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LUCAS BRUNELLE

„Das Fahrrad ist für mich der ultimative Ausdruck von Freiheit!“

Seit über 40 Jahren porträtiert Lucas Brunelle die Radszene. In seinen Filmen und Videos nimmt er die Zuschauer mit auf waghalsige Geschwindigkeitsräusche durch Amerikas Straßenschluchten, auf illegalen Straßenrennen und zu verrückten Radreisen bis ans Ende der Welt. Seine Fahrmanöver gleichen einer einstudierten Choreografie – ein endloser Flow zwischen Stoßstangen und Autotüren, hupenden Fahrern und erbosten Fußgängern. Immer haarscharf und doch präzise wie die Hand eines Chirurgen bahnt er sich auf dem Rennrad einen Weg durch den Großstadtdschungel. Manchmal ist es so knapp, dass man nicht hinsehen will. Es ist eine Sinfonie des Wahnsinns, bei dem das Rad das Orchester ist und Lucas der Dirigent.


Filmer, Bike-Video-Pionier und Fixed-Gear-Legende

In den 1990er-Jahren leistet Lucas Pionierarbeit: Er dreht die ersten POV-Videos, lange bevor es GoPro oder YouTube gibt. An seinem Fahrradhelm installiert er Halterungen für zwei klobige Camcorder; eine vorne und eine hinten, damit er in beide Richtungen filmen kann. Das pragmatische Kamerasystem wird zu seinem Markenzeichen. „Ich wollte der Welt zeigen, wie es ist, mit dem Rad schnell durch den Verkehr zu kommen“, antwortet Lucas auf die Frage nach seiner Motivation. „Die Kamera ist das perfekte Werkzeug, um den Menschen zu zeigen, wie wir Rad fahren. Wie schnell, hektisch und gefährlich das alles ist“, ergänzt Lucas. „Plötzlich kann der Zuschauer ein Gefühl dafür bekommen oder es zumindest erahnen. Das ist in etwa so, wie wenn man jemandem, der noch nie am Meer war, zeigt, wie es ist zu surfen.“

2012 veröffentlicht er im Zuge des renommierten Bicycle Film Festivals einen Zusammenschnitt seines besten Videomaterials aus zehn Jahren. Der Titel seines Films ist „Line of Sight“. Ein brachiales Werk, das durch die bis dato noch nie gesehenen waghalsigen Fahrmanöver und Brunelles Attitüde und irren Fahrstil Tausende inspiriert. Auch auf internationaler Ebene gewinnt der Film zahlreiche Preise. Heute ist „Line of Sight“ ein Kultfilm. Rasant, draufgängerisch, einzigartig und unerreicht.

Die Leidenschaft für schnelle Räder entwickelt Lucas als Elfjähriger. Bis dahin fährt er hauptsächlich BMX. Das Rennrad ändert alles. „Plötzlich hast du ein Rad unterm Hintern, auf dem du so schnell fahren kannst, dass du permanent Angst hast, die Kontrolle darüber zu verlieren.“ Lucas' BMX-Kumpels finden sein neues filigranes Gefährt zunächst ziemlich uncool: „Zu dünne Reifen, zu empfindlicher Rahmen“, erzählt er. „Aber als sie dann sahen, wie unglaublich schnell ich auf dem Ding fuhr, wollte plötzlicher jeder von ihnen eins haben.“

Mit dem Rennrad wird Lucas „erwachsen“ und mausert sich zum Kategorie-2-Fahrer, die zweithöchste Profi-Kategorie in den USA. Es ist der nächste logische Schritt seiner Weiterentwicklung. Doch nicht nur das Rennrad, sondern auch das Mountainbike rückt in seinen Fokus. 1990 wird er von dem bekannten Radsport-Trainer Chris Carmichael zum Training in das olympische Trainingscamp eingeladen. Dort bricht nach einem Sprung die Gabel seines Mountainbikes. Ein Ersatzrad hat er nicht dabei, allerdings hat er noch sein Rennrad im Auto. „Am nächsten Tag stand ein MTB-Bergzeitfahren an. Also nahm ich einfach mein Rennrad für die Strecke – und war der Erste am Ziel. Muss wohl an den dünnen Reifen gelegen haben“, amüsiert sich Lucas.

Plötzlich hast du ein Rad unterm Hintern, auf dem du so schnell fahren kannst, dass du permanent Angst hast, die Kontrolle darüber zu verlieren.

In den Jahren darauf folgen diverse Profi-Radrennen, in denen er seine Teamkollegen unter anderem durch seine unkonventionelle Fahrweise über Gehwege oder Grünstreifen zum Sieg fährt. Doch weil er mit dem Tempo und der Intensität der Rennen unzufrieden ist, beendet er seine aktive Karriere als Profi-Radsportler.

„Das Fahrrad ist für mich der ultimative Ausdruck von Freiheit!“, sagt Lucas. „Egal, wer du bist, was du machst oder wo du lebst. Das Fahrrad verbindet die Menschen auf eine ganz besondere Weise und schafft ein einzigartiges Netzwerk, weltweit!“ Dieses Netzwerk trägt Lucas durch über 70 Länder, bis in die entlegensten Ecken dieses Planeten. Zuletzt sogar in das verstrahlte Tschernobyl und das kriegsgebeutelte Syrien. Was ist der Antrieb, zu einer derart gefährlichen Reise aufzubrechen? Nervenkitzel? Todessehnsucht? Abenteuer? „Das Rad!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Es ist das Rad, das mich zu all diesen Orten bringt.“ In Tschernobyl verbringt Lucas zwei Wochen und fährt durch das verstrahlte Pripjat. „Die Straßen dort sind über 30 Jahre alt und in bestem Zustand, weil es dort einfach keinen Verkehr gibt.“ Lucas erzählt von der Geisterstadt, der Flora und Fauna, von wilden Pferden und riesigen Fischen. „Es ist völlig irre zu sehen, wie sich die Natur wieder ihren Platz zurückerkämpft. Die Zone ist ein unglaublicher und surrealer Ort.“ Von den Pässen in Europa hält er hingegen weniger. „Ich werde ungeduldig, wenn ich einen Berg nach oben strample. Es gibt dort nur KOMs zu holen, mehr nicht. Das finde ich irgendwie langweilig.“

Lucas will sich nicht auf nur eine Sache beschränken. Es geht ihm beim Radfahren vor allem um die Vielfalt, darum, neue Dinge zu sehen und zu entdecken, draußen zu sein, Menschen und Gemeinschaften kennenzulernen. Auch deshalb fährt er zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter Rad. Virtuelles Rennradfahren wie Zwift kommt für ihn nicht infrage. „Ich finde das wirklich ätzend. Das ist doch kein Radfahren. Man sieht die Welt nicht, man tut nichts Konstruktives. Es ist noch nicht mal wirklich gesund.“ Sein Appell fällt kurz und direkt aus: „Geh raus, genieß die frische Luft, stärke deinen Körper und fahr verdammt noch mal so schnell, wie es nur geht! Ride fast, die last – that's what it's all about!“

How to blockbuster

„Ich nehme meine Kameras immer mit, egal, wie kurz oder wie weit ich fahre. Ich schalte sie ein, bevor ich losfahre, und lasse sie dann komplett durchlaufen. Denn es besteht immer eine kleine Chance, dass unterwegs irgendwas Spannendes passiert – und genau das soll ja die Kamera aufnehmen. Wenn du deine Ausfahrten filmisch festhalten willst, dann mach dir nicht so viele Gedanken darüber, wie das Video am Ende aussehen könnte. Ob der Winkel passt oder die Einstellungen richtig sind. Lass das Ding einfach durchgängig aufnehmen, halte drauf und konzentriere dich nur auf deine Fahrt. Nie auf die Kamera. Glaube mir: Am Ende wird dich das Ergebnis überraschen.“



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