Читать книгу Schneerose - Maya Shepherd - Страница 3
Prolog
ОглавлениеIhre Füße sind blutig und verbrannt von dem heiß glühenden Sand der Wüste. Die Sonne knallt auf ihren unbedeckten Kopf, sodass sich die Haut ihres nackten Körpers bereits zu schälen beginnt. Vor Wassermangel sind ihre Lippen gesprungen und aufgerissen. Sie wirkt dem Tode geweiht, doch der Schein trügt. Wie eine Schlange wirft sie nur ihre alte Haut ab, um in neuer Blüte wieder aufzuerstehen.
Aber selbst mit geschuppter Haut und kaum noch menschlichen Gesichtszügen würde ihr jeder Mann, der sie nur für den Bruchteil einer Sekunde erblickt, unwiderruflich verfallen. Einer Fata Morgana gleich würde er sich vor ihre verkohlten Füße werfen, bereit zu tun, was auch immer sie von ihm verlangt. Ohne wenn und aber. Doch sie würde nur an ihm vorbei gehen, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, während er vor Kummer und Sehnsucht nach ihr vergehen würde. Nicht ein Mann wird es je wieder wert sein, dass sie ihre blutroten Augen auf ihn richtet.
Verrat ist der treueste Begleiter des Mannes. Den Ersten verließ sie aus freien Stücken, weil er ihren Stolz brechen wollte, um sie sich zur willenlosen Sklavin zu machen. Der Zweite, der ohne sie nicht mehr über diese Welt wandeln würde, verstieß sie aus Angst ihr untertan zu sein. Sie nahm den Verlorenen auf, als er einsam war und gab ihm Nahrung, Wärme und Liebe. Eine Liebe, welche die Ewigkeit hätte überdauern können. Aber er zog die Unwürdigen ihr vor, weil er ihre Schönheit und Macht erkannte und wusste, dass er nie mit ihr gleichgestellt sein würde.
Es wäre ein Leichtes gewesen ihn auszulöschen, doch gebietet sie über die Zeit. Ihr Leben ist länger als das einer jeden anderen, warum sollte sie also sofort beenden, womit sie sich Jahrhunderte die Zeit vertreiben kann? Geduld ist eine Tugend über die nur die Wenigsten verfügen, doch sie kann warten. Sie wird sich im Verborgenen als stille Beobachterin halten, solange bis er anfängt sich in Sicherheit zu wiegen, denn vergessen könnte er sie nie. Niemand, der ihr je begegnet ist, könnte sie vergessen.
Getrieben von Hass setzt sie Tag und Nacht einen Schritt vor den anderen. Es bleibt ihr die Unendlichkeit, um ihre Rache zu planen. Und wenn sie dann eintritt, wird keiner sie erwarten, wodurch sie nur noch grausamer und erbarmungsloser sein wird.
Sie wird seine widerwärtige Schöpfung zerstören bis nicht mal mehr eine von seinen Kreaturen übrig bleibt, denn sie sind schwach und ohne Hoffnung. Anders als ihre Kinder, die vor Schönheit und Stärke erstrahlen werden. Sie sollen die wahren Bewohner der Erde sein. Perfekt bis ins kleinste Detail, mit einem Kopf, der zum Denken und Herrschen, und nicht nur zur Zierde da ist.
Als ihre Füße endlich den Strand des roten Meeres erreichen, zischt das Wasser als es sie berührt. Es verbrennt auf ihrer heißen Haut wie auf glühenden Kohlen und umflutet sie mit einem dampfenden Nebelschleier, während sie weiter in die See tritt. Der Dunst breitet sich über den gesamten Strand aus. Erst als sie den Ozean wieder verlässt, lichtet sich der Nebel. Ihr Haar erstrahlt feuerrot in der untergehenden Sonne und bildet einen Kontrast zu ihren smaragdgrünen Augen. Verschwunden ist die schuppige, verbrannte Haut, an derer statt sich neue gebildet hat, welche weicher und straffer ist als die eines neugeborenen Babys.
Die Göttin des Lebens ist erwacht, so jung wie die Welt selbst und erst wenn die Erde zerbricht, wird sie aufhören zu sein.