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Mike Chapman
Оглавление‘Wie kann man eigentlich nur so blöd sein?’, fragt sich Mike, als er wütend aus dem Club stürmt. Seit Jahren ist er in Lia verliebt, aber genauso lange weiß er auch, dass sie in ihm nie mehr als den treuen, leicht trotteligen Freund sehen wird und doch macht er sich in seiner nichtsnutzigen Naivität immer wieder Hoffnungen. Sei es nun weil sie ihn bittet, nein fragt, ob er sie in einen Club begleiten wolle. Lia hat einfach kein Interesse an ihm und wer kann ihr das auch schon verübeln? Er weiß selbst, dass er nicht gerade dem Traum schlafloser Nächte entspricht. Aber irgendwie dachte und hoffte er, so gemein es sich auch anhört und so sehr er sich alleine für den Gedanken auch schämt, Lia wäre nicht allzu wählerisch. Er will doch nur eine einzige Chance, um ihr zeigen zu können, dass Männer nicht immer nur das Eine wollen, wie der Idiot Bradley. Er wollte ihr Frühstück ans Bett bringen, mit ihr im Park spazieren gehen, ihr wie ein echter Gentleman einen Kuss auf die Hand hauchen und für sie da sein, wenn sie traurig ist. Er wollte ihr zeigen wie schön Liebe sein kann, aber Lia ist weder an ihm noch an der Liebe selbst interessiert.
„Mike, jetzt warte doch mal!“
Er weiß sofort, dass es nicht Lia ist, die da nach ihm ruft. Ihr zarte, zögerliche Stimme würde er immer wieder erkennen. Doch diese ist fest und selbstbewusst, um nicht zu sagen vorlaut. Lindsay bleibt leicht außer Atem bei ihm stehen.
„Benimmst du dich jetzt auch schon wie Lia?“, will sie gespielt böse wissen, doch ihr Grinsen verrät sie. Mike findet das Ganze jedoch überhaupt nicht witzig.
„Lass mich bloß mit Lia in Ruhe. Für heute ist mein Bedarf gedeckt! Soll sie sich doch weiter von den Typen verarschen lassen!“
Mit schnellen, verärgerten Schritten folgt Mike weiter der Straße in Richtung West Street. Hauptsache weg von der blöden Bar Street und den noch blöderen Feiernden. Lindsays klappernde Absätze begleiten ihn unaufhaltsam.
„Ich will sie jetzt nicht in Schutz nehmen oder so, aber ich finde sie hat sich wirklich eigenartig benommen. Sie hat ja gar nicht mehr auf uns reagiert, so als könnte sie uns gar nicht hören.“
„Ist mir egal“, entgegnet ihr Mike nur. Es ist ihm gerade gleichgültig, was Lia macht oder nicht macht. Sie ist selbst groß genug und er hat keine Lust sich weiter von ihr auf seinen Gefühlen herumtrampeln zu lassen.
„Ach, komm du weißt selbst, dass das nicht stimmt. Vielleicht nimmst sie ja Drogen.“
„Hast du sie welche nehmen sehen?!“
„Nein, das ist es ja gerade. Irgendwie wurde sie erst auf der Tanzfläche komisch, so als wäre sie gar nicht wirklich da.“
„Ist doch klar, sie war zu beschäftigt damit die Kerle anzumachen.“, erwidert Mike erbost mit zusammengebissenen Zähnen.
„Sie hat die Typen doch gar nicht gesehen, sie hatte fast die ganze Zeit die Augen geschlossen. Sie hat sie erst aufgemacht als dieser heiße Typ plötzlich aufgetaucht ist, so als ob sie ihn gespürt hätte. Total abgefahren.“
Böse funkeln Mikes Augen Lindsay entgegen. „Wenn du den so heiß findest, warum bist du dann hier?!“
Erschrocken und verblüfft starrt Lindsay ihn an. Zu sprachlos um etwas darauf zu erwidern, trotzdem begleitet sie ihn zu seinem Zuhause, welches nur wenige Häuser von ihrem eigenen entfernt steht. Die West Street bildet die perfekte Vorort Idylle. Hübsche, gepflegte Vorgärten, rote und weiße Backsteinhäuser mit grünen Fensterläden und dazu passende Veranden. Im Sommer hallt das Geschrei spielender Kinder durch die Straße und samstagvormittags das Geräusch von geschäftigen Rasenmähern. An Halloween zieren Kürbisse die Eingänge und im Winter winken einem selbstgebaute Schneemänner und hübsche Weihnachtsdekoraktionen aus den Fenstern zu. Der Duft eines frisch gebackenen Früchtekuchens dringt aus dem Haus in dem Mike mit seinen Eltern und seinem kleinem Bruder Joshua lebt. Schnee fällt vom Himmel und bleibt eisig auf Lindsays schwarzem Haar liegen. Genießerisch zieht sie den Weihnachtsduft tief in ihre Nase ein.
„Mhmmmm, Fruit-Cake, da bekomme ich direkt Hunger!“
Mike zögert erst und betrachtet Lindsay skeptisch. Obwohl sie sich jetzt schon seit zwei Jahren kennen und nicht weit von einander entfernt wohnen, war Lindsay noch nie alleine bei ihm Zuhause, immer nur in Begleitung von Lia.
„Meine Mutter hat sicher nichts dagegen, wenn wir uns jeder ein Stück nehmen“, gibt er dann nach und lässt sie ins Haus.
Um die anderen nicht zu wecken, schleichen sie leise mit ausgezogenen Schuhen durch den Hausflur in Mikes Zimmer im Keller. Es ist das komplette Gegenteil zu Lindsays ungeordnetem Chaos. Nichts liegt unbeachtet auf dem Boden herum und auch auf seinem Schreibtisch stapeln sich keine losen Blätter. Alles hat seinen Platz. Die Wände des Zimmers zieren keine Poster von aktuellen Bands, sondern einzelne gerahmte Bilder zu Konzertaufführungen oder Stücken wie z.B. „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Nur ein Bild ist anders. Eine große Collage mit Bildern von Lias und Mikes Freundschaft über all die Jahre, die sie sich schon kennen. Es beginnt mit Fotos aus ihrer gemeinsamen Kindheit, auf denen sie Sandkuchen backen, geht über zu verschmierten Eismündern und endet bei einer Schulfeier. Auf nicht einem Bild davon ist Lindsay zu sehen. Nur eines fällt ihr auf, weil sie das Bild selbst Zuhause an der Wand hängen hat. Es entstand wenige Monate nach dem sie auf die Scarborough Grammer School kam und zeigt eigentlich Lindsay, Lia und Mike bei einem Projekt an dem Töpferstand ihrer Schule, doch auf der Collage ist Lindsay aus diesem Bild herausgeschnitten worden. Ein kleiner Kloß setzt sich in ihrem Hals fest, den sie schnell mit einem Stück des noch warmen Kuchens herunterschluckt. St. Marys schlägt gerade zwölf Glockenschläge. Mitternacht.
Unglücklich hat sich Mike auf sein schmales Einzelbett gesetzt und den Kopf in den Händen vergraben. Ein leises Schluchzen lässt seinen Rücken beben. Noch nie zuvor hat Lindsay einen Jungen in ihrem Alter weinen sehen. Alle sind dafür viel zu stolz und eingebildet. Gerade deshalb hat sie sich in Mike verliebt, weil er nicht wie alle anderen ist. Leicht wie eine Feder lässt sie sich neben ihn gleiten und streichelt ihm mit ihren kleinen Händen über den zitternden Rücken.
Überrascht blickt Mike zu ihr auf. Es ist komisch, dass ausgerechnet Lindsay ihn nun tröstet. Denn um ehrlich zu sein, konnte er sie nie leiden. Sie zog vor zwei Jahren aus einer anderen Stadt zu ihnen. Wegen ihrer auffälligen Kleidung galt sie an ihrer Schule direkt bei allen als Freak. Mike selbst hätte sie nie angesprochen, doch Lia mochte sie vom ersten Moment an, als sie sich frech der Klasse vorstellte. Von da an, wurde aus ihrer jahrelangen Partnerschaft plötzlich eine Dreierbeziehung, wobei Lia und Lindsay Mike anfangs manchmal ausschlossen, um Mädchendinge zu machen, wie sie sagten. Bis heute kann er sich nicht erklären was genau sie damit meinen, aber es macht ihn wütend und eifersüchtig auf Lindsay. Er hasst es, wenn sie Lia etwas ins Ohr flüstert und sie dann gemeinsam albern kichern, ohne dass er weiß worum es geht. Er hasst es, wenn sie gemeinsam Kleider einkaufen gehen und er nicht mitdarf. Aber am meisten hasst er es, wenn sie gemeinsam von Jungs schwärmen, egal ob von ihrer Schule oder nur aus dem Fernsehen. Einmal hatte er darauf bestanden sie in „Twilight“ zu begleiten, doch bereits nach den ersten zwanzig Minuten des Films hatte er verärgert das Kino verlassen, weil Lindsay und Lia fortwährend darüber diskutiert hatten, ob nun Taylor Lautner oder Robert Pattinson der schärfere Typ wäre.
Seitdem er Lindsay kennt, war er also immer eifersüchtig auf sie, so überrascht es ihn nun umso mehr, dass ausgerechnet sie ihm jetzt Trost spendet.
„Du hältst mich jetzt sicher für einen Loser, der auch noch flennt wie eine Heulsuse.“, sagt er verlegen und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht.
Lindsay lächelt. „Quatsch! Ich mag Männer, die auch mal Gefühle zeigen können. Die eiskalten Machos finde ich blöd.“
„Ich wünschte Lia würde das auch so sehen.“
„Vielleicht solltest du dich nicht so auf sie versteifen, es gibt auch andere nette Mädchen...“
„...die sich aber alle nicht für einen wie mich interessieren würden.“, fällt ihr Mike deprimiert ins Wort.
„Wer dich nicht will, ist selbst schuld. Die wissen ja gar nicht, was ihnen da entgeht.“
„Ach, das sagst du doch jetzt nur so, um mich aufzuheitern. Ich weiß selbst, dass ich nicht aussehe wie Brad Pitt.“
„Wer will schon Brad Pitt?! Ganz ehrlich, du bist etwas Besonderes und jedes Mädchen, das mit dir zusammen sein darf, sollte sich glücklich schätzen.“
Verunsichert blickt ihr Mike entgegen. Meint sie das ernst? Ausgerechnet Lindsay, die die Liste der „sexiest man alive“ in und auswendig kennt? Ihre Augen blicken ihm offen und ehrlich entgegen, fordern ihn förmlich auf in ihr Herz zu blicken.
„Ich mag dich, Mike, und zwar genau so wie du bist.“
Schüchtern streicht er sich sein wirres Haar aus dem Gesicht und nimmt seine vom Weinen beschlagene Brille von der Nase.
„Und was magst du so an mir?“
Es dauert einen Moment, bevor sie ihm antwortet, doch dann lächelt sie das wärmste Lächeln, welches Mike je von jemandem geschenkt bekommen hat.
„Ich mag es, dass du immer für deine Freunde da bist, auch wenn sie mal Mist bauen. Ich mag, dass du die Menschen so nimmst wie sie sind und dir keine Gedanken um ihr Äußeres machst. Ich mag es, wenn du über Konzerte erzählst, weil deine Augen dann vor Freude strahlen. Ich mag, wenn du mich im Unterricht mit deinem Bein anstößt, um mich daran zu erinnern, dass ich mich beteiligen muss. Ich mag es, wie du mich mit deinen Witzen zum Lachen bringst, wenn ich schlechte Laune hab. Ich mag einfach das Gefühl dich in meiner Nähe zu haben, weil du die besten Seiten in mir zum Vorschein bringst.“
Ihre Wangen glühen zartrosa als sie endet und ihm unsicher entgegen blickt. Nie zuvor hat Mike etwas Schöneres gehört und erst recht nicht hat je jemand etwas so liebes zu ihm gesagt. Er ist wirklich gerührt und fühlt sich Lindsay plötzlich so viel näher als in den ganzen letzten zwei Jahren. Zum ersten Mal hat er das Gefühl sie so zu sehen, wie sie wirklich ist. Es ist ihm ein Rätsel, warum er sie nie leiden konnte, wo sie doch selbst so viel Gutes in ihm sieht. Normalerweise ist Lindsay oft zickig, frech und vorlaut, doch wie sie jetzt neben ihm sitzt, ganz schüchtern und ruhig, erinnert sie ihn ein bisschen an die unsichere Lia. Er braucht sich nur ein winziges Stück vorzubeugen, da kommt ihm Lindsay auch schon entgegen. Ihre Gesichter trennen nur Zentimeter voneinander, als sie sich tief in die Augen blicken. Mike sieht Ehrlichkeit, Vertrauen und Zuneigung. Er fühlt sich sicher und geboren. Als ihre Lippen sanft und zärtlich aufeinander treffen, fühlt es sich richtig an. Beide sind sie ganz vorsichtig, aus Angst den anderen zu überfordern oder zu verschrecken. Keiner will den anderen zu etwas drängen, was er nicht wirklich möchte. Es gäbe jede Menge Gelegenheiten um das Ganze abzubrechen, aber trotzdem geht dann alles ganz schnell. Wie von selbst finden Mikes Hände den Verschluss von Lindsays BH und zum ersten Mal kommt er sich nicht ungeschickt und dumm vor. Ihre sanften Küsse, lassen ihn mutiger werden. Bald liegen sie nackt aufeinander und streicheln den anderen an Stellen, die zuvor noch keiner berührt hat. Es fühlt sich gut an, geliebt zu werden, wenn man sonst von aller Welt immer nur abgewiesen wurde und einen Korb nach dem anderen bekommen hat. Sie geben einander das, wonach sie sich solange gesehnt haben. Als Mike vorsichtig in sie eindringt und sie gemeinsam ihre Unschuld aneinander verlieren, würde er sie durch niemanden ersetzen wollen, nicht mal durch Lia. Ihr erstes Mal dauert nicht lange und es geschieht vollkommen ungeplant und spontan, trotzdem ist es für beide genau richtig. So fühlt es sich auch richtig und selbstverständlich an, als sie eng aneinander geschmiegt einschlafen.
Am nächsten Morgen sieht das alles jedoch etwas anders aus. Als Mike erwacht, hat er sofort das Gefühl einen Fehler begangen zu haben. Lindsay in seinem Arm zu haben, fühlt sich auf der einen Seite schön, aber auf der anderen Seite äußerst unpassend an. Er liebt Lia, seitdem er denken kann, so etwas kann man nicht mit ein paar schönen Worten und einer besonderen Nacht ungeschehen machen. Lindsay ist nett, hübsch und ehrlich. Er sieht sie jetzt mit anderen Augen, aber das ändert nichts daran, dass sie nicht Lia ist. Bestimmt ist auch sie nicht in ihn verliebt, ganz egal, was sie letzte Nacht gesagt hat. Es wäre ja auch nicht so, dass sie ihm ihre Liebe ganz direkt gestanden hätte. Sie hat gesagt, dass sie ihn mag und mögen tut er sie ja auch. Was würde nur Lia dazu sagen, wenn sie ihre beiden besten Freunde so sehen könnte? Würde sie sich verraten fühlen? Wäre sie verletzt? Wäre sie vielleicht sogar eifersüchtig? Bei dem Gedanken an sie, fühlt sich Mike plötzlich schuldig. Ungeschickt versucht er seinen Arm unter Lindsays Kopf hervor zu ziehen, wobei er sie jedoch weckt. Verschlafen blinzelt sie ihm entgegen. Ihr schwarzes Haar ist ganz verwuschelt, selbst die pinke Strähne steht ihr wirr vom Kopf ab. Als sie ihn sieht, lächelt sie jedoch verträumt und haucht ihm einen Kuss auf die Wange als er seinen Kopf von ihr wegdreht.
„Guten Morgen“, flüstert sie mit belegter Stimme und schmiegt ihren Kopf an seine nackte Brust.
Mike räuspert sich, sodass sie ihn neugierig, aber vertrauensvoll anblickt. Vorsichtig schiebt er sie von sich.
„Ich gehe mich mal anziehen“, sagt er und sucht seine Kleider vom Boden zusammen, um damit in seinem Badezimmer zu verschwinden, ohne Lindsay eines weiteren Blickes zu würdigen. Er hofft, dass wenn er wiederkommt, sie vielleicht schon gegangen ist oder sich wenigstens angezogen hat. Viel zu lange lässt er sich im Bad damit Zeit seine Zähne zu putzen, seine Haare zu kämmen und sich Wasser ins Gesicht zu spritzen. Erst als es leise und vorsichtig gegen die geschlossene Tür klopft, horcht er auf.
„Ich muss mal...“, dringt es ihm verunsichert entgegen. Es tut ihm leid, wie er sich benimmt, da er deutlich an Lindsays Stimme hört, dass sie sein Verhalten nervös macht. Als er die Tür aufschließt, steht sie in einem seiner schwarzen T-Shirts mit blanken Füßen vor ihm. Es reicht ihr fast bis zu den Knien. Fragend und beunruhigt blickt sie ihn an.
„Alles okay?“
„Klar, was sollte sein?“, entgegnet Mike ihr viel zu barsch.
Sie zuckt die Schultern. „Ich dachte nur, weil du solange weg warst.“
„Muss ich mich jetzt schon rechtfertigen, wie lange ich auf Toilette gehe?!“
Verletzt schüttelt sie den Kopf. „Nein, es...“
„Musstest du nicht auf Toilette?“
Er tritt aus der Tür und hält sie ihr auf. Er hört wie sie die Luft einzieht und an ihm vorbei ins Bad huscht. Verdammt, warum benimmt er sich nur so blöd? Er will sie doch nicht verletzen, es ist doch nicht ihre Schuld, dass er nicht weiß, was er will.
Als Lindsay wieder herauskommt, klopft es an seiner Zimmertür. Normalerweise tritt seine Familie nach dem ersten Klopfen bereits ein, ohne ein „Herein“ abzuwarten, doch heute nicht.
„Ja?“, meint Mike nur genervt, während Lindsay schüchtern zur Tür blickt.
Mrs. Chapman steckt den Kopf zur Tür herein. Auf ihrem Gesicht liegt ein warmherziges, aber wissendes Lächeln.
„Guten Morgen ihr Zwei. Möchtet ihr gleich mitfrühstücken?“
Ehe Lindsay etwas sagen kann, ruft Mike bereits „Lindsay wollte gerade gehen“. Seine Mutter schaut etwas erstaunt von ihm zu Lindsay, die unbehaglich zu Boden blickt.
„Oh, okay“, sagt seine Mutter und schließt dann wieder die Tür hinter sich. Lindsay rührt sich nicht von der Stelle, wagt es nicht Mike in die Augen zu blicken, während er sich wie der größte Mistkerl aller Zeiten vorkommt.
„Ich denke, es wäre besser wenn du jetzt gehst. Meine Mutter bekommt sonst nur noch etwas in den falschen Hals. Sie bildet sich jetzt eh schon wieder Dinge ein, die so gar nicht sind.“
„Ach ja und was soll das sein?“, will Lindsay wissen und hebt ihm trotzig den Kopf entgegen. Er sieht die Trauer darin, aber auch das Aufblitzen von Wut.
„Na ja du weißt schon. Sie denkt bestimmt wir wären jetzt zusammen. Aber das ist natürlich Blödsinn. Wir wissen doch beide, dass es ein Ausrutscher war. Eine einmalige Sache...stimmt doch, oder?“
Mike versucht cool zu lächeln, was er noch nie konnte und gegen Ende seines Satzes kommt seine Unsicherheit zum Vorschein, doch Lindsay presst nur verletzt und verärgert ihre Lippen feste aufeinander.
„Easy, wenn du das sagst.“ Ihr typisches ‚Easy’ hört sich so falsch und unpassend an, dass es Mike fast den Magen umdreht.
Als sie beginnt ihre Kleider zusammen zu suchen, ohne ihn weiter zu beachten, erkennt Mike, dass er einen Fehler gemacht hat. Er benimmt sich total idiotisch und gemein. Er legt seine Hand tröstend auf Lindsays Schulter, doch sie zuckt wie vom Schlag getroffen vor ihm zurück.
„Spar dir dein falsches Mitgefühl. Ich dachte du wärst anders, aber du bist noch viel schlimmer als alle anderen.“, zischt sie ihm mit feuchten Augen entgegen.
„Es tut mir leid. Ich weiß einfach nicht, was ich denken oder fühlen soll. Wir bleiben doch aber Freunde, oder?“
„Freunde tun einander nicht weh, erinnerst du dich?!“, schleudert sie ihm in Rage entgegen, bevor sie geht, ohne sich auch nur einmal noch nach ihm umzudrehen. Mikes Herz bebt und sticht. Was hat er nur getan? Er hat sich nicht besser wie Bradley benommen, obwohl er gerade diese Typen mehr als verabscheut, doch ist er gerade keinen Deut besser als sie.