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Orlando Moundrell

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Obwohl es erst Nachmittag ist und die Sonne sich noch viele zäh dahin ziehende Stunden am Himmel befinden wird, kann Orlando nicht genügend Ruhe zum Schlafen finden, obwohl er sich immer noch völlig ausgelaugt fühlt. Er nickte mit smaragdgrünen Augen im Kopf ein und wachte auch wieder mit ihnen auf.

Normalerweise leckt er sich nach einer erfolgreichen Nacht mit Vorliebe über die Lippen und denkt dabei an den süßen Geschmack des noch heißen Blutes zurück. Doch jetzt an das Blut der schönen Fremden zu denken, erweckt in ihm Magenkrämpfe, während die Erinnerung an ihren Körper bei ihm ganz andere Körperteile weckt.

Nichtschmeckendes Blut, wie absurd und dann auch noch von einer so hübschen Frau. Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit! Und nicht nur, dass es einfach nicht geschmeckt hätte, es hätte ihn fast umgebracht, wie ein tödliches Gift.

Ein zarter Windhauch bringt die Kerze zum Flackern. Rotglühende Augenpaare starren Orlando aus der Dunkelheit entgegen.

„Komm rein“, gibt Orlando grinsend von sich und ein kleiner Rotschopf, im Alter von vielleicht 14 Jahren betritt sein dunkles Gemach. Sie lässt sich neben ihn auf sein schwarzes Samtbett plumpsen, wobei ihre Lockenmähne auf und ab hüpft.

„Kannst du auch nicht mehr schlafen?“, fragt sie mit der dünnen Stimme eines Kleinkinds.

Ein besorgter Zug legt sich um Orlandos Mundwinkel, wobei er Mary ein Weinglas, gefüllt mit dunkelroter Flüssigkeit, reicht.

„Hier trink das!“

Das Mädchen setzt das Gefäß an die Lippen, um nach einem einzigen Schluck angewidert den Mund zu verziehen.

„Es schmeckt nicht. Es ist kalt und leblos!“

Wieder gleiten seine Gedanken zu dem ungenießbaren Blut der Blondine.

„Ich weiß…Hast du eigentlich auch schon mal Blut von einem Menschen gehabt, das nicht geschmeckt hat?“

Verwirrt und zugleich neugierig blickt Mary aus ihrem blassen Gesicht zu Orlando auf.

„Na ja, man muss bei den Obdachlosen manchmal den Gestank ausblenden, aber sobald der erste Tropfen ihres heißen Blutes sich auf der Zunge ausbreitet, ist das auch schon vergessen.“, sehnsüchtig leckt sie sich über ihre dunkelroten Lippen.

„Das meine ich nicht. Ich meine Blut, wovon man nicht einen Schluck nehmen kann, weil es so entsetzlich brennt, dass man das Gefühl hat es ätzt einem die Speiseröhre weg.“

Sie legt ihre kleine Stirn in Falten und mustert Orlando aufmerksam.

„Wovon sprichst du? Warst du gestern wieder unterwegs?“

„War nur so ein Gedanke“, versucht Orlando sie abzuwimmeln, doch da hat er bei Mary schlechte Karten. Ihre Neugier ist geweckt.

„Orlando, du kannst vielleicht jedem anderen etwas vor machen, aber mir nicht. Erzähl es mir, ich verrat es auch keinem. Großes Indianer Ehrenwort!“, zum Zeichen ihrer Ehrlichkeit formt sie mit ihrer linken Hand ein Peace- Zeichen über ihrem toten Herzen. Da Orlando sie nur zögernd und zweifelnd anblickt, quengelt sie weiter, um ihren Willen zu bekommen.

„Bitte! Wegen dir stecke ich für immer im Körper einer Vierzehnjährigen also lass mich wenigstens an deinem Liebesleben teilhaben, wenn ich schon selbst nie eins haben werde!“

Dieses Argument zieht auf Grund seines schlechten Gewissens bereits seit Jahrhunderten. Im Grunde seit dem er sie zu einer der ihren gemacht hat. Er glaubte damals das richtige zu tun.

„Na gut“, gibt sich Orlando geschlagen „Ich habe gestern eine Frau getroffen. Sie war schöner als jeder Sonnenaufgang und die Nacht mit ihr das reinste Vergnügen. Aber an ihrem Blut wäre ich beinahe erstickt. Es hat gebrannt wie Feuer!“

Mary legt nachdenklich ihren Kopf schief. „Das ist in der Tat ungewöhnlich, aber vielleicht solltest du sie gerade deshalb noch einmal treffen. Lad sie doch zum Essen ein!“ Ihr schelmisches Grinsen verrät Bände.

„Es würde sie jemand vermissen, kleine Mary.“, gibt Orlando ebenfalls grinsend zurück.

„Dann eben ein normales Essen in einem Restaurant, ganz romantisch bei Kerzenlicht. Da würde doch jede Frau dahin schmelzen und bei deinem Charme sowieso.“

„Sie erinnert sich doch gar nicht an mich!“

„Woher willst du das wissen? Du konntest ihr Blut doch gar nicht trinken, vielleicht hat das mit dem Vergessen bei ihr gar nicht geklappt!“

„Das wäre schrecklich für alle Beteiligten! Es ist verboten sich mit Menschen zu treffen.“

„Und das weißt du erst seit heute?! Komm schon, Orlando, bist du denn gar nicht neugierig?“

„Doch natürlich, aber sie macht mir irgendwie auch Angst. Wenn sie da ist habe ich mich nicht unter Kontrolle.“

„Dann begleite ich dich und passe auf dich auf!“ Wieder das freche Grinsen.

„Vergiss es, Mary.“, entgegnet ihr Orlando jedoch nur streng.

„Ach komm schon, wenn du dabei bist, lassen sie mich raus. Ich werde auch ganz brav sein und bestimmt niemanden beißen.“

„Das glaubst du doch selbst nicht. Kaum, dass ich mich umdrehe, wirst du dem Nächstbesten an den Hals springen. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass du mitkommst.“

Eine süße Flunsch legt sich auf ihr zierliches Gesicht und lässt sie noch einmal einige Jahre jünger erscheinen. „Okay, aber dann musst du mir alles erzählen. Versprochen?“

„Großes Häuptlings Ehrenwort!“

Als er, kaum dass die Abenddämmerung einsetzt, Moundrell Manor verlässt, brennt in dem Anbau über der Garage von dem Zuhause der Fremden noch Licht. Hätte er noch einen Herzschlag, würde er sich spätestens jetzt vor Aufregung um ein vielfaches beschleunigen. Anmutig wie eine Katze lässt er sich auf den kahlen Baum gegenüber ihrem Zimmer gleiten.

Auf den ersten Blick ist er sich nicht sicher, ob er sich wirklich vor dem richtigen Fenster befindet. Zwar sitzt dort an dem Schreibtisch über ein Buch gebeugt ein blondes Mädchen, aber sie hat ansonsten wenig gemein mit der unglaublichen Frau der letzten Nacht. Verschwunden ist die sexy Kleidung und ersetzt worden durch eine unscheinbare Jogginghose und ein weites T-Shirt, das jegliche weibliche Rundung versteckt.. Das lange seidige Haar ist streng in einem Zopf zusammengebunden. Und sogar ihre Haltung gibt nichts von der selbstbewussten Schönheit wieder. Unsicher, verzweifelt und traurig sitzt sie über den Büchern, wodurch er ihr Gesicht nicht richtig sehen kann. Ist es vielleicht die jüngere Schwester der Frau, die er sucht? Doch kein anderes Fenster ist erleuchtet. Das Mädchen hebt den Kopf und blickt ihn geradewegs an. Sie kann ihn nicht sehen, da ist er sich sicher. Niemand kann ihn sehen, wenn er es nicht möchte. Vampire besitzen die Fähigkeit völlig im Schatten zu verschwinden. Doch ihre grünen Augen weiten sich erschrocken als sie ihn erblickt. Es ist unmöglich, trotzdem verbirgt er sich schnell hinter dem breiten Baumstamm und hört wie das Fenster sich öffnet.

„Hallo? Ist da jemand?“, dringt ihre leise zittrige Stimme durch die Dunkelheit und erinnert ihn dabei an Mary. Sie passt nicht zu der Frau, die er gestern erlebt hat. Viel zu zerbrechlich, nicht stark und dominant. Nicht mal ihre Augen scheinen dieselben zu sein. Zwar sind sie immer noch grün, doch fehlt ihnen der kalte Glanz eines geschliffenen Smaragds. Aber sie muss es dennoch sein. Es ist dasselbe Zimmer mit den dünnen Chiffonvorhängen und dem schwarzen Metallbett. Alles sieht genauso aus wie am Morgen als er das Zimmer verlassen hat, nur die Frau darin ist kaum wiederzuerkennen.

Schneerose

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