Читать книгу Auf Asphalt - Max Marquardt - Страница 14
ОглавлениеKONSTANTIN BERBERICH
„Die größte Freude habe ich, wenn ich auf dem Rad sitze. Dann weiß ich auch, warum ich gerne ein Radcafé habe.“
Sonntagmittag in Stuttgart. Im Fietsen, dem erstem Radcafé der Stadt, ist es rappelvoll. An den Radständern vor dem Café reihen sich Rennräder, Gravelbikes und Mountainbikes. Irgendjemand ist sogar mit dem Tandem da. An der Kaffee-Bar drängen sich die Gäste, den Geldbeutel in der einen, den Radhelm in der anderen Hand. Die meisten von ihnen kommen gerade von ihrer Vormittags-Ausfahrt zurück, andere wollen noch schnell einen Espresso schlürfen, bevor es mit dem Rad ins schwäbische Hinterland geht. Die beiden Gründer, Katrin Hoffmann und Konstantin Berberich, haben alle Hände voll zu tun. Eine Bestellung nach der anderen wird aufgenommen. Dazwischen immer wieder ein kurzer Plausch. „Schön, dass ihr da wart“, „Ja, ein Bombenwetter heute“, „Gute Fahrt euch“. Das Service-Personal flitzt mit beladenen Tabletts durch die geschäftige Szenerie, verteilt Cappuccino und selbst gebackenen Kuchen an die Gäste. Auch das ein oder andere Bier ist dabei. Flaschen klimpern, Radschuhe klacken, und in dem Stimmenwirrwarr vernimmt man Wortfetzen der üblichen Radgeschichten, von rasanten Abfahrten, steilen Rampen und dem neusten Tratsch aus der Bike-Szene im Stuttgarter „Kessel“. Es besteht kein Zweifel: Das Fietsen ist ein Ort, in dem der Radsport gelebt wird – in all seinen unterschiedlichen Facetten.
Gründer von Stuttgarts erstem Radcafé „Fietsen“
Kurze Kaffeepause. Der Laden brummt. Konstantin schaut durch die großen Fenster des Fietsen nach draußen. Dort stellen schon wieder neue Besucher ihre Räder in den Ständer. Puh.
Konstantin, vor zweieinhalb Jahren hast du das Fietsen zusammen mit Katrin gegründet. Ein lang gehegter Wunsch?
Ich bin ja eigentlich Osteopath von Beruf und habe gleich nebenan meine Praxis. Weil ich mich damals räumlich etwas vergrößern wollte, wurde mir der Laden hier angeboten. Das habe ich allerdings erst mal abgelehnt. Bei einer Ausfahrt mit dem Rad bin ich dann auf die Schnapsidee mit dem Radcafé gekommen. Irgendwie hat mich dieser Gedanke einfach nicht mehr losgelassen. Jeder hat ja so Sehnsuchtsorte, zum Beispiel die Cafés in Italien oder Spanien. Die waren für mich durchaus eine Inspiration. Zusammen mit Katrin und vielen Helfern haben wir uns dann an die Arbeit gemacht, auch so etwas auf die Beine zu stellen.
Katrin bringt die Kaffee-Expertise ins Fietsen, du die fürs Rad?
So ein Laden braucht jemanden, der sich mit Kaffee perfekt auskennt und der auch die gastronomische Expertise hat. Ich habe ja weder das eine noch das andere (lacht). Katrin und ich kannten uns vorher schon ein bisschen, und als ich ihr von der Idee erzählt habe, war sie sofort dabei – und zwar als Expertin für unsere Kaffees.
Stuttgart hat eine unglaublich große und vielfältige Radkultur. Es ist seltsam, dass das Fietsen nun so etwas wie der erste richtige Szenetreff ist. Gab es so was denn davor gar nicht?
Stuttgart hat inzwischen eine total geile Rad-Community! Hier passiert so viel. Aber das war nicht immer so. Als ich nach Stuttgart gekommen bin, fehlte mir persönlich der erste Kontaktpunkt. Damals war es etwas schwieriger Anschluss zu finden. Denn die meisten Rad-Aktivitäten waren bei irgendwelchen eingeschworenen Kleingruppen oder bei Vereinen verortet. Vieles bekam man einfach nicht mit. Ich bin jetzt auch nicht so Social-Media-affin, und mir fehlte ein physischer Ort, an dem sich die ganze Community trifft. Ein Ort, wo Fahrradverrückte sich austauschen können, neue Leute kennenlernen und wo es vielleicht auch etwas lockerer zugeht.
Lockerer als in den Vereinen?
Nun, ich bin anfangs immer wieder mal bei Vereinsgruppen mitgefahren. Aber da ging es natürlich viel ums Training und um Lizenzrennen. Das ist halt einfach nichts für mich. Dafür bin ich schlichtweg viel zu langsam und zu dick (lacht). (Anm. d. Autors: Konstantin ist meilenweit davon entfernt, dick zu sein.) Ich habe erst relativ spät – hauptsächlich durch den Heaven & Hell Cycle Club – Leute kennengelernt, die, was das Radfahren betrifft, eine ähnliche Auffassung haben wie ich.
Was hat es denn mit dem Namen auf sich? Fietsen ist jetzt kein so geläufiger Begriff …
Fietsen ist holländisch und heißt Rad fahren. Eigentlich total platt. Im Flämischen spricht man es auch ein bisschen anders aus. In etwa so, als würde man den Klang eines vorbeiziehenden Rennradfahrers imitieren. Also dieses „ftsss“. Das Wort Fietsen spiegelt für mich diese kindliche Freude am Radfahren wider, und irgendwie klingt es auch ein bisschen schwäbisch.
Mit dem Fietsen habt ihr noch weitere Pläne: Es soll in Zukunft mehr sein als ein Café und Treffpunkt für die Stuttgarter Rad-Community.
Ja, wir haben hier jetzt schon einen kleinen Shop mit Ersatzteilen und Merchandise. Dann gibt es im Untergeschoss einen großen Raum für Events wie zum Bespiel Übertragungen von Radsport-Events, Vorträge oder Ausstellungen. Zusätzlich planen wir noch einen Werkstattservice. Wir haben noch viel vor. Es dauert halt alles noch ein bisschen, weil wir einen hohen Anspruch haben. Der gilt nicht nur für unseren Spezialitätenkaffee.
Die Kaffeemaschine ist deshalb auch eine ganz besondere …
Ja, eine Slayer aus den USA. In der Spezialitäten-Szene sehr beliebt. Jede Maschine ist ein Unikat. Sie stellt das Handwerk des Baristas in den Vordergrund. Die Maschine ist nicht vollautomatisiert, auch das macht sie so besonders. Der Barista muss also wissen, was er da tut. Durch ein besonderes Verfahren ermöglich die Maschine dem Barista, besonders fein zu mahlen, was in einem viel differenzierteren Geschmacksbild resultiert. Wir möchten unseren Gästen immer wieder neue und besondere Kaffeesorten anbieten können: Single-Origin Coffee, Arabica, exotische Bohnen, besondere Geschmacksnuancen. Die Idee ist, die beiden Spezialitäten Radfahren und Kaffee zu vereinen.
Damit trifft man bei Radfahrern bestimmt auf offenen Ohren.
Radfahrer trinken zwar gerne Kaffee, sind aber nicht unbedingt daran gewöhnt, immer guten zu bekommen. Ich kenne das ja selbst: Bei Ausfahrten trinkt man den Kaffee, den man gerade kriegen kann.
Du hast zwei ziemlich zeitintensive Fulltime-Jobs. Mal ehrlich: Schafft man da überhaupt noch das gesetzte Pensum an Jahreskilometern auf dem Rennrad?
Ich versuche wirklich, jede Lücke zu nutzen, habe mein Ziel in diesem Jahr aber leider nicht ganz erreicht. Ich bin jetzt so bei 7.000 Kilometern. Das passt schon. Aber das ist ja auch nur für mich persönlich eine Messlatte. Am Ende des Tages geht es auch gar nicht um die Kilometer, sondern um den Spaß an der Freude.
Mit dem „Fietsen“ hast du nun beides kombiniert?
Radfahren war für mich vorher ein Hobby, jetzt ist es ein Stück weit mein Beruf geworden. Ich ziehe allerdings auch keine Grenze zwischen Freizeit und Arbeit. Das ist für mich beides das Gleiche. Aber ich habe mir von Anfang an gesagt, dass ich kein Fahrradcafé haben möchte, um dann hier alle Radfahrer sitzen zu haben, und ich selbst komme gar nicht mehr dazu. Die größte Freude habe ich, wenn ich auf dem Rad sitze. Dann weiß ich auch, warum ich gern ein Radcafé habe. Nämlich weil ich im Anschluss mit den Leuten von der Ausfahrt dort verdammt guten Kaffee trinken kann.
Es gibt hier eine Hausspezialität, und zwar den Nitro. Was hat es damit auf sich?
Das war eigentlich eine Idee, die aus der Not geboren ist. Wir hatten am Anfang große Lieferschwierigkeiten mit unserer Kaffeemaschine. Als wir dann im Sommer zur Tour de France eine vorläufige Eröffnung gemacht haben, wollten wir den Gästen zumindest irgendwas Besonderes in Richtung Kaffee anbieten. Nitro ist ein Cold Brew, der mit Stickstoff versetzt wird. Dadurch bekommt der Cold Brew eine ziemlich sämige Konsistenz, ähnlich wie bei einem Guinness. Das war damals im Sommer ein richtig geiles Getränk. Leider kann man sich den Drink nicht einfach so zu Hause selbst zubereiten. Für alle Rennrad-Connaisseurs haben wir deshalb ein Rezept für eine weitere Hausspezialität. Here we go:
Fietsen Kakili: Ein erfrischender Kick für die nächste Radtour
Unser Barista Richard hat aus Cascara, dem Sirup der Kaffeekirsche, einen leckeren, erfrischenden und koffeinhaltigen Drink entworfen. Cascara wird aus der getrockneten Schale und dem Fruchtfleisch der Kaffeefrucht hergestellt. Wir beziehen den Sirup bei unserem Freund Siggi in der Schweiz.
FIETSEN KAKILI (KAFFEEKIRSCH-LIMONADE)
ZUTATEN
•1,5 cl Cascara-Sirup (Erlkönig)
•5–10 ml Limettensaft
•Eiswürfel
•Sprudelwasser
•Zitrone
•Lavendel
ZUBEREITUNG
1,5 cl Cascara Sirup in ein 250 ml großes Glas geben. Der Sirup ist ziemlich fest, deshalb empfehlen wir, diesen im Glas mit etwas heißem Wasser zu verdünnen. So lässt sich der Sirup mit dem Sprudel schneller und besser vermischen. Anschließend geben wir 5 bis 10 ml Limettensaft hinzu. Im Anschluss füllt man das Glas mit Eiswürfeln und Sprudelwasser. Die Limonade mit einem Teelöffel vermischen und zu guter Letzt eine Scheibe Zitrone und einen kleinen Zweig Lavendel beifügen. Nach Wunsch kann der Kakili auch als Spritz mit Prosecco angerichtet werden.