haus, du oder ich – oder gar Zola?« Zynisch spuckte er Zolas Namen Veronika entgegen.

»Natürlich du«, beschwichtigte Veronika im Versuch, zu retten, was zu retten war. »Aber Zola ist so gewissenhaft, sie wird uns bestimmt alles erklären!«

Für Erklärungen ist keine Zeit, dachte Clexton, schob Veronika zur Seite und verließ die Bibliothek.

»Clexton, in Gottes Namen, bleib doch hier!«

Veronika lief ihm, mit einem verwundert dreinblickenden Jos, hinterher, doch Clexton durchquerte entschlossen das Foyer und rief nach Tumelo. Niemand kam. Er ging nach draußen und schrie erneut Tumelos Namen, dieses Mal laut und wütend. Die einzige Reaktion hierauf war, dass Jos zu weinen begann. Clextons Wut steigerte sich.

»Was treibt dieser Nigger nur?«, stieß er hervor und seine Lippen formten sich zu dünnen Strichen.

Noch immer konnte sich Veronika keinen Reim auf die übertriebene Reaktion ihres Mannes machen. Was war los mit ihm? Wutausbrüche war sie gewohnt, doch diese gingen so schnell, wie sie gekommen waren. Normalerweise beruhigte Clexton sich in kurzer Zeit wieder, wenn er durch lautes Gebrüll seinem Zorn freien Lauf ließ. Heute allerdings war alles anders. Seine Wut steigerte sich regelrecht, so weit, bis Veronika Angst bekam; Angst um Zola wie auch – zum ersten Mal in ihrem Leben – Angst vor Clexton.

Sie beschloss, selbst die Stallungen aufzusuchen in der Hoffnung, dort Sam und Tumelo anzutreffen. Sicherlich war ihr Mann auch auf dem Weg dorthin. Hoffentlich, dachte sie. Nicht, dass er bereits wie ein Berserker zu Zolas Hütte unterwegs war.

Clexton verließ gerade die Stallungen, um in der Schmiede, welche seitlich davon lag, nach Tumelo zu suchen. Er würde sie alle auspeitschen lassen.

»Wer ist hier der Herr, wer ist hier der Herr, ›seit vier Jahren mit meiner Mutter‹, wer ist hier der Herr …« Immer wieder murmelte Clexton wie ein Geisteskranker diese Worte vor sich hin.

An der Schmiede angekommen, standen beide Türen sperrangelweit offen. Innen traf er auf zwei Vorarbeiter, die Werkzeug und Körbe reinigten. Einer der beiden Farbigen war ihm mit Namen bekannt.

»Okwundu, hast du Tumelo gesehen?«

Stumm schüttelte dieser den Kopf und blickte fragend zu seinem Helfer. Dieser verstand zwar nicht die Frage von Mr. Baine, aber Tumelos Namen und konnte sich denken, worum es ging. Abermals eine verneinende Geste.

»Kommt mit«, befahl Clexton, schritt hinaus, zurück zu den Stallungen.

Gefolgt von den beiden Sklaven traf er zu seiner Verwunderung Veronika, die gerade aus dem riesigen Tor des Stalls heraustrat. Über dem Tor war eine große Öffnung mit einem am oberen Ende dick herausragenden Holzträger angebracht. Man benötigte diese Konstruktion für das Hochhieven der Strohballen in den oberen Lagerbereich. Eine dicke Eisenkette baumelte gefährlich direkt über Veronikas Kopf.

»Folgst du mir?« Clexton biss die Zähne zusammen.

»Nein, Clexton, aber so komm doch zur Besinnung«, beschwor ihn Veronika. »Ich habe Tumelo gebeten, nach Zola zu suchen, er wird sie sicherlich finden … Clexton, ganz bestimmt!«

»Um sie zu verstecken, damit sie ihrer Strafe entgeht«, vollendete Clexton Veronikas Satz. »Zum letzten Mal, Veronika, halt dich raus!«

»Was ist nur los mit dir? Du schäumst ja vor Wut!«, ereiferte sich Veronika.

Im selben Moment, als sie ihm die Worte an den Kopf warf, bereute sie sie bereits. Sie würde dadurch das Gegenteil bewirken und den Zorn ihres Mannes steigern. Auf der Hut vor der Reaktion Clextons, presste sie ihre Lippen fest aufeinander. Doch jegliche Antwort blieb aus. Als ob sie wieder einmal Luft für ihn wäre, beachtete Clexton sie nicht weiter und gab den beiden Negern ein Zeichen, ihm zu folgen.

Er geht den Weg in Richtung der Plantagenfelder zu Zola und deren Mutter, dachte Veronika. Sie wusste nicht mehr ein noch aus. Ihr Mann agierte, wie sie es noch nie erlebt hatte, und alle, an die sie sich hätte wenden können, waren indes verschwunden.

Schwarzer Kokon

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