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Aufbruch - 24. März 2012: Hamburg Flughafen

14,5 Kilo zeigt das Display am Tresen der freundlich lächelnden Lufthansamitarbeiterin an. Kommentarlos befestigt sie eine Klebebanderole an meinem roten Rucksack. Mir stockt der Atem. Wie soll ich denn das Gewicht einen Monat lang auf meinen Rücken tragen? In meinem Reiseführer steht, dass der Rucksack maximal fünfzehn Prozent des eigenen Körpergewichtes wiegen sollte. Das sind bei mir zehn Kilo.

Eine Personenwaage besitze ich nicht. Vergangene Woche habe ich zu Hause alle einzelnen Stücke mit meiner Küchenwaage ausgewogen. Der Schlafsack wiegt siebenhundertdreißig Gramm, der Wanderhut sechzig Gramm, die dringend empfohlene viertel Rolle Toilettenpapier vierzig Gramm, die drei Unterhosen je sechsundzwanzig Gramm. Alles in allem ergibt das sechs Kilo. Zusätzlich habe ich am Abend vorher noch eine Taschenlampe, einen Föhn, eine Wärmflasche und zwei Bücher eingesteckt. Wiegen die so viel? Oder habe ich mich beim Addieren der Werte vertan? Es sind fast fünf Kilo Übergepäck!

Wie werde ich die wieder los? Überflüssiges auspacken - sobald ich auf dem Jakobsweg bin! Die Wärmflasche brauche ich vielleicht nicht, mit einer Unterhose weniger komme ich auch aus, und vom Föhn hat mir meine Freundin eh abgeraten.

Andererseits hasse ich es, mit ungewaschenen Haaren herumzulaufen. Die Vorstellung, in einer ungeheizten Herberge nachts vor Kälte nicht schlafen zu können, lässt mich erschaudern. Föhn und Wärmflasche sollen bei mir bleiben! Leider schmerzt auch mein rechter Fuß - wenn ich recht überlege schon seit dem Weg zum Flughafen. Ich habe zu viel Gepäck und Kummer.

„Verlier nicht den Mut“, mein Freund Thomas umarmt mich, „und komm zur Ruhe.“

Mir stehen beim Abschied die Tränen in den Augen. Doch es ist gut, dass ich mich jetzt auf den Weg mache.

In den letzten Wochen hat mein Herz gerast, sobald ich das Großraumbüro betreten habe. Ich mag gar nicht mehr daran denken. Beim Essen an meinem Küchentisch habe ich Abend für Abend Hape Kerkelings Hörbuch „Ich bin dann mal weg“ gehört. Schließlich habe ich mich in meiner Firma auf eine andere Stelle beworben, obwohl ich in diese Abteilung erst vor sechs Monaten gewechselt bin. Die Entscheidung über meine Versetzung steht noch aus. In den folgenden Tagen habe ich nach einer Ausrüstungsliste für den Jakobsweg gegoogelt und mir als erstes ein Paar Wanderstiefel gekauft. Nach und nach habe ich alle weiteren Ausrüstungsgegenstände erstanden und fünf Wochen Urlaub eingereicht.

Ich bin auf unbestimmte Zeit erst mal fort, auf der Suche nach einem neuen Leben. Wie das funktionieren soll, ist mir selber noch nicht klar. Auf jeden Fall will ich Thomas regelmäßig schreiben.

Die erste Postkarte schicke ich ihm schon von der Zwischenlandung in Frankfurt.

Um halb elf lande ich schließlich in Bilbao. Der Pilot wünscht einen schönen Sonntag und „Viel Erfolg am Montag bei allem was Sie vorhaben“. Lächelnd falte ich den ungelesenen Teil der Zeitung zusammen.

Glücklicherweise steht ein Shuttlebus vor dem Terminalausgang, der mich ohne Wartezeit zu meinem übers Internet gebuchten Hotel fährt. Nach dem Einchecken gehe ich sofort ins Bett. Jetzt bin ich schon in Spanien, denke ich, fühle mich im dem Vier-Sterne-Hotel aber eher wie auf einer der Dienstreisen, die ich in den letzten Jahren unternommen habe.

Laufet, so werdet ihr finden

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