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3.1.1 Homopathisch und heteropathisch

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Mill nimmt in seinen Überlegungen eine Situation an, in der mehrere Faktoren unter bestimmten Bedingungen zusammenwirken und so einen bestimmten Effekt hervorbringen. Da er davon ausgeht, dass jeder der an dieser Situation beteiligten Einzelfaktoren – für sich genommen – unter den gleichen Bedingungen auch einen Effekt gehabt hätte, stellt sich für ihn die Frage, ob sich die gemeinsame Wirkung der Faktoren schon dann bestimmen lässt, wenn man nur diese Einzelwirkungen kennt. Die Frage ist also, ob sich, anders ausgedrückt, die (zuvor bekannten) Einzelwirkungen der Faktoren zu einer Gesamtwirkung einfach summieren lassen?24 Mill sieht dies besonders im Bereich der Mechanik als gegeben. So führt er an einem Beispiel aus der Dynamik an, wie sich unterschiedliche Kraftwirkungen auf einen Körper miteinander addieren lassen. Und auch in der Physik könne man die Teile eines zusammengesetzten Körpers einfach zu seinem Gesamtgewicht addieren.25 Mill fasst dies in folgendem Gesetz zusammen:

„I shall give the name of the Composition of Causes to the principle which is exemplified in all cases in which the joint effect of several causes is identical with the sum of their separate effects.“26

Obwohl dieses Prinzip eine „general rule“27 darstelle, scheint es, Mill zufolge, nicht überall zu gelten. Jeder andere Fall sei mithin als Ausnahme zu sehen („the other case [is] exceptional“28). So gelte es nicht in den Bereichen der Physiologie, der Psychologie und der Chemie, da diese ihre Existenz gerade eben einem Bruch des Prinzips der Composition of Causes verdanken würden.29 Für die Chemie gibt er dabei folgendes Beispiel:

„The chemical combination of two substances produces, as is well known, a third substance with properties different from those of either of the two substances separately, or both of them taken together. Not a trace of the properties of hydrogen or of oxygen is observable in those of their compound, water. […] [A]nd we are not, at least in the present state of our knowledge, able to foresee what result will follow from any new combination […].“30

Diese Überlegung führt Mill zur folgenden begrifflichen Unterscheidung: Kann eine Eigenschaft bzw. eine Wirkung, wie im Beispiel der chemischen Reaktion, nicht als ‚Summe‘ aller an ihrer Hervorbringung beteiligten Einzelfaktoren verstanden werden, so spricht Mill von einer heterogenen Eigenschaft bzw. Wirkung. Jene Gesetze, welche den empirisch feststellbaren Zusammenhang zwischen den Ausgangsfaktoren und ihrer gemeinsamen Wirkung beschreiben, werden heteropathische Gesetze genannt. Ist es jedoch umgekehrt, und die Gesamtwirkung ergibt sich – wie im Fall der Addition der Teilgewichte eines zusammengesetzten Körpers – als Summe der Einzelwirkungen, so nennt man sie homogen. Die dazugehörigen Gesetze heißen homopathische Gesetze. Sie können aus den Gesetzen über die Einzelwirkungen gefolgert werden. In der Unterscheidung zwischen homo- und heteropathischen Ursachen und Gesetzen liegt Mills Bedeutung für den britischen Emergentismus. Es sind dabei die heterogen wirkenden Ursachen, welche spezifisch ‚neue‘ Wirkungen hervorbringen. Dabei sind die Gesetze, die diese Wirkung ausdrücken, nicht aus den Teilgesetzen ableitbar.31

Mills Beispiele beziehen sich in der Regel auf komplexe Systeme mit systemischen Eigenschaften – also solche Eigenschaften, die nur dem System als Ganzem und keinem seiner Einzelteile zukommen. Hierbei beschreibt er insbesondere das Verhalten von Lebewesen und die Eigenschaften chemischer Verbindungen.32 In Bezug auf heterogen zusammenwirkende Ursachen lassen sich mehrere Varianten unterscheiden:

„[T]hat in some instances, at some particular points in the transition from separate to united action, the laws change, and an entirely new set of effects are either added to, or take the place of, those which arise from the separate agency of the same causes […].“33

Somit können in einer ersten Variante die ‚neuen‘ Gesetze den Platz der vorherigen Gesetze einnehmen. Dies lässt sich – Mill zufolge – besonders gut am bereits zitierten Beispiel des Wassers zeigen. Hier verbinden sich die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff, welche beide gasförmig sind, zu H2O. Dieses aber ist flüssig und nicht gasförmig. Und auch die Teilstoffe des Wassers sind nicht mehr gasförmig. In einer anderen Variante hingegen gelten die Gesetze, denen die Bestandteile eines komplexen Systems für sich genommen folgen, auch innerhalb des Systems. Dieses hat aber darüber hinaus zusätzliche, neue Eigenschaften, die keines seiner Bestandteile besitzt. Mill bezieht sich hierbei besonders auf solche komplexen Systeme wie Organismen, die im Unterschied zu ihren Bestandteilen heteropathische Eigenschaften aufweisen, wie, ‚lebendig‘ zu sein oder ‚atmen‘ zu können. Dennoch folgen die Bestandteile eines Organismus gleichzeitig homopathischen (z.B. mechanischen) Gesetzen.34

Naturphilosophische Emergenz

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