Читать книгу Lustvolle Qualen - Melanie Weber-Tilse - Страница 7

Sam

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Sein Morgen begann gegen halb Elf. Eigentlich hatte er trotz einer Nachtschicht vorgehabt, wie gewohnt um 6:30 Uhr aufzustehen und fünf Meilen zu laufen, aber er fühlte sich dann doch nicht danach. Bis 4 Uhr nachts hatte er an der Korrektur der Klausuren gesessen, doch fühlte er sich immer wieder genötigt auf sein Handy zu schauen, ob sie geantwortet hatte.

Das kannte er so nicht von ihr. Sie war fast pünktlich wie ein Uhrwerk. Jeden Abend gegen 10 Uhr hatte er ihre Antwort im Postkasten.

Er müsste lügen, wenn er behaupten würde, dass ihn das nicht irritierte und so zog sich das Korrigieren doch länger hin als erwartet, und seine Motivation sich danach mit nur zwei Stunden Schlaf in den Knochen aus dem Bett zu quälen, war weniger als null.

Was solls‹, dachte er, ›ich hab erst um 12 Sprechstunde‹ und so drehte er sich nochmal im Bett um.

Als er dann endlich aus dem Bett raus war, wurde erst mal die Anlage ordentlich aufgedreht und mit Type O Negative ging es unter die Dusche. October Rust - ja damit ließen sich wirklich die letzten Fetzen der Müdigkeit vertreiben und erlaubten ihm einen entspannten Start in den Tag.

Ein schneller Blick auf sein Handy verriet ihm ... nichts. Sie hatte immer noch nicht geantwortet. Zwölf Stunden Verspätung, was war da nur los? Seufzend schaute er auf die Uhr. Er hatte keine Zeit sich nun darum zu kümmern, wenn er nicht zu spät zu seiner Sprechstunde kommen wollte.

Die Mittagshitze kündigte sich schon an, und so zog er sich nur eine dünne Armeehose und ein olivfarbenes T-Shirt an. ›Scheiß drauf, was der Dekan sagt‹. Bei dem Wetter würde er nicht die ganze Zeit in einem Anzug rum laufen, und in seiner eigenen Suppe kochen!

So ging es mit seiner Maschine Richtung Campus und er genoss den lauen Fahrtwind. Ja, diese Gegend hatte schon was, man musste sich nur drauf einlassen. Eigentlich hatte er überlegt, wieder für ein halbes Jahr in den aktiven Dienst zu gehen, aber dann war sie passiert.

Wie hatte sich dieses unschuldige Ding nur auf so eine Seite verirren können? Sicher, ihre Fantasie war der Hammer, aber ausgelebt hatte sie noch nichts und sollte es so weit kommen und er würde sich nicht ganz dämlich anstellen, wäre er der Erste, mit dem sie das alles erleben würde.

Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, ohne dass er es merkte. Ja, diese Wirkung hatte sie in den letzten Wochen öfter auf ihn gehabt.

Doch das brachte ihn wieder zu dem Gedanken, dass sie mit ihrer Antwort nun seit mehr als 12 Stunden überfällig war. Und schon verfinsterte sich seine Miene deutlich vor Sorge. Was war da nur los?

Wenn er nur wüsste, wo sie wohnte oder wenigstens ihre Telefonnummer hätte, aber nein, die Seite war in dem Punkt echt gut ausgestattet. Es gab voice to voice Chats, oder auch Face to Face, ebenso konnte man die E-Mails und Anrufe auf sein Handy umleiten, und so war es nicht nötig, irgendetwas über sich preiszugeben, was die persönliche Identität offenbarte, es sei denn, man wünschte es.

Doch wollte er nun versuchen sie zu erreichen, ohne das Netzwerk zu benutzen - no way - er musste sich einfach gedulden.

Die Sprechstunde war wie erwartet sehr voll gewesen. Reichlich Studieninteressierte drängten einer nach dem anderen in sein kleines Büro. Nachdem er fünf Mal haargenau dieselben Fragen beantwortet hatte, reichte es ihm. Kurzerhand verließ er sein Büro und befahl allen Wartenden, ihm zu folgen. Er requirierte einen leeren Hörsaal und forderte alle auf Platz zu nehmen und per Handzeichen anzuzeigen, wenn sie eine Frage hatten. Das war definitiv effizienter und es sparte Nerven.

So wurde flux aus seiner Sprechstunde eine Studienberatungsveranstaltung. Nachdem er konsequent auch die dämlichste Frage ruhig und sachlich beantwortet hatte, entließ er alle, hängte noch die Ergebnisse der Klausur am Schwarzen Brett auf und war gerade dabei, das Gebäude zu verlassen, als er hinter sich die Stimme des Dekans vernahm »Ähm ... Mr. Mouraux?... Ähm ... hätten Sie vielleicht eine Minute für mich?«

Langsam drehte Sam sich um, blickte auf Paul Fintcher hinab und auf dessen kleine, quadratisch, praktisch, gute Gestalt. Manchmal war es wirklich von Vorteil, etwas höher hinaufgeschossen zu sein, aber der Größenunterschied zwischen ihm und dem Dekan waren annähernd dreißig Zentimeter.

»Auch zwei, Sir, was kann ich für Sie tun?«, fragte er mit einer Ruhe, welche ihn selbst überraschte, denn so langsam hielt er es nicht mehr aus. Sie hatte sich immer noch nicht gemeldet und so wollte er sich gerade auf den Weg machen, Peter zu besuchen und ihn zu fragen, ob er vielleicht weiter helfen könnte.

»Nun Mr. Mouraux, zum einen wollte ich fragen, ob Ihre Anzüge in der Reinigung sind, da ...«

Mit einer knappen Geste schnitt Sam dem Leiter seines Institutes das Wort ab. »Paul, ich weiß ja nicht, ob Sie in den letzten Tagen mal draußen waren, aber wir haben seit über zwei Wochen an die 40 Grad. In Anbetracht dessen, dass das Semester offiziell beendet ist, werde ich nicht weiter in Anzügen hier rum laufen und mich tot schwitzen. Also haben Sie nun genau zwei Möglichkeiten: Entweder Sie feuern mich oder akzeptieren meine Kleidung. Die Entscheidung überlasse ich Ihnen. War dies das Einzige, was Sie auf dem Herzen haben, oder kann ich Ihnen sonst irgendwie behilflich sein?«

Sichtlich aus der Fassung gebracht brauchte sein Gegenüber ein paar Minuten, um sich wieder zu fangen, ehe er verlegen antwortete. »Ähm ... ja nun ... Äh ... ja, wie dem auch sei, ich wollte Sie ... Äh ... eigentlich fragen ob Sie vielleicht ... Ähm die Einführungsveranstaltung in die Grundlagen der Medizin ... ob Sie die vielleicht im kommenden Semester übernehmen könnten?«

So viel zur Bekleidung‹, dachte sich Sam, und mit einem schelmischen Grinsen antwortete er, »unter einer Bedingung Paul, Sie gestatten mir in Zukunft, dass ich auf Anzüge verzichten kann, okay? Was sagen Sie, Sir? Sind wir uns einig?«

Zur Besiegelung dieser Übereinkunft wurde sich feierlich die Hände geschüttelt und beide gingen mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ihrer Wege.

Aber nun wollte er nichts weiter als zu Peter und so schwang er sich auf seine Maschine.

Peter lebte in einem kleinen Strandhaus und man könnte ihn fast um die Lage beneiden, doch hatte Peter nichts davon. Denn er war alles, aber niemand der gern am Strand spazieren ging oder baden oder surfen. Er war ein Nerd durch und durch. Ein echter Sheldon Cooper. Nun ja, vielleicht nicht so sozial inkompetent, aber es ging definitiv in die Richtung.

Trotzdem war Peter das, was für ihn einem besten Freund am nächsten kam. Sie hatten sich ein Zimmer am College geteilt. Sam der Germanist und Peter der Informatiker. Peter hatte Sam alles über Technik beigebracht, was dieser wusste, und Sam hatte dafür gesorgt, dass Peter zum einen von den ganzen Wichtigtuern in Ruhe gelassen wurde, und, was noch wichtiger war, dass Peter auch ein Sozialleben entwickelte.

Für ein paar Jahre trennten sich ihre Wege dann. Während Sam in der Army Medizin studierte, wechselte Peter ans MIT und machte dort seinen Master in Informatik und Telekommunikationstechnologien, nur um danach für diverse Firmen zu arbeiten, ehe er sich, wie er sagte, zur Ruhe setzte.

Wobei Sam sehr stark den Verdacht hatte, dass Peter sehr wohl noch aktiv war. Auch wenn er mit dem militärischen Abschirmdienst oder anderen Organisationen nie wirklich etwas zu tun hatte, erkannte er doch, wenn jemand Drill hinter sich hatte.

Aber solange Peter nichts von selbst erzählte, würde Sam ganz gewiss nicht daran rütteln. Er war einfach froh, Peter seit zwei Jahren wieder in seinem Leben zu haben. Und als es ihn nach Sanderson zog, dauerte es keinen Monat und Peter folgte ihm.

So klopfte er nun an der Tür des Strandhauses, und wie nicht anders zu erwarten, ertönte im inneren nur ein: »Komm rein Sam die Tür ist offen ... und bring ein Bier aus dem Kühlschrank mit, wenn du schon dran vorbei gehst.«

Lachend kam Sam der Aufforderung nach, trat ein, machte den kleinen Umweg über die Küche, um für sie beide ein kühles Bud aus dem Kühlschrank zu holen, ehe er in Peters Allerheiligstes eindrang.

Ein Büro, bis obenhin zugestopft mit irgendwelchen elektronischen Geräten, Computern, Monitoren und, und, und, .... und mittendrin der hochgewachsene und schlaksige Peter, das dunkelblonde Haar zu einem Zopf zusammengebunden, und wie üblich immer noch so blass, als würde er nie das Haus verlassen. Was er wahrscheinlich auch nie tat.

»Na, was kann ich heute für dich tun, mein Freund?«, kam Peter sofort zum Punkt.

»Bin ich so berechenbar Peter?«, fragte Sam ein wenig verlegen.

»Jepp, denn nur, wenn du unangekündigt vor meiner Tür stehst, willst du was von mir. Und da das in den letzten Jahren genau drei Mal vorgekommen ist, einmal am ...«

»Ist gut, ist gut, wir wissen beide, dass du ein perfektes Gedächtnis hast, du brauchst es mir nicht immer wieder unter die Nase reiben. Du wirst mir wohl selbst mit 90 noch den Tag am College vorhalten, wo ich dir Bierpong beigebracht habe, und dich danach zum Magenauspumpen in die Klinik schleppen musste«, unterbrach Sam seinen Freund mit einem breiten Grinsen, als wäre es eine Art Ritual zwischen ihnen beiden.

»21.11.1999, es war ein Sonntag«, sprachen sie beide im Chor, lachten herzhaft, und stießen mit ihrem Bier an.

»Also, schieß los, wie kann ich dir helfen Sam?«

Lustvolle Qualen

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