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MAX REISS & FLO MERHART

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„Auf dem Rennrad quälen wir uns gerne, aber die Performance danach im Biergarten ist uns genauso wichtig.“

Zwei Freunde, ein Laden und jede Menge Rennräder: Flo Merhart und Max Reiß haben mitten in München einen Ort geschaffen, in dem sie ihre Leidenschaft für Vintage-Rennräder mit bayerischer Gemütlichkeit kombinieren. Das Bici Bavarese soll der weiß-blauen Rennrad-Community ein Zuhause geben. Ein Treffpunkt zum Hinfahren und gemeinsamen Abfahren. Und ein Ort, an dem man nicht nur Räder und Teile kaufen, sondern unter Gleichgesinnten fachsimpeln und ganz nebenbei die wohl besten Leberkässemmeln der Stadt genießen kann. Dass bei dem alljährlich von Flo und Max organisierten Giro Bavarese, einer Vintage Rennrad-Ausfahrt im Stile der berühmten L'Eroica, dann auch der Spaß an der Freude im Vordergrund steht, ist so sicher wie der Schaum im Weißbier.


Gründer der Marke „Bici Bavarese“

Fahrradgeschäft, Fachwerkstatt, Café, Bar, Radsportgeschichte und klassische Rennräder, so weit das Auge reicht: Was genau ist denn Bici Bavarese nun eigentlich?

MAXWir wollen ein offener Ort für alle Fahrradliebhaber sein, aber unsere Leidenschaft gilt alten Stahlrennrädern, und wir fahren sehr gerne moderne Gravelbikes und Rennräder – deshalb liegt hier unser Fokus.

FLOUns ging es eigentlich auch darum, eine Art Treffpunkt zu schaffen, an dem all die Leute zusammenkommen, die Interesse am Radsport haben. Ich vergleiche das immer gerne mit den Skateshops früher: Da konnte man sich ja nicht nur neue Rollen kaufen, sondern eben auch auf einer Couch abhängen und sich unter seinesgleichen coole Videos anschauen. Und in Bezug auf das Rennradfahren gab es so etwas bisher in München nicht.

Habt ihr aus diesem Grund Bici Bavarese gegründet?

FLOBici Bavarese war eigentlich eine Gruppe aus Kumpels, die Bock darauf hatten gemeinsam zu Schrauben, zu radeln, guten Kaffee oder ein Bierchen nach der Ausfahrt zu trinken. Die grundlegende Idee für Bici Bavarese entstand 2011 auf einem Roadtrip in die Toskana, zur berühmten L'Eroica. In heiterer Weinlaune haben wir dann einen Namen für unser Radteam gesucht und sind so auf Bici Bavarese gekommen.

MAXAnfangs war es eher eine Facebook-Gruppe, in der wir ein paar Fotos unserer Ausfahrten gepostet hatten. Ein Kumpel von uns hat dann ein Logo entworfen, und schon relativ bald hat sich der Traum, irgendwann selbst einen coolen Ort zu haben, an dem man sich wohlfühlt, bei uns weiterentwickelt. In vielen anderen Städten gibt es Fahrradcafés, wie zum Beispiel das Look Mum No Hands in London, in dem die gesamte Rad-Community zusammenkommt und sich zu gemeinsamen Ausfahrten verabredet. So was wollten wir eben auch. Aber es sollte halt nicht einfach nur eine Kopie von der Kopie sein, wir wollten das Ganze ein bisschen bayerischer gestalten, weil wir ja schließlich auch aus München sind.

Bayerische Urgemütlichkeit trifft auf schnelle Räder und Typen in Lycra?

MAXEigentlich ja! Aber nicht so elitär wie zum Beispiel der Rapha Cycling Club. Gemütlich, und in Kombination mit typisch bayerischen Dingen, die ebenfalls Spaß machen. Eine Mischung aus Schafkopf und Paris–Roubaix.

FLOIn der Zusammenfassung vielleicht auch eine vorgezogene Midlife-Crisis … (lacht)

Weil man sich dann ein Rad über dem Wert eines Kleinwagens kauft?

FLONaja, wenn man mal ehrlich ist, dann ist Bici Bavarse ja schon so etwas wie ein erweiterter Man Cave (lacht). Man hört seine Lieblingsmusik, schraubt mit Kumpels an alten und neuen Rennrädern, macht sich ein Bier auf und hängt mit Gleichgesinnten rum. Ein Ort, an dem man einfach sein kann.

Der ganze Laden ist voll mit Vintage-Rädern, darunter viele Schätze von Gios, Colnago, Pinarello, aber auch echte Raritäten. Mal Hand aufs Herz: Was hat das Retro-Rennrad, was das moderne Roadbike nicht hat?

FLOEin Stück mehr Seele. Bei alten Rennrädern sieht man, dass sie wirklich von Menschenhand gefertigt wurden. Dass da ein Handwerk dahintersteckt. Bei modernen Rädern steht die Funktion so sehr im Vordergrund, dass man sie theoretisch auch zu Tausenden herstellen kann. Früher gab es das einfach noch nicht. Und bei den alten Rädern sieht man das auf den ersten Blick – und noch ein bisschen mehr, wenn man genau hinschaut.

MAXUnd die Geschichten dahinter. Unser Fokus liegt ja bei alten italienischen Rädern. Das liegt auch daran, dass wir hier in München sind und es nicht ganz so weit in den Süden haben. Es kann durchaus mal vorkommen, dass wir ein Rad von einem betagteren Herrn bekommen, der uns erzählt, dass er für dieses Rennrad extra nach Italien gefahren ist, um es zum Beispiel bei Chesini oder Colnago bauen zu lassen. Früher war das alles noch ein bisschen individueller und somit auch emotionaler. Man hatte eine völlig andere Verbindung zu seinem Rennrad. Heute kann man „sein“ Rad fast überall auf der Welt kaufen.

Ob der Giro Bavarese oder die Vintage-Ausfahrt – ihr bringt ganz offensichtlich die Community Münchens zusammen. Wie viel Watt muss ich mindestens treten, um bei euch mitzufahren?

Schallendes Lachen

FLOMan kann theoretisch gesehen auch mit null Watt antreten, denn es ist wirklich keine Schande, mal zu schieben. Beim Giro Bavarese sind teilweise echt steile Rampen dabei, und die alten Übersetzungen machen es nicht gerade leichter. An einem schlechten Tag treten wir da auch nicht unbedingt in die Pedale. Und das ergibt dann jedes Jahr ein ganz lustiges Bild, wenn ein ganzer Pulk an Teilnehmern die Räder nach oben schiebt und sich dabei vergnügt unterhält.

MAXBei den Shop-Rides ist die Devise ähnlich locker: Wir sind in der Regel lieber mit netten und lustigen Menschen mit weniger Watt-Leistung unterwegs, als bei einer Ausfahrt irgendwelche Rekorde oder KOMs zu brechen. Flo und ich sind sehr lange auf uralten Rennrädern unterwegs gewesen, da war eine Ausfahrt mit 50 Kilometern schon eine Herausforderung. Doch der Spaß und der Genuss stehen im Vordergrund. Wir wollen lieber neue Leute zum Rennradfahren bringen, als sie abzuschrecken. Deshalb: Herzlich willkommen!

Während sich andere an immer leichteren und moderneren Rädern versuchen, seid ihr mit dem Servus Corsa einen anderen Weg gegangen: ein Stahl-Rennrad mit Columbus-Rohren, klassischer Rahmengeometrie, Felgenbremsen und edlen italienischen Komponenten. Ein kompetitives modernes Rad oder eine nostalgische Spielerei?

MAXUnser Ziel war es, ein topmodernes, aber klassisches Fahrrad zu entwickeln. Allerdings waren uns diverse klassische Details sehr wichtig, wie zum Beispiel ein Sattelklemmbolzen, Gravuren am Rad, runde Rohre und dergleichen. Unser Rennrad wiegt vielleicht ein paar Gramm mehr als ein hypermodernes Carbon-Rad, aber da wären wir wieder bei der Seele: Unser Rad kann man sich individuell lackieren lasse und es wird nur in sehr geringer Stückzahl auf Maß produziert. Man hat also etwas, das garantiert nicht von der Stange ist. Stahl ist nicht tot!

FLODas Rad ist bestimmt nicht vergleichbar mit einem modernen Carbon-Hobel. Das soll es aber auch gar nicht sein. Es wird auf jeden Fall den Ansprüchen der meisten Rennradfahrer gerecht, hat aber ein paar Details, die uns einfach wichtiger waren als hundertprozentige Performance.

Also ein „gmiatliches“ Münchner Rennradl?

MAXIch würde sagen: bayerisch, zünftig. Wer’s „gmiatlich“ mag, wird sich darauf sicherlich wohlfühlen. Und wer’s knackig mag, wird überrascht sein, wie agil es ist …

Welche Ausstattung darf bei einem Rennrad niemals fehlen, und was sind in euren Augen nur kostspielige Trends?

FLOMeine ganz persönliche Meinung ist, dass vollintegrierte Carbon-Vorbau-Lenker-Kombinationen aus einem Guss zwar schick aussehen, aber meistens keinen wirklichen Vorteil haben. Das Wichtigste sind gute und leichte Laufräder mit einer anständigen Aerodynamik. Schließlich rollt man ja auch darauf, und hier lohnt es sich, etwas mehr zu investieren. Mit welchem Lenker man aber am Ende lenkt, ist meines Erachtens reine Trendsache.

Mit Bici Bavarese habt ihr euch einen italienischen Namen gegeben. Was kann Deutschland in Sachen Radsport und Radsport-Community von Italien lernen?

MAXNicht die Trikot-Designs! (lacht)

FLOIch würde sagen, die Passion. Dass man sich nicht einfach nur ein teures Rennrad kauft, um es als Design-Objekt an der Wand hängen zu haben, sondern um darauf wirklich Kilometer runterzuschrubben.

MAXDie Italiener lieben und verehren ihre Räder, keine Frage, aber sie benutzen sie auch wirklich.

FLODer Italiener kauft sich ein teures italienisches Rad, egal, wie viel es kostet. Der Deutsche hat mehr diese Preis-Leistungs-Mentalität inne, die aber im Vorfeld schon ziemlich viel unbequem macht. Wenn die Beschaffung des Rennrads schon rein darauf ausgelegt ist, dann macht das die ganze Sache von vornherein sehr ernst.

Italien ist aber natürlich auch eine Rennrad-Nation …

FLOJa, das stimmt! Doch die Italiener gehen dem Sport weniger verbissen und ernst nach, als es die Deutschen tun. Es hat sich schon vieles zum Guten verändert, aber im direkten Vergleich merkt man den Italienern doch mehr den Genuss und die Leidenschaft des Rennradfahrens an, als es bei vielen Deutschen der Fall ist.

„Die besten Ausfahrten sind die, bei denen du den Mund zu voll genommen hast und dich durchbeißt.“ – Das hat die Bike-Legende Doug Bradbury einst gesagt. Hattet ihr auch schon mal so einen Moment?

MAXIch bin mal mit einer nicht ganz so tollen Übersetzung den Passo dello Stelvio hochgefahren. Je höher ich kam, desto länger wurden meine Pausen. Am Ende habe ich mich bis ganz nach oben gequält und den Pass auch geschafft. Aber generell ist Rennradfahren für mich immer noch Freizeitbeschäftigung und Spaß. Ich habe im Alltag genug stressige Situationen, da muss ich mich nicht auch noch beim Radfahren bis zur völligen Erschöpfung quälen.

Also Genuss vor Leistung?

FLOWir mögen schon Challenges. Bei vielen Ausfahrten muss dann schon bei der Durchschnittsgeschwindigkeit eine drei vor der Null stehen. Doch am wichtigsten ist doch das Miteinander des gemeinsamen Fahrens. Auf dem Rennrad quälen wir uns gerne, aber die Performance danach im Biergarten ist uns genauso wichtig. (lacht)

Beim Rennradfahren gibt es eine ziemlich ausführliche Etikette. Sogar die Sockenlänge ist reglementiert … Was ist für euch das absolute No-Go, wenn man mit einem Rennrad unterwegs ist?

FLONicht zurückgrüßen. Wenn man sich irgendwo da draußen am Arsch der Welt auf der Straße trifft, und man weiß einfach, man ist gleichgesinnt, weil beide auf dem Rennrad sitzen, und der eine grüßt und der andere nicht. Das finde ich dann schon ziemlich daneben.

MAXIch bezweifle, dass sich der- oder diejenige gerade in der Olympia-Vorbereitung befindet, und selbst dann kann man wenigstens kurz die Hand oder wenigstens die Finger zum Grüßen heben. Das gehört sich einfach.



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