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Lindsay Sullivan

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„Drei Vodka Energy“, ruft Lindsay laut mit selbstsicherer Stimme, nur um erneut von der Kellnerin des „Exits“ ignoriert zu werden.

Genervt seufzt sie auf. „Das kann doch nicht wahr sein. Die läuft jetzt schon zum dritten Mal an uns vorbei.“, beschwert sie sich bei Lia, die neben ihr steht. „Versuch du es mal.“

Unsicher zupft Lia am Träger ihres weiten Longtops „Entschuldigung“, bringt sie mit viel zu leiser Stimme für den überfüllten Club hervor, doch wie durch ein Wunder fährt die Kellnerin mit verärgertem Gesicht zu ihr herum.

„Was?“, schleudert sie Lia unfreundlich entgegen, deren Stimme nun auch noch verschüchterte zu zittern beginnt.

„Drei Vodka Engery, bitte.“

Ohne die Mädchen weiter zu beachten, dreht die Kellnerin sich um und knallt ihnen bereits wenige Sekunden später die drei bestellten Getränke auf den Tresen, sodass sie überschwappen. Schnell bezahlen sie und gehen dann gemeinsam zu einer der kleinen Nischen, die Mike für sie freigehalten hat.

„Es ist mir ein Rätsel wie du das immer machst. Deine Stimme war so dünn, dass selbst ich dich kaum gehört habe und ich stand direkt neben dir. Aber trotzdem kommt die blöde Kuh von Kellnerin zu dir, während ich mir minutenlang die Kehle aus dem Hals schreie.“, meint Lindsay und überprüft dabei den Sitz ihrer aufwendigen Hochsteckfrisur in einem kleinen Taschenspiegel.

„Es ist ihre Ausstrahlung. Niemand kann an ihr vorbeigehen, ohne sie zu bemerken.“, entgegnet Mike mit einem verschmitzten Lächeln zu Lia. Sobald sie ihn gefragt hatte, ob er sie und Lindsay in den Club begleiten wolle, war sein Ärger vergessen. Lindsay war erst dagegen, doch jetzt findet sie es gar nicht mal so schlecht. Auch wenn für jeden ersichtlich ist, dass Mike nicht hier her gehört. Er hat sich sogar Gel in die Haare geschmiert, um besonders lässig zu wirken, aber erinnert er in seiner beigen Hose und dem karierten Hemd eher an Einstein, der in die Steckdose gefasst hat als an einen coolen Typen, dem die Frauen hinterher gucken würden. Lindsay gefällt gerade das an ihm. Er ist nicht wie die anderen, sondern immer er selbst. Es macht ihn besonders und irgendwie süß.

Von Lia hingegen können die Männer mal wieder kaum die Augen lassen, wie Lindsay neidisch und ohne jegliches Verständnis dafür feststellen muss. Lia trägt ein weites Shirt, eine unauffällige graue Jeans und schwarze Chucks. Es ist ein Wunder, dass sie in dem Aufzug überhaupt an den Türstehern des „Exit“ vorbei gekommen ist.

Sie selbst hat sich in einen rosafarbenen Petticoat, passend zu ihrer rosa Haarsträhne, geschmissen und betont ihr Dekoltée durch eine schwarze mit Swarovski Steinen verzierte Corsage. Ihre geringe Körpergröße gleicht sie durch hohe Plateaupumps aus, aber trotzdem gleiten die Blicke an ihr vorbei als wäre sie unsichtbar, nur um an der unscheinbaren Lia kleben zu bleiben.

Manchmal fragt sich Lindsay, ob Lia vielleicht schizophren sein könnte. Doch sie weiß, aus bereits ausführlicher Internetrecherche, dass dann die einzelnen Persönlichkeiten nichts von einander wissen dürften und sich auch nicht an die Taten der anderen erinnern. Lia erinnert sich jedoch nur zu genau an ihre nächtlichen, oft im Nachhinein peinlichen Eskapaden. Auch wenn sie immer behauptet, dass es so sei als ob sie es nicht selbst getan hätte, sondern eher als stumme Beobachterin dabei gewesen sei. Lindsay weiß nicht wie viel davon sie ihr glauben soll. Sie mag Lia zwar, aber es nervt sie, dass sie immer auf unschuldig tut, obwohl sie bereits mit mehr Männern geschlafen hat, als der Monat Tage hat. Wenn sie ehrlich ist, haben die anderen Mädchen in der Schule gar nicht so unrecht, wenn sie behaupten, dass Lia eine Schlampe sei.

Besonders die Komplimente, die Mike Lia macht, treiben Lindsay oft zur Weißglut. Stürmisch ergreift sie seine Hand und will ihn nun auf die Tanzfläche ziehen, um ihn endlich mal für sich zu haben, weg von Lia.

„Komm tanze mit mir!“, fordert sie ihn auf und lässt dabei verführerisch ihre Hüften kreisen.

„Nein, ich kann nicht tanzen.“, versucht sich Mike rauszureden, doch davon lässt sie sich nicht beeindrucken.

„Ich bring es dir bei. Komm schon!“

„Nein, ich bleibe hier lieber noch etwas mit Lia stehen. Aber geh ruhig.“, meint er abweisend zu ihr. Wütend formt Lindsay ihre Augen zu winzigen Schlitzen. Mike will sie nur loswerden, um mit Lia alleine zu sein. Wie immer! Aber das kann er vergessen. Wenn er sich schon weigert mit ihr zu tanzen, dann soll er wenigstens auch kein Plauderstündchen mit Lia veranstalten können. Das würde ihm gerade so passen. Sie wäre aus dem Weg und er hätte freie Bahn, doch da schneidet er sich gewaltig,

„Gut dann eben nicht“, entgegnet sie schnippisch und greift stattdessen nach Lias Hand. „So, du kannst dich nicht rausreden, denn ich weiß, dass du tanzen kannst.“, sagt sie und zieht Lia gegen ihren Willen hinter sich her auf die Tanzfläche.

Lindsay hüpft munter auf und ab. Ihr knapper Petticoat dreht sich um sie wie ein Karussell, sodass ihr schwarzes Höschen hervorblitzt und ihre kurzen, aber schlanken Beine zeigt.

Lia hingegen tappt nur schüchtern und mit gesenktem Blick von einem auf den anderen Fuß. Sie fühlt sich offensichtlich unwohl in ihrer Haut und scheint sich vor den Blicken der fremden Menschen verstecken zu wollen.

„Also ich weiß echt nicht wie du immer die ganzen Typen kennen lernst. Du siehst ja nicht schlecht aus, aber du kleidest und benimmst dich schlimmer als jedes Mauerblümchen.“, zieht Lindsay sie grinsend auf. Um ehrlich zu sein beneidet sie Lia sogar für ihre tolle Figur. Sie ist groß, ohne dabei wie ein Riese zu wirken, und schlank, jedoch mit schönen Rundungen an der Brust und am Po. So wie es Männer gerne mögen. Ihr Gesicht gleicht einer Porzellanpuppe und wenn es ihr gut geht, glänzen ihre Haare so schön wie Seide. Doch macht Lia das alles selbst kaputt in dem sie immer ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter zieht und sich in Kleidern versteckt, die wie ein Sack Kartoffeln an ihr herunterhängen.

Lia erwidert ihre Bemerkung jedoch nur mit einem kurzen Lächeln und einem verunsicherten Griff an ihren schwarzen Perlenohrring im linken Ohr, ihre typische Handbewegung bei Nervosität. Danach lässt sie ihren Blick heimlich über die volle Tanzfläche gleiten, so als würde sie nach jemandem suchen.

Zuletzt hat sie Lindsay erzählt, dass sie den Typ von neulich, gestern Nacht auf einem Baum vor ihrem Fenster hätte sitzen sehen. Total bekloppt! Entweder hat der Typ sie nicht mehr alle und ist ein Spanner oder Lia sieht mittlerweile schon Gespenster. Welcher halbwegs normale Typ klettert schon auf Bäume?! Manchmal macht sie sich ernsthaft Sorgen und hat das Gefühl, dass ihre Freundin so langsam aber sicher den Verstand verliert.

Wenigstens fängt Lia endlich an sich der Vibration des Bodens anzupassen. Ihre Bewegungen werden gleitender und eleganter. Sie schließt die Augen und bewegt sich im Rhythmus der Musik. Erst schüchtern und zaghaft, doch dann immer ausgelassener und wilder.

Lindsay erkennt sie dabei kaum wieder, sie lebt richtig auf und stiehlt allen, ihr eingeschlossen, die Show. In einem Kreis schließen sich die Clubbesucher um Lia zusammen, während diese ihren Körper wie eine Bauchtänzerin in schlängelnden Bewegungen sexy auf und ab gleiten lässt, dabei behält sie die Augen jedoch unentwegt geschlossen. Selbst ihr unscheinbares Outfit wirkt nun verführerisch als der Träger ihres Tops von ihrer Schulter rutscht und so Einblick in ihr Dekoltée und ihren schlanken Rücken bietet. Schweiß bildet sich auf ihrer makellosen Schneewittchenhaut und lässt sie im Discolicht schimmern. Was ist nur mit ihr los? Fast scheint es Lindsay als hätte Lia ganz vergessen wo sie ist und befände sich mal wieder in ihrer eigenen, kleinen, unnahbaren Welt.

Als dann auch noch fremde Männer beginnen sich an Lia wie Rüden an einer läufigen Hündin zu reiben, wird es Lindsay eindeutig zu bunt. Sie steuert auf ihre Freundin zu und reißt sie mit einer energischen Handbewegung von den johlenden Typen los. Das darf doch nicht wahr sein! Lia scheint sich nicht mal an ihrem aufdringlichen Verhalten zu stören, sondern die Männer genauso wenig wahrzunehmen wie Lindsay.

Eine heftige Ohrfeige knallt auf Lias gerötete Wange und ruft sie in die Realität zurück. Verstört öffnet sie die Augen und verschlägt damit Lindsay die Sprache. Geschockt klappt ihr der Mund auf. Lias Augen strahlen ihr unnatürlich wie glühende Smaragde entgegen. Viel zu stark und viel zu leuchtend. Fast als hätte sie Kontaktlinsen mit UV-Licht eingelegt oder wäre von einer Entführung Außerirdischer zurückgekehrt. Sieht das denn sonst niemand?!

Mike ist an ihre Seite getreten und auf seinem Gesicht zeichnet sich derselbe ungläubige und verständnislose Ausdruck ab.

„Was ist denn nur mit dir los?“

Ihre Freundin sieht und hört sie zwar, aber scheint vollkommen vergessen zu haben, wer sie sind oder was für eine Sprache sie überhaupt sprechen.

„Ist alles okay, Lia? Du siehst verändert aus. Deine Augen wirken ganz abwesend. Liandra? Hörst du mir zu?“

Lias Herz rast förmlich. Lindsay kann es durch das umschlossene Handgelenk spüren und langsam bekommt sie es wirklich mit der Angst zu tun. Das ist doch nicht mehr normal. Vielleicht hat die dumme Kellnerin ihr Drogen ins Glas getan oder einer von den Idioten hat ihr K.O.-Tropfen verabreicht.

Mikes Hände legen sich um Lias Gesicht, doch diese fährt wie vom Blitz getroffen herum. Hinter ihr baut sich ein Mann auf, für den Lindsay jegliche Worte fehlen. Er ist groß, muskulös und seine Augen strahlen eisblau aus seinem blassen Gesicht, das von eleganten schwarzen Wellen eingerahmt wird. Er trägt ein dunkles Hemd, das bis zu seinem Bauchnabel offen steht und so einen tiefen Einblick auf seinen Waschbrettbauch liefert. Wie ein männliches Model oder der Schauspieler eines Hollywoodstreifens, geradewegs dem Fernseher entstiegen. Das muss er sein: der Stalker.

„Ist er das?“, will Lindsay neugierig wissen und folgt mit großen Augen Lias starrem Blick.

Mike hingegen ergreift wütend, aber vor allem in Sorge Lias Handgelenk und reißt sie zu sich herum. „Verdammt Lia! Hast du irgendwelche Drogen genommen? Jetzt red doch mal mit mir!“

Die Verzweiflung in Mikes Stimme hört nur Lindsay, denn Lia erreichen seine Worte nicht mehr. Sie hat nur noch Augen für den Fremden, der ihr lässig seine Hand entgegen streckt. Er scheint die anderen Clubbesucher genauso wenig wahrzunehmen wie Lia. Wie magnetisch angezogen, reißt sich Lia von Mike los und lässt sich in die Arme des Schönlings gleiten. Ihre Lippen treffen perfekt aufeinander und verschließen sich zu einem filmreifen Kuss.

Mit offenem Mund begafft Lindsay die Szene und kann ihnen nur hinterher blicken, als sie Arm in Arm das „Exit“ verlassen, ohne dass Lia ihre Freunde auch nur noch eines Blickes würdigt. Sie scheint sie vollkommen vergessen zu haben. Aber auch Mike saust wütend und verletzt aus dem Club. Vielleicht ist das die Chance, auf die Lindsay so lange schon gewartet hat und so rennt sie ihm eilig hinterher. Am Ausgang stößt sie vor lauter Hektik mit einem komplett in schwarz gekleideten Mädchen zusammen.

„Kannst du nicht aufpassen?!“, knurrt die Fremde aufgebracht und schupst Lindsay grob zur Seite.

„Pass doch selber auf!“, faucht Lindsay entrüstet zurück und erkennt das Mädchen. Sie ist aus Lias Klasse und heißt soweit sie sich richtig erinnert Tru. Diese lässt Lindsay jedoch links liegen und stürzt aus dem Club. Genau wie Lia und der Modeltyp biegt sie eilig links ab, fast als würde sie die beiden verfolgen.

Schneerose

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