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Gelingt die Flucht?

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Die Nacht war hereingebrochen. Gewaltige, schwarze Gewitterwolken öffneten ihre Schleusen und ergossen sich in strömendem Regen. Während die Suchtrupps mit Fackeln am Ufer des Ashley Rivers unterwegs waren, wartete Baine allein auf der Veranda. Schnell würde es sich unter den Sklaven herumgesprochen haben, dass er den Neger zu Tode gepeitscht hatte. Keiner wagte es, Baine anzusprechen. Weder seine Frau noch Tumelo wurden von ihm nach seiner Rückkehr befragt und beide zogen es vor, ihm nicht über den Weg zu laufen.

Veronika hatte sich mit Jos ins Schlafzimmer verkrochen, während Tumelo, neben sich eine Ledertasche gefüllt mit Proviant, in seinem Zimmer saß. Eine mystisch bedrohliche Atmosphäre lag über der ins Dunkel gehüllten Plantage. Tumelo starrte aus dem Fenster. Er hatte Angst. Er musste zu den Stallungen, um sich mit Mr. Haskins zu treffen. Doch er war wie gelähmt. Wir werden alle sterben, alle! Er dachte an die vielen Wachen, die mit Fackeln das Ufer absuchten. Die vielen Gewehre. Wieder überkam ihn die Vorstellung, wie Mr. Baine über Zola liegt – sie vergewaltigt. Seine Zola! Der Gedanke daran ließ die Angst von ihm weichen und Zorn gewann die Oberhand. Er musste gehen. Er musste Zola helfen. Er war es ihr schuldig. Hätte er besser auf sie aufgepasst, wäre es nicht so weit gekommen.

Den Proviantsack umgeschnallt, öffnete er sein Fenster und sprang ins Freie. Ein Blitz zuckte am nächtlichen Himmel, erhellte für Sekunden das ganze Tal, gefolgt von tief grollendem Donner. Gebückt rannte Tumelo zu den Stallungen und kam völlig durchnässt an.

Sam trat aus seinem Versteck hervor, als er die Silhouette von Tumelo erkannte. »Wo warst du so lange?«

Ohne darauf zu antworten, zeigte Tumelo den Ledersack.

»Gut, dann los.«

Schlechte Sicht, des starken Regens wegen, sowie die stockfinstere Nacht machten es ihnen leicht, unentdeckt bis in die Nähe des Ufers zu gelangen, wo sie sich tagsüber von Aba und Zola getrennt hatten. Sie erkannten viele helle Fackeln, die wie Glühwürmchen in Flussnähe unterwegs waren. Hinter Gestrüpp versteckt warteten sie auf Aba und Zola. Nichts regte sich. Tumelo griff nach zwei Steinen und klopfte diese leise und vorsichtig aufeinander. Sein Klopfzeichen hatte Erfolg. Nicht unweit vor ihnen hörten sie ebenfalls einen Klopflaut.

»Zola«, zischte Tumelo weiterhin geduckt, um nicht gesehen zu werden, sollte das Zeichen nicht von Aba und Zola gekommen sein.

Es raschelte, bis zwei Schatten vorsichtig gebückt aus dem Unterholz schlichen.

»Leise«, mahnte Sam, der sie als Erster erkannte. Anschließend erklärte er ihnen seinen Plan.

Sam lief zum Ufer und sah einen Wachposten, der mit einem Gewehr im Anschlag direkt auf ihn zukam. »Nicht schießen!«, schrie Sam durch den Regen. »Ich bin es, Sam Haskins.«

Die Wache trat näher und erkannte Sam.

»Mr. Baine hat mich beauftragt, mitzusuchen. Aber meine Fackel ist ausgegangen.«

Der Neger griff an seinen Hosenbund und gab Sam eine neue. Mit seiner eigenen entzündete er das am Holzstiel in Wachs getränkte Baumwolltuch.

»Habt ihr schon irgendwas entdeckt?«

»Nichts«, sagte sein Gegenüber, während Regenwasser ihm über das dunkle Gesicht lief. Er fixierte Sam mit hellen wachen Augen.

»Ich werde weiter flussabwärts suchen«, schrie Sam, denn ein erneut lauter Donner dröhnte durch Mark und Bein. Zustimmend nickte der Neger, deutete auf eine Gruppe Suchender, derer sich Sam augenblicklich anschloss.

Nach zehn Minuten entlang des Ufers fand er die Stelle, an der er Tage zuvor seine Barke vertäut hatte. Langsamer werdend ließ er sich vom Rest der Gruppe zurückfallen und verschwand im Ufergestrüpp. In der Hoffnung, unbeobachtet zu sein, entfernte er hastig das der Tarnung dienende, durchnässte Geäst und Gestrüpp von seinem Boot. Der Augenblick war günstig, den Kahn ins Wasser zu lassen. Er zog an dem kleinen Schiff, welches sich sonst leicht über den sandigen Boden bewegen ließ. Doch der Kiel sank tief in den weichen, schlammigen Untergrund, was das Gleiten erheblich erschwerte. Sam benötigte wesentlich mehr Zeit und Kraft als erhofft – ständig in Gefahr sich nähernder Wachposten. Seine Muskeln brannten unter der Anstrengung, bis er endlich, den matschigen Ufersand hinter sich gelassen, das Boot ins Wasser schob. Mit einem Satz landete er im schaukelnden Kahn, legte seine brennende Fackel vorsichtig auf den Bootsboden, holte sein Paddel und ruderte leise einige Meter zur Mitte des Flusses. Hoffend, man könne in der Dunkelheit das Boot vom Ufer nicht mehr ausmachen.

So flach wie möglich paddelte er gebeugt gegen die Strömung an. Nach fünfzehn Minuten erreichte er die Höhe des Verstecks der drei anderen. Er setzte alles auf eine Karte und ruderte ans Ufer. Sam rechnete damit, denn sofort waren auch schon drei Farbige bei ihm. Einer von ihnen war der Wachposten, welcher ihm noch kurz zuvor die Fackel gegeben hatte.

»Ich habe den Fluss abgesucht«, schrie Sam und sein Ton wurde fordernd, während er den Kahn zu einem Drittel auf Sand setzte. »Ich bin mir sicher, dort hinten am Ufer Schatten gesehen zu haben.« Er deutete flussabwärts. »Es waren zwei Gestalten, die ohne Fackeln unterwegs waren. Sie können nicht weit sein! Ihr müsst dort suchen.«

Die Wachen sahen sich etwas unsicher an, dennoch folgten sie seiner Anweisung. Immerhin kam sie von Mr. Haskins, einem Weißen.

Sie waren keine zwanzig Meter entfernt flussabwärts, als Tumelo, der aus sicherem Versteck heraus die Szene beobachtet hatte, gefolgt von den Fliehenden angeschlichen kam. Sam rief laut durch den peitschenden Regen, an Zola und Aba gewandt: »Rudert so weit, wie es geht, ans andere Ufer und lasst euch dann flussabwärts treiben. Jetzt seid ihr auf euch gestellt.«

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, geschah es! In dem Moment, als Zola ins Boot stieg, traten zwei Wachen aus dem Unterholz und eilten auf die Flüchtigen zu. Tumelo warf geistesgegenwärtig den Proviantbeutel zu Zola ins Boot, stieß es ins Wasser, drehte sich dann blitzschnell zu Sam und schlug unvermittelt mit seiner Faust zu. Von der Wucht des überraschenden Schlages getroffen, fiel Sam in den matschigen Ufersand. Aba verpasste die Chance, ins Boot zu springen, und ging mit erhobenen Fäusten schreiend auf den vermeintlichen Verräter Tumelo los. Dieser packte Aba, riss sie nieder, warf sich auf sie und flüsterte in ihr Ohr: »Es tut mir leid. Vertraue mir.«

Dann schrie er laut: »Ich habe sie, ich habe sie!«

Schwarzer Kokon

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