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1.2 Elitäre und inklusionsfördernde Modelle für Schlüsselkompetenzen im europäischen Bildungsraum

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Die fremdsprachliche Kompetenz wird von der Europäischen Kommission im „Europäischen Referenzrahmen für lebenslanges Lernen“ als eine der acht Schlüsselkompetenzen definiert1. Dieser Grundsatz geht auch als Leitgedanke aus dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan hervor2, der bereits seit mehreren Jahren die Kindertageseinrichtungen zu einer frühpädagogischen Sprachförderung ermutigt, welche die „Neugierde auf fremde Sprachen […] entwickelt und Mehrsprachigkeit als Bereicherung und Lebensform“ 3 ansieht. Heutzutage gelte als konsensfähiges Bildungsziel, dass „die Entwicklung von Zwei- und Mehrsprachigkeit wesentlich zur sprachlichen Bildung [gehört], dass Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit und ‚Deutsch lernen‘ kein Widerspruch [sind], sondern Zielsetzungen, die sich gegenseitig ergänzen.“4

In München wie bundesweit muss den immer vielfältigeren Bildungs- wie Sprachbiografien der Familien Rechnung getragen werden, was die Entwicklung von innovativen mehrsprachigen Sprachbildungskonzepten erfordert. Wer in dieser anspruchsvollen Herausforderung eine potenzielle Bereicherung sieht, kann den Kindern faire Startbedingungen ermöglichen und eine Chance geben, sich die mehrsprachige Gesellschaft zu erobern. Wie dringend in dieser Hinsicht der Aspekt der Bildungschancengleichheit erscheint, erkennt man mit einem Blick auf die Ergebnisse der letzten PISA-Studie. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) warnt davor, dass „die Schule zur Sozialfalle“5 wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier meinte dazu:

In Deutschland entscheidet noch immer häufig die soziale Herkunft über die Bildungschancen von Kindern […]. Bessere Bildung braucht entschiedeneres Handeln […]. Wir müssen diese Ungleichheiten abbauen, und das ist eine Aufgabe, die die Schulen nicht allein leisten können.6

Eine explizite Integration von Mehrsprachigkeit, die sowohl Migrations- als auch Familiensprachen berücksichtigt, existiert im Konzept des Städtischen Trägers in Bayern zwar noch nicht. Zu erwähnen wäre jedoch das IMKi-Projekt „Effekte einer aktiven Integration von Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen“7, eine Interventionsstudie des BMBF in 19 Kindertageseinrichtungen in Bayern und Baden-Württemberg. Untersucht wird, welche Faktoren für eine gelingende (mehr)sprachliche Entwicklung von Kindern im Kindergartenalter bedeutsam sind. Das BMBF will erfahren, welche Veränderungen sich in der erst- und zweitsprachlichen Kompetenzentwicklung der Kinder ergeben, wenn Mehrsprachigkeit explizit in die Einrichtungen integriert wird.8 Die Migrationssprachen Türkisch, Russisch und Polnisch werden exemplarisch untersucht. Die weiteren Forschungsfragen lauten: Wie verändert sich die sozio-emotionale Entwicklung der Kinder bei Einbezug von Mehrsprachigkeit? Welche Veränderungen auf Einrichtungsebene sind auf die pädagogische Intervention zurückzuführen? Lässt sich durch die Integration von Mehrsprachigkeit eine Erhöhung der Zufriedenheit der Eltern mit der Integration in die Einrichtung erreichen?9 Es bleibt zu wünschen, dass diese explizite Integration von Mehrsprachigkeit nicht nur im Rahmen von wissenschaftlichen Studien erfolgt, sondern allgemein und flächendeckend etabliert wird.

Im Fokus der Politik stehen dem gegenüber zahlreiche Sprachförderprogramme in DaF/DaZ für Kinder mit Migrationshintergrund,10 die die Kinder jedoch zu einer Quasi-Monolingualität führen.11 Das aktuelle Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“12 – um nur eines zu nennen – erkennt, dass

sprachliche Kompetenzen einen erheblichen Einfluss auf den weiteren Bildungsweg und den Einstieg ins Erwerbsleben haben. Dies gilt besonders für Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien und Familien mit Migrationshintergrund.13

Wie bereits unter 1.1 diskutiert, ist grundsätzlich anerkannt, dass die L1 unter dem frühen Erwerb einer weiteren (Fremd-)Sprache nicht leidet. Im Gegenteil: Wie Studien gezeigt haben,14 profitieren beide Sprachen der Kinder von dem erhöhten Sprachbewusstsein. „Kinder mit Migrationshintergrund stehen dabei nicht so sehr im Hintertreffen wie oft befürchtet“, lautet auch ein Ergebnis des ELIAS-Projektes der Europäischen Kommission.15

In vielen Bundesländern – auch im Freistaat Bayern – verlangen nun die Bildungspläne, dass die zwei und mehrsprachigen Kompetenzen der Kinder aktiv entwickelt werden: „Es gilt, die spezifischen Entwicklungsprofile und Bedürfnisse von mehrsprachig aufwachsenden Kindern wahrzunehmen und zu nutzen.“16 Dies kann z.B. durch die Einbindung bilingualer Konzepte geschehen.17 In Sachsen-Anhalt geht es etwa laut Bildungsplan insbesondere darum, „jedem Kind erste Erfahrungen mit unterschiedlichen Sprachen zu ermöglichen“.18

Dem bilateralen Förderprogramm für frühen Fremdsprachenerwerb Elysée-Kitas soll genau dieser Spagat zwischen Abbau von Barrieren zur Bildungschancengleichheit und Vermittlung von Schlüsselkompetenzen gelingen. Der Zugang zur französischen Sprache wird als bildungsfördernd und chancenreich angesehen. Mit der finanziellen Unterstützung der LH München und des grundsätzlich uneingeschränkten Zugangs für alle Kinder zu diesem Angebot soll soziale und kulturelle Diskriminierung in dem Sinne vermieden werden, dass bereits in Kindertageseinrichtungen geringere Erwartungen an sozial benachteiligte Kinder mit Migrationshintergrund gerichtet werden, die sich schließlich im weiteren Bildungsverlauf verfestigen und somit die Bildungslaufbahnen von Kindern beeinträchtigen.19

Die meisten der über 100 Kindertageseinrichtungen20 in Bayern mit Mehrsprachigkeitsmodellen im Vorschulbereich stehen unter freier Trägerschaft. Dabei handelt es sich mehrheitlich um privatwirtschaftliche Angebote, d.h. Angebote von Anbietern, die mit entsprechend hohen Gebühren verbunden sind und eine ökonomisch wie sozial eher privilegierte Bevölkerungsschicht ansprechen. Oft arbeiten sie immersiv, meistens für ein bereits bilinguales Publikum, das seine Familiensprache fördern möchte. Eine immer breitere Kundschaft finden bilinguale Einrichtungen mit einem englischen oder chinesischen Zweig,21 die darin allerdings mehr einen ökonomischen Wettbewerbsvorteil für ihre Kinder sieht, als ein rein kulturelles, soziales oder familiäres Anliegen damit verbindet.22

Bei den Sprachen nimmt bundesweit – auch in Bayern – Französisch den zweiten Rang ein.23 Unter Berücksichtigung des deutsch-französischen Netzwerks der Elysée-Kitas – dürften sich die Sprachangebote für Englisch und Französisch nun aber nahezu angeglichen haben.

Frühkindlicher Fremdsprachenerwerb in den

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