Читать книгу Lustvolle Qualen - Melanie Weber-Tilse - Страница 6

Joyce

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Diese Nacht war noch weniger an Schlaf zu denken gewesen als die Vorherige. Unruhig hatte sie sich in den Laken herumgewälzt, und kaum den nächsten Morgen abwarten können.

Noch bevor der Wecker klingelte, sprang sie aus dem Bett und huschte in die Dusche. Die Bilder von gestern Abend blitzten auf und sie schob sie rigoros zur Seite. Dafür hatte sie jetzt einfach keine Zeit. Sie schlüpfte in den rosafarbenen Slip und den passenden Spitzen-BH, der Bleistiftrock, der kurz über den Knien endete, und die Bluse lagen wie eine zweite Haut an.

Wie jeden Tag, den sie im Büro verbrachte, bürstete sie die langen braunen Haare durch, bis sie ganz glatt waren und sich mühelos in eine straffe Hochsteckfrisur zusammenfassen ließen.

Auf Make-up konnte sie getrost verzichten. Seit sie hier wohnte, war der einstige Sonnenbrand einem schönen Goldton gewichen. Ein wenig Rouge, Wimperntusche und Lipgloss waren alles, was sie benutzte.

In der winzigen Küche drückte sie den Startknopf ihrer Padmaschine und ließ die schwarze Flüssigkeit in ihren Becher laufen, den sie auf den Weg zur Arbeit mitnehmen würde.

Die Hitze des vorigen Tages war nicht gewichen, die Nacht hatte keinerlei Abkühlung gebracht und der Blick vom Balkon in den wolkenlosen Himmel kündigte einen ebenso heißen Tag an, wie die vorangegangenen es waren.

Wie hatte sie sich nur überreden lassen können, hierher zu ziehen? Sie kam eigentlich aus dem kleinen beschaulichen Städtchen Leeds in North Dakota. Dort war das Klima auszuhalten, auch wenn der Sommer heiß war. Allerdings herrschte dort nicht so ein tropisch feuchtes Klima wie hier in Florida.

Angepasst an das Klima ihres Heimatortes hatte sie sich von ihren Eltern überreden lassen, den schnöden Beruf der Buchhaltung zu erlernen. Ihr Vater war Buchhalter und ihre Mutter auch. Dabei hatte sie etwas ganz anderes machen wollen.

Ihre beste Freundin hatte das gleiche Schicksal ereilt und doch war diese schnell dem kleinen Heimatort entflohen. Sie war nach Sanderson gegangen und hatte in der Firma, wo auch Joyce jetzt arbeitete, eine Stelle bekommen. Jahre hatte ihr Sarah immer wieder in den Ohren gelegen, endlich auch hierherzuziehen. Als Joyce alte Firma dann zu machte, hatte sie schnell dem Betteln ihrer Freundin nachgegeben.

Nun arbeitete sie in dem staubtrockenen Beruf in einer Affenhitze. Auch wenn sie den Sommer liebte, so war diese Schwüle in ihrem verdammten Job-Outfit kaum zu ertragen.

Nachdem der Kaffee durchgelaufen war, gab sie einen Schuss Milch hinein und drehte den Deckel zu. Heute war sie noch vor den ersten Sonnenstrahlen auf der Straße und ihre kleine Tasche baumelte über ihre Schulter, während sie den Bürgersteig zur nächsten Bushaltestelle lief. Das dämmrige Licht der bald aufgehenden Sonne hüllte die Straßen in diffuses Licht und Joyce genoss die Stille, die noch herrschte.

Der Bus hielt mit quietschenden Reifen und mit einem Zischen öffneten sich die Türen.

»Guten Morgen Joyce, heute so früh?«

Sie lächelte Jeremy an, mit dem sie schnell ins Gespräch gekommen war, als sie nicht genügend Geld für ein Ticket gehabt hatte. Der gutmütige ältere Mann hatte ein Auge zugedrückt und seither unterhielten sie sich immer wieder kurz, wenn sie einstieg.

»Bei der Hitze kann man einfach nicht schlafen, Jeremy. Da ist es im klimatisierten Büro weitaus angenehmer. Und hier im Bus sowieso.«

»Dann mal rein mit dir, Mädchen, damit die Hitze aus meinem kühlen Bus bleibt«, jagte er sie auf ihren Platz.

Sie ließ sich in den Sitz fallen und schaute während der Fahrt verträumt aus dem Fenster. Es war eine Umstellung gewesen, dass man hier während der Fahrt nicht mit dem Busfahrer reden durfte, so blieb ihr wirklich nur der kurze Smalltalk beim Ein- und Aussteigen.

Nur wenige Menschen stiegen um 6 Uhr früh in den Bus und so hatte sie die Sitzreihe ganz für sich und musste nicht neben irgendeinem schwitzenden Menschen sitzen.

Eine halbe Stunde später stieg sie an ihrer Haltestelle aus und winkte Jeremy zum Abschied. Die 2 Minuten Fußweg trieben ihr wieder den Schweiß aus den Poren, und als sie das kühle Bürogebäude betrat, klebten ihr einige kleine Locken im Nacken, die sich aus der Frisur gelöst hatten.

Auch im Büro waren nur wenige Angestellte, sodass sie schon einiges aufarbeiten konnte, bevor der große Andrang begann und ihre Kollegen eintrudelten.

Sie hörte schon an den hektischen und schnellen Schritten, dass Sarah das Großraumbüro betrat. Wie jeden Morgen kam sie auf den letzten Drücker und der erste Weg führte sie in die kleine Büroküche, um dort ihren täglichen Koffeinkick zu bekommen.

Joyce schüttelte schmunzelnd den Kopf. Sarah war einfach zu berechenbar und schaffte es nicht, sich morgens einen Kaffee fertigzumachen.

Sie konzentrierte sich wieder auf die öden Zahlen auf ihrem Computer und blendete die anderen Kollegen aus, die mittlerweile alle auf ihren Plätzen saßen. Und doch bekam sie mit, wie sich Sarah auf ihren Stuhl schmiss und dann sofort zu ihr herüberrollte.

»Erzähl mir alles!«

»Hm? «, Joyce ließ sich nicht ablenken und hörte Sarah neben sich schnauben.

»Du sollst mir jedes schmutzige Detail erzählen.«

Jetzt hatte Sarah ihre volle Aufmerksamkeit. »Nicht so laut, es muss doch nicht jeder hier mitbekommen, Sarah.«

»Dann hör auf, mich zu ignorieren. Du weißt doch genau, wie neugierig ich bin«, kicherte diese.

Seufzend lehnte sich Joyce in ihrem Stuhl zurück und wandte sich ihrer besten Freundin zu. »Es gibt nichts zu erzählen.«

»Hat er nicht mehr geschrieben«, flüsterte Sarah aufgebracht.

»Doch, allerdings hat mein Laptop entschieden, dass es nun Zeit sei, den Freitod zu wählen.« Joyce wollte sich gerade wieder ihrem PC zuwenden, doch für Sarah war das Thema noch lange nicht vorbei.

»Du hast doch ein Handy!«

»Das ist einen Tag vorher im Putzeimer ertrunken«, nuschelte sie jetzt.

»Nein!«

»Doch!«

»Was ein Mist!«

»Was haben denn meine zwei Lieblingskolleginnen zu tuscheln?«, erklang eine Stimme von hinten.

Joyce stellten sich die feinen Nackenhaare auf. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass sich der schleimige Patrick wieder von hinten näherte. Entschlossen rollte sie mit ihrem Bürostuhl zurück. Wie sie gehofft hatte, traf sie auf einen Widerstand und ein lautes Fluchen war zu hören. Das Kichern von Sarah ließ sie kurz die Augen verdrehen, dann schaute sie mit kaltem Blick zu ihrem Kollegen auf, der das Gesicht schmerzlich verzogen hatte.

»Kannst du nicht aufpassen?« , fuhr er sie an.

»Was schleichst du dich auch von hinten an und meinst, unsere Gespräche belauschen zu müssen?« Joyce konnte den Mann nicht ausstehen und zeigte nur allzu deutlich ihre Abneigung.

»Das wirst du mir bü…« setzte er an, wurde aber von ihren Vorgesetzten Mr. Quinn unterbrochen.

»Gibt es ein Problem, Mr. Fletcher?«

»Nein, natürlich nicht«, stammelte Patrick mit hochrotem Kopf und warf Joyce noch einen giftigen Blick zu, bevor er ging.

»Alles in Ordnung, Ms. Newman?«, dabei schaute er aber nicht Joyce, sondern Sarah an.

Oh ja, der heiße Mr. Quinn stand total auf Sarah. Das konnte sogar ein Blinder erkennen.

»Ja, natürlich, Mr. Quinn.«

Eigentlich erwartete er gar keine Antwort von ihr und verschwand mit einem Seitenblick auf Sarah in sein Büro.

Joyce drehte sich zu Sarah und musste sich das Lachen verkneifen. Mit verträumtem Blick sah sie dem Abteilungsleiter hinterher.

»Du hast da was.«

Diesmal war es Sarah, die nur mit einem »Hm?«, antwortete.

»Ich bin mir sicher, das ist Sabber.«

»Was …? Du bist echt doof. Aber so schnell lasse ich dich nicht vom Haken. Nach Feierabend werden wir ein neues Handy kaufen und danach lade ich dich auf einen Shake ein.«

Joyce zog sich wieder an den Schreibtisch heran und konnte das aufkommende Kribbeln nicht unterdrücken. Wenn sie wieder ein Handy hatte, konnte sie endlich Sams Nachricht lesen.

»Es ist das neueste Modell und hat alles, was Sie brauchen: mehrfarbige Status-LED, microSD-Slot, herausnehmbarer Akku, WLAN-ac, LTE Cat4, mhl 2.1, USB on the go, ein Fingerprint-Sensor und den Schutzstandard IP67.«

Joyce blickte verwirrt vom Verkäufer zu ihrer Freundin. Diese strahlte und hielt beide Daumen nach oben. Anscheinend hatte Sarah der Ausführung folgen können, sie dagegen war mittendrin ausgestiegen. Da der Verkäufer sie anstarrte, erwartete er wohl eine Antwort von ihr.

»Das hört sich alles gut an. Ich brauche ein Handy, was ins Internet kann und günstig ist. Keine Spielereien oder übertriebene Technik.«

Die verständnislosen Blicke der beiden ignorierte sie und starrte nun ihrerseits den Verkäufer an. Sein Blick dagegen wurde mitleidig und schließlich zog er ein Handy hervor, was vom Preisschild her genau in ihr Budget passte. Sie gab ihm ihre Kreditkarte und fast schon, als ob er Schmerzen hatte, zog er die Plastikkarte durch das Lesegerät.

Die Frauen traten wieder raus in die Hitze und Joyce presste die Tüte fest an sich. Endlich konnte sie mit Sam wieder in Kontakt treten.

Sarah zerrte sie zu ihrem Lieblingscafé, und als sie unter einem großen Schirm Platz nahmen, kam sogleich der Kellner und nahm ihre Bestellung auf.

Nachdem dieser verschwunden war, schaute Sarah sie ernst an. »Und nun erzähl.«

»Was soll ich denn erzählen, Sarah? Ich hab dir bisher doch alles berichtet, wenn wir uns geschrieben haben.«

»Hältst du mich für blöd? Hast du dich heute einmal beobachtet? Du bist kaum wiederzuerkennen, nur weil du ihm nicht schreiben kannst.« Sarah schaute sie aufmerksam an.

Joyce rutschte nun nervös auf ihrem Stuhl hin und her. »Er hat Aufgaben für mich«, nuschelte sie, sodass Sarah sie erst einmal verständnislos anschaute, bis sie verstanden hatte, was ihre Freundin gerade gesagt hatte.

Sie lehnte sich weit über den Tisch, riss dem Kellner, der gerade dazu trat die Milchshakes aus der Hand und schaute sie dann mit einem süffisanten Lächeln an. »Du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du auf solche Spielchen stehst? Du, das Mauerblümchen? Da hat ja der Papst mehr Ahnung davon als du!«

Joyce keuchte auf. »Sag mal, geht’s noch? Was bitteschön, soll das denn jetzt? Du bist echt …«

Sarah lachte laut auf, wurde dann aber schnell wieder ernst. »Das war ein Scherz. Aber wie ich sehe, findest du das nicht lustig.« Sie rutschte mit dem Stuhl näher an sie heran. »Und jetzt möchte ich jedes verdammte Detail wissen!«

Das Handy lag neben ihr auf dem Bett und das rote Licht zeigte an, dass es am Aufladen war. Freudig öffnete sie die Abdeckung, um ihre SIM-Karte einzusetzen, nur um dann ungläubig die Augen aufzureißen. Nie und nimmer würde diese Größe in das kleine Fach passen. Warum hatte der bescheuerte Verkäufer nicht gesagt, dass dort Micro-Karten hineingehörten … die sie nicht hatte.

Enttäuscht ließ sie den Kopf sinken und schrie ihre Wut in das Kissen hinein.

Lustvolle Qualen

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