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03. Werkzeugmaschinen
ОглавлениеApril 2017 ... Mitten im Thüringer Wald steht ein hochmoderner Maschinenbauer, der seit den 1970er Jahren eine der modernsten Fertigungsstätten Europas sein Eigen nennt und tatsächlich weltbekannt ist. Diese beschauliche und angenehme Firma hatte moderne Gebäude, neue Maschinen, klimatisierte Fertigungshallen, motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, aber eine unerklärliche sehr geringe 2% Umsatzrendite. So, jetzt ist es gut zu wissen, dass sie schlanke Methoden ohne Verschwendung in Materialeinsatz, Wegebenutzung, Fertigungs- und Verwaltungszeit, Menschen und Informationen anwendeten. Mit Lean ist eine Firma, so wie diese, damit rund zehnmal produktiver und profitabler als der normale hart arbeitende Mittelstand. Unglücklicherweise wurde diese schlanke Produktion in Philosophie (sehr wichtig), Theorie und Praxis aber nicht wirklich begriffen. Lean ist keine Software, die man aufspielt! Die Organisation und die Abläufe in der Fertigung waren perfekt, nur der große Einfluss des Alltäglichen war nicht bewusst. Das automatische Kleinteilelager war praktisch und sehr erklärbar lahmgelegt! Die Produktionsabläufe wurden viel zu komplex dargestellt und konnten nicht auf Effizienz überwacht werden! Die mit der Zeit gewachsene Komplexität, auch in der Berichterstattung, bremste vieles gut aus. Der Maschinenbau lebt vom entwickelnden Engineering. Unnütze Aktionen der Verwaltung, allgemeiner Leerlauf und nicht genutzte geistige Kapazitäten gab es reichlich. Das System war in sich zufrieden und gedanklich in der Rente. Die geringe Umsatzrendite störte keinen und wurde somit nicht diskutiert! Innovationen im Design beginnen auch in der Wirtschaftlichkeit! Kleinliche Kosteneinsparungen treffen das größere Genie besonders hart. Die Effizienz der Lean Production begründet Wachstum und Wohlstand, das unnütze Kapazitäten freisetzt und diese mit sinnvoller und gewinnbringender Arbeit versorgt. Auch das wurde nie begriffen. Lean kreiert Jobs! Der Personalleiter war dabei völlig unwissend, recht hilflos und ehrlich gesagt etwas zu bubenhaft. Ich glaube, um die Umsatzrentabilität auf sehr angemessene 12% zu erhöhen, sollte nicht am Personal und an den Gemeinkosten gespart werden, sondern die Personalpolitik an sich schlicht vereinfachend korrigiert werden. Es muss ein Entscheidungspapier der einzelnen Tätigkeiten erstellt werden. Sicher, jeder kennt das und viele wissen, dass es Stellenbeschreibungen gibt, doch gibt es das auch in Matrizenform auf einem A0-Blatt? Diese Landkarte der (vom Kunden bezahlten) Kapazität stellt die Vermengungen der produktiven, produktionsunterstützenden, produktionsverwaltenden, vertriebstechnischen und verwaltenden Kräfte der Firma dar. Damit werden Lücken in der Lean Production und auch in der Digitalisierung sichtbar. Ein vollautomatisches Lager ist nun mal nicht teilmechanisiert. Hier sieht man die Hilflosigkeit der Firma auf ihre modernisierten und zukunftsfördernden Prozesse. Eine Endabnahme ist keine Werkstatt, auch wenn sie noch so digitalisiert ist. Das Auslieferungslager ist nicht die Wartehalle dutzender Maschinen, die längst verpackt und unterwegs auf den fremddienstleistenden LKWs quer durch Europa sein sollten (Stichwort: Rollendes Lager). Die emsige Verwaltung hingegen war offensichtlich zu aufgeblasen und mit vielen unnützen Aktionen belastet. Ja, hier wurden 8% Punkte Umsatzrendite, völlig unter dem Radar der operativen Obergesellschaft, verbrannt. Witzigerweise kannte die Firma keine teuren Marketingaktivitäten. Das Produkt verkaufte sich von selbst. Sicher, es gab Forschung und Entwicklungskosten, doch nicht so stark wie in anderen Branchen. Meines Erachtens ist hier jemand einfach nur wild gewachsen und hat Posten besetzt, nur um im Dorf wild zusätzliche Arbeitsplätze anzubieten. Sämtliche Entscheidungsgrundlagen basierten auf familiären Befindlichkeiten, fachlichen Unzulänglichkeiten und menschlichen Abhängigkeiten. Hier möchte ich nicht von Steueroptimierung sprechen, denn es war keine. Es waren eher die Realitäten des Arbeitsmarktes und des eigenen Überlebenswillens, der Aufgaben teilt, nur um keine starken Positionen entstehen zu lassen. Ja, mitten im grünen Wald steht eine hochmoderne Firma und kann seine magere Ergebnissituation, aufgrund mangelnder objektiver Erfahrungen und fehlendem Organisationswissen nicht mehr erklären! Derzeit ist die im Grunde hochprofitable und damit finanzstarke Firma an einen schnellagierenden börsennotierten ausländischen Investor verkauft, in Hoffnung noch effizienter in die Zukunft zu gehen.