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Orlando Moundrell

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Der Bass lauter Musik dringt an seine Ohren und lässt den Boden vibrieren. Die Farben der Neonlichter legen sich über die Tanzwütigen, während die Menschen an der Bar in sanftem Dämmerlicht zu einer Masse verschmelzen.

Orlando tritt an die überfüllte Theke und braucht der jungen Kellnerin nur in den Rücken zu blicken, um sie dazu zu bewegen sich sofort zu ihm umzudrehen und jedes Gespräch oder jede Handlung, mit der sie gerade beschäftigt war, sogleich zu unterlassen, um seine Wünsche, egal welcher Natur sie auch sein mögen, entgegen zu nehmen. Ihm entgeht auch nicht die Gänsehaut, die sich über ihren Körper in einem wohligen Schauer ausbreitet als er „Einen Bloody Mary“ fordert. Ein nervöses Kichern entfährt ihr bevor sie sich dann endlich ihrer Arbeit zuwendet.

Er spürt die ersten neugierigen Blicke bereits auf sich. Sie kommen von allen Seiten und den verschiedensten Frauen. Den größten Teil bilden natürlich die Single Damen, die entweder auf der Suche nach der großen Liebe oder einem kleinen schmutzigen Abenteuer sind. Aber auch vergebene Frauen machen keinen Hehl aus ihrem Interesse, indem ihre Augen während eines Gesprächs mit ihrem Partner immer wieder zu ihm wandern oder sie ihn sogar betrachten, derweilen ihre Lippen die eines anderen berühren. Egal wo er hingeht, kann er sich der Aufmerksamkeit aller gewiss sein.

Mit zitternden Händen stellt die Kellnerin ihm nun sein blutrotes Getränk hin, sodass es leicht überschwappt. Der rote Saft läuft über ihre Finger, die sie dann in ihren rosa geschminkten Mund steckt und genüsslich unter den Augen Orlandos daran lutscht.

„Tschuldige, du machst mich ganz nervös. Ich bin Sindy!“, sagt sie und fährt sich dabei mit dem Daumen verführerisch über die Lippen.

„Mein Fehler, dann sollte ich wohl besser gehen. Schönen Abend noch, Sindy.“, entgegnet er ihr grinsend und verlässt unter Sindys Bitte zu bleiben die Bar, um sich an einen der Tische zu stellen, von denen man die ganze Tanzfläche erfassen kann.

Es braucht nur einen Blick seinerseits um die Frauen zu erkennen, die ohne zu zögern sofort mit ihm nach Hause gehen würden. Er erkennt sie an der Art wie sie sich kleiden und wie sie betont oft lachen oder ihre Hüften kreisen lassen. Nicht einmal der Scham jemanden anzusprechen, muss er sich hingeben. Wobei es egal wäre, wie er sie anspricht. Er könnte zum Beispiel sagen: „Hast du schon mal eine lila Kuh gesehen?“ und sie würden dahin schmelzen und jede Frage mit „ja“ beantworten, jederzeit bereit zu tun, was auch immer er verlangt.

Doch es ist noch viel einfacher, denn die Frauen kommen zu ihm. Eine nach der anderen. Diejenigen, die noch nicht komplett benebelt von dem Alkohol sind, versuchen es mit etwas wie „Hey, du bist mir aufgefallen“ und erzählen ihm dann meistens viel mehr von sich, als er wissen möchte. Andere, welche schon mehr getrunken haben, als ihnen gut tut, stützen sich auf seine Schulter und lallen ihm dicht ans Ohr: „Ist es heiß hier drin oder bist du das?“

Und wieder andere, beweisen wenigstens Witz und etwas Individualität, indem sie ihn provokant fragen: „Weißt du was mir an dir gar nicht gefällt?“

Würde er sich nicht mehrmals die Woche die Nächte in einem Club um die Ohren schlagen, wäre er von der Frage, vielleicht ehrlich überrascht. Doch so antwortet er nur begleitet von einem Augenverdrehen: „Was?“

Daraufhin setzen die Frauen dann einen, ihrer Meinung nach, verruchten Blick auf und antworten: „Dass du Kleider an hast.“

Mehr als ein aufgesetztes Grinsen entlocken sie ihm mit all ihren Maschen jedoch nicht. Er ist nicht interessiert an Frauen, die sich ihm an den Hals schmeißen und wie ein Opferlamm darbieten. Er sucht viel mehr nach etwas Unschuldigem und Reinen. Auch diese Frauen vermag er ohne Probleme zu erkennen. Es sind die, deren schüchternen Augen einen für Sekunden streifen, aber sich sofort abwenden, sobald man ihren Blick erwidert. Danach lässt er seine eisblauen Augen auf ihren Rücken ruhen, bis ihnen die Haut am ganzen Körper kribbelt, heiß wird und sie es nicht länger unterdrücken können ihn anzusehen. Das ist der Moment, in dem er gewonnen hat.

Auch jetzt sucht er den Raum wieder nach der heutigen glücklichen Auserwählten ab. Es dauert einen Moment, bis er es registriert, doch dann trifft ihn die Erkenntnis mit voller Wucht. Etwas ist anders als sonst. Er erhält nicht die Aufmerksamkeit, die er gewohnt ist und ihm gebührt. Ganz im Gegenteil, die Menschen recken ihre Köpfe nach jemand anderem. Selbst die Frauen fahren sich mit den lackierten Fingernägeln über ihre verschwitzen Dekoltées und betrachten dabei, mit einem unbeabsichtigtem Lecken der Zunge über die Lippen, eine Person, welche eindeutig nicht er ist. Noch nie zuvor hat er so etwas erlebt und es verstört ihn zutiefst, erweckt aber gleichzeitig seine Neugier. Wer kann nur anziehender als er selbst sein? Wer vermag die Massen noch mehr zu fesseln? Hektisch gleiten seine Augen über die volle Tanzfläche, folgen den Blicken der Menschen und dann endlich sieht er SIE. Ihr langes blondes Haar fällt wie Seide über ihren nackten Rücken. Der knackige Po wird gerade so von einem winzigen schwarzen Stoffstreifen bedeckt. Die Füße stecken in scharlachroten Pumps. Ihre Bewegungen sind elegant und sexy zugleich. Keine kann hier oder irgendwo sonst mit ihr mithalten. Das wissen sie auch, deshalb halten sie Abstand von der geheimnisvollen Schönheit. Sie ist einmalig.

Ihr gehört ein eigener kleiner Bereich auf der großen voll gequetschten Tanzfläche, auf der es niemand wagen würde ihr zu nahe zu kommen. So sehr er auch ihren wunderhübschen Rücken fixiert, schafft er es nicht sie wie alle anderen dazu zu bewegen sich auch nur einmal umzudrehen und in seine Richtung zu blicken. Sei es auch nur für den Bruchteil einer Sekunde.

Von dem ersten Moment, in dem er sie sah, wusste er, dass er sie besitzen muss. Daran gibt es keinen Zweifel und so treibt es ihn schier zur Verzweiflung darüber nachzudenken wie er das vollbringen soll. Nie zuvor in seinem mittlerweile Jahrhunderte überdauernden Leben musste er sich die Frage stellen wie er die Aufmerksamkeit einer Frau erregen könnte. Es war immer ein Kinderspiel gewesen, vollkommen belanglos. Nicht im Traum hätte er geglaubt, je in seinem Dasein auch nur einmal noch auf eine Herausforderung zu stoßen, die eine Frau ihm stellt. Doch der Begriff ‚Frau’ wird ihr nicht gerecht. Sie ist nicht wie die anderen. Sie ist wie ein funkelnder Diamant unter grauen Kieselsteinen. Diese oder keine, das steht zumindest für die heutige Nacht fest.

Wenn er nicht auf sie zugeht, dann wird sie ihn nie bemerken, so viel ist Orlando klar. So zerbricht er sich fieberhaft den Kopf darüber, was er nur zu ihr sagen könnte, um sie für sich zu gewinnen. Wie lächerlich! ER, der fünf Frauen an einem Finger pro Hand haben könnte, muss sich Gedanken darüber machen, wie man eine Frau anspricht. Doch auch wenn in seinem Kopf ein Gedanke den anderen überschlägt, sind seine Schritte fest und selbstsicher als er die Tanzfläche betritt und zielstrebig die schöne Fremde ansteuert.

Nur für einen Augenblick bleibt er außerhalb ihres selbstgebildeten Tanzkreises stehen, den bisher niemand zu betreten gewagt hat und sieht fasziniert dabei zu, wie ein Schweißtropfen von ihrem Nacken an ihrer perfekt geformten Wirbelsäule entlang hinab in die Wölbung ihres Pos fließt. Wie gern würde er ihm mit seinem Finger Einhalt gebieten. Kaum, dass er ihr Revier betritt, wirbelt sie zu ihm herum, so als wolle sie empört erfahren, wer es wagt in ihr Reich einzudringen. Jeder Satz, den er sich auf der Zunge zu Recht gelegt hat, ist vergessen. Das Strahlen ihrer Augen hätte ihn selbst am anderen Ende des Raums noch wie vom Blitz getroffen, aber aus so unmittelbarer Nähe macht es ihn schlicht und einfach sprachlos. Wie ein Trottel, der er selbst zu seinen Lebzeiten nie war, steht er da und starrt sie an, schafft es einfach nicht seine Augen von ihr abzuwenden, WILL seine Augen nicht abwenden. Ihr intensiver Blick, welcher geradewegs auf ihn gerichtet ist, würde sein Blut zum kochen bringen, wenn dazu noch die Möglichkeit gegeben wäre.

Er weiß nicht, ob sie einander minutenlang betrachten oder ob es nur Sekunden sind, aber als sie an ihm vorbeistreift und die Tanzfläche verlässt, liegt der Duft von süßen Erdbeeren in der Luft. Begierig die Luft zu inhalieren, schnappt er danach wie ein Ertrinkender und fährt herum, um zu sehen, wie sie gerade den Club durch den Hintereingang verlässt. Es gibt kein Halten mehr, als sein Körper sich vorbei an all den verschwitzen Leibern zum Ausgang drängt. Er konzentriert sich auf ihren süßen Geruch und das rhythmische Klappern ihrer Absätze auf dem Kopfsteinpflaster und folgt ihr durch die schmalen Gassen der Bar Street. Unter bunten Neonschildern drängen sich die Feiernden zusammen und laden ihn ein ihnen beizutreten, doch er ist wie berauscht von dem fremden Duft. Ein Taxi fährt gerade vom Eingang der überfüllten Bar Street, Ecke South Bay, ab. Die blonde Mähne, welche aus dem Fenster weht, reicht ihm als Beweis um die Verfolgung aufzunehmen. Begleitet von einem verärgerten Hupen tritt er mitten auf die befahrene Straße der Vergnügungsmeile und springt in das nächste Taxi, das er so zum Anhalten gezwungen hat. Dass es bereits besetzt ist, spielt unter Einsatz eines 50£-Scheines keine Rolle mehr.

„Folgen Sie dem Taxi“, ist das Einzige was er vor lauter Aufregung wie elektrisiert hervor bringt. Die Autos gleiten durch den spärlichen Stadtverkehr des Hafens von Scarborough in dem sich bunt beleuchtete Motorboote neben Segelschiffen tummeln. Vorbei an den leuchtenden Werbereklamen der Fast Food Ketten, Discounter, Souvenirshops und Modeboutiquen am Strand. Das Leben floriert, doch davon bekommt Orlando nichts mit. Ihn interessiert nur so nah wie möglich an dem Taxi vor ihnen zu bleiben. Schon bald biegen sie von der South Bay mit den eng aneinander stehenden kaminroten Steinhäuser in eine der teureren Wohngegenden ab. Voller Erstaunen erkennt er nach wenigen Häusern, dass es sich um die Manor Road handelt, an deren Ende sich der italienische Garten erstreckt, in dessen Mitte Moundrell Manor thront, sein derzeitiges Zuhause. Ihm stockt der Atem als er die schlanken Beine der kühlen Blonden aus dem Taxi huschen und durch ein Tor in einer von Tannen bewachsenen Auffahrt verschwinden sieht.

„Stop! Anhalten!“, schreit er sofort alarmiert und zerquetscht dabei beinahe die Schulter des Taxifahrers, der eine Vollbremsung hinlegt.

Er drückt ihm einen weiteren 50£-Schein in die Hand und steigt aus dem Auto aus. Dunkel liegt die Auffahrt vor ihm, ohne das ein Ende auch nur in Sicht wäre. Ein Spalt des grauen Eisentores steht offen, durch den er sich hindurch schiebt. Der sandfarbene Kies knirscht unter seinen schwarzen Lederstiefeln. Mit vorsichtigem Schritt folgt er ihrem süßen Duft durch die dunkle Auffahrt. Hell hebt sich das Gebäude von der Nacht ab, obwohl nicht ein Licht im Inneren brennt. Es ist ein großes Anwesen, typisch britisch aus weißen Holzbalken mit braunen Fensterläden. Eine gemütliche Veranda führt zu der Eingangstür aus schwerem Teakholz. Neben dem Haus befindet sich eine Garage, auf dessen Dach ein Anbau mit großen Fenstern angebracht ist. Die Silhouette einer bleichen Gestalt ist hinter den sich im Wind wiegenden Chiffonvorhängen zu erkennen.

Er war zu langsam, hat den Zeitpunkt verpasst, sie anzusprechen. Die Haustür steht einen Spalt offen. Hat sie vergessen sie zu schließen? Für ihn ungewohnt vorsichtig, tritt er auf die Veranda, vorbei an den perfekt in Form geschnittenen Buchsbäumen. Immer noch kein Licht im Haus, aber er stellt fest, dass im Eingang einer der roten Pumps liegt und so die Tür geöffnet hält. Kann das ein Zufall sein? Nein, es kommt einer Einladung gleich! Soll er es wagen? Seine Schuhe quietschen verräterisch als sie den dunklen Holzfußboden des Hausflurs berühren. Er hat das Risiko noch nie gescheut, sondern immer als Nervenkitzel betrachtet.

Der zweite Lackstiletto liegt wie eine Signalfahne am Ende der Treppe. Unachtsam abgestreift, spürt er noch die Hitze ihres pulsierenden Körpers in ihm.

Leise steigt er die von edlen Rosenbouquets gesäumte Treppe empor, wobei er im oberen Teil fast über den schwarzen Hauch von Nichts gestolpert wäre, welches sie als Kleid trug. Ohne Zweifel sie hat ihm eine zuckersüße, aber gefährliche Spur hinterlassen. Nie zuvor ist ihm etwas dergleichen prickelndes Erotisches widerfahren. Bei jedem Schritt knarrt der alte Holzboden unter seinen Füßen und kündigt für jeden hörbar sein Kommen an. Der winzige String aus schwarzer Spitze vor einer der großen weißen Flügeltüren ist die Krönung des Ganzen. Mit einem beherzten Stoß dringt er in das angebaute Zimmer über der Garage ein.

Ihr Körper hebt sich gegen das kühle Mondlicht ab und lässt ihre Haut so weich und weiß wie reinste Milch erscheinen. Er möchte sie kosten, sich an ihr satt trinken. Wenn er sie nicht haben kann, will er auf der Stelle zu Asche zerfallen. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, nur ihr Atem unterbricht die Stille.

Als sie sich zu ihm umdreht, liegt keinerlei Scheu oder Scham in ihrem Blick. Nackt, wie sie auf die Welt kam, steht sie vor ihm und ist in diesem Moment das Schönste und Begehrenswerte, was seine jahrhundertealten Augen je erblicken durften.

Es braucht keine Worte, um zu wissen, was der andere im Sinn hat. Sie wissen beide warum sie hier sind und so treffen ihre Lippen wie von selbst heiß aufeinander. Seine rauen Hände gleiten über ihre zarte und nackte Haut, umschließen ihre festen vollen Brüste und kneifen in ihren prallen Po. Orlandos Kleidung löst sich wie von selbst in blankes Wohlgefallen auf.

In seiner puren Männlichkeit steht er vor ihr, deren Haut in dem seichten Licht des Mondes mit den weißen Lacken des Eisenbettes verschmilzt. Er braucht keine weitere Einladung und so dringt er in sie ein, um augenblicklich von einer sengenden Hitze umschlossen zu werden. Er spürt das Feuer einer anderen Welt, in der Lust und Leidenschaft regieren. Ihr wildes Stöhnen raubt ihm den Verstand und macht ihn zu einem Sklaven ihrer unberechenbaren Willkür. Unvergleichbar, doch es sind ihre fesselnden Augen von denen er den Blick nicht lassen kann.

Erschöpft sinkt er unter ihr zusammen. Einer Königin gleich thront sie auf ihm, während er sich ihr vollkommen willenlos unterworfen und gefügt hat. Eine unabwendbare Müdigkeit zieht ihn hinab in einen traumlosen Schlaf.

Wieder zu sich kommt Orlando erst Stunden später. Bereits halb sieben am Morgen. Wie konnte ihm so etwas nur passieren? Noch nie ist er bei einer Frau zu Hause eingeschlafen, warum bei dieser? Nur ein Blick auf ihren wohlgeformten Körper reicht, um ihm die Frage zu beantworten. Das goldene Haar umschmeichelt in sanften Wellen ihre nackten Brüste, an denen er vor wenigen Stunden noch saugte wie ein Baby. Er möchte sie wecken und das ganze Spiel von vorne treiben, immer und immer wieder, aber die Sonne ist der Spielverderber, der ihn zum Gehen zwingt.

Als er sich aufrichtet, schwirrt ihm der Kopf und ihm wird plötzlich ganz schwarz vor Augen. Richtig schwach und kraftlos fühlt er sich, fast so als wäre jegliche Energie aus seinem Körper gesaugt worden. Ihr Blut wird ihn stärken. Nur ein Biss wird genügen, um sie die ganze Nacht vergessen zu lassen. Bedauerlich, dass er ihr ausgerechnet so etwas Einmaliges nehmen muss. Doch es ist nicht nur zu seinem, sondern auch zu ihrem Schutz. Auch wenn er sich an so gut wie keine Regel der Vampire hält, so gibt es doch die eine, gegen die niemand, nicht mal er, wagen würde zu verstoßen: „Erhalte stets deine Maskerade!“

Niemand darf jemals erfahren was er wirklich ist. Denn auf die Entdeckung steht nicht nur der Tod für den Entdecker, sondern auch für den Entdeckten.

Sanft fahren Orlandos Hände über die helle, so leicht zu verletzende Haut an ihrer Kehle. Fast schmerzt es ihn, dieses perfekte Gesamtbild mit einem Biss zerstören zu müssen. Es werden nur winzige rote Punkte zu sehen sein, doch genug um die Perfektion zu vernichten. Seine Lippen liebkosen ihren schlanken Hals, bevor sich seine spitzen Eckzähne sanft in das weiche Fleisch drücken. Blut sickert in seinen gierigen Mund, nur um ihn röchelnd und hustend zurückweichen zu lassen. Es brennt wie Feuer in seiner Kehle und raubt ihm nicht nur die Sinne, sondern wortwörtlich die Luft zum atmen. Das Blut brennt stärker als jeder hochprozentige Alkohol, fast erscheint es ihm als würde seine gesamte Speiseröhre von einem unsichtbaren Gift verätzt werden. Tränen steigen ihm in die Augen, während er schweißgebadet zu Boden sinkt. Wie ein Fisch an Land, schnappt er nach Luft und übergibt sich, bis der Brand endlich wieder etwas nachlässt. Benommen zieht er sich am Bett empor auf die Beine. Er hat keine Erklärung für das, was hier gerade passiert ist. Es beunruhigt und verunsichert ihn zutiefst. Nicht ein winziges Einstichloch ist auf ihrem weißen Schwanenhals zu sehen, während das Feuer immer noch stechend in seinem Magen wütet. Doch ihm bleibt keine Zeit weiter darüber nachzudenken, die Sonne und der anbrechende Tag treiben ihn zur Flucht. Schwankend wankt er aus dem Zimmer. Nur gut, dass Moundrell Manor nicht weit weg ist. Eine Fahrt durch die Stadt hätte er nicht überlebt.

Nach einer herrlichen Konserve Blut hat sich Orlandos Magen von dem Schock wieder erholt. Als er das Anwesen betrat, herrschte zu seiner Freude bereits die gewohnte tägliche Ruhe. Man hätte ihm seine Verunsicherung angesehen und das hätte nur weitere Fragen aufgeworfen, derer er in diesem Moment nicht fähig gewesen wäre zu antworten. Er versteht nicht was passiert ist, er versteht die ganze Nacht nicht. Es macht ihm Angst, aber weckt auch seine Neugier. Ihre leuchtenden Augen sind das Letzte, was ihm in den Sinn kommt, bevor er erneut einschläft. Niemals könnte er diese Augen wieder vergessen. Er würde sie erkennen unter Millionen. Smaragdgrün und strahlender als die Sonne, doch so kalt wie Eis.

Schneerose

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