Читать книгу Raetia - Melissa Jäger - Страница 4
Monat Juni, am IV. Tag vor den Kalenden des Juli
ОглавлениеDas morgendliche Opfer eines Schafes im Haus der Braut war günstig ausgefallen. Der Haruspex hatte die Eingeweide des Tieres begutachtet und den Tag als geeignet für eine Eheschließung befunden. In Anwesenheit des Pontifex wurden die Stühle der Brautleute mit dem Fell des Opferschafes verbunden. Ilara, die wundervoll aussah, reichte Lucius strahlend die rechte Hand und nahm den Ring von ihm entgegen. Tibulla, die Mutter des Bräutigams, fungierte als Pronuba und führte die Hände ihres Sohnes und seiner jungen Frau zusammen. Dann teilten sich die frisch Vermählten das traditionelle Fladenbrot zur Hochzeit.
Wenig später begab sich die Familie zum gemeinsamen Opfer zum Tempel der kapitolinischen Götter. Nun kamen die engen Freunde und auch viele Schaulustige dazu, die von den prachtvollen, bunten Gewändern der Hochzeitsgesellschaft angezogen wurden. Es war eine ganz traditionelle Hochzeit, wie sie nur noch selten so aufwändig gefeiert wurde. Ilara wurde allenthalben bewundert. Die Schneiderin aus dem Suburbium hatte ganze Arbeit geleistet. Die safrangelbe Palla über der Tunika recta war aus der schönsten Seide gefertigt, die Lucius hatte besorgen können. Borten mit gestickten Akanthusblättern verzierten den Saum und die Mantelkanten. Das Flammeum umspielte die schönen Gesichtszüge der Braut seidigweich und durchscheinend.
Am Altar der höchsten römischen Götter wollte das Brautpaar ein Schwein opfern. Es stand als Symbol für die Fruchtbarkeit, die sich das junge Paar wünschte. Das wohlgenährte und mit einer bunten Decke geschmückte Tier, das eigens gekauft worden war, sträubte sich und quiekte verzweifelt. Alpina beobachtete ihre Schwester, die beim Anblick des am Seil zerrenden Tieres sichtbar die Zähne zusammenbiss. Das war kein gutes Omen. Die jüngere Schwester wusste, woran Ilara in diesem Moment dachte: an die Prophezeiung einer Chiromantin vor einiger Zeit. Diese hatte wahrgesagt, dass Ilara lange kinderlos bleiben würde.
Nach einigem hin und her spritzte schließlich doch noch das Blut des Tieres auf den Altar vor dem neuen Tempel. Man schritt zur Unterzeichnung des Ehevertrages. Elvas, Tibulla, Alpina und auch ein paar andere Frauen verdrückten ein paar Freudentränen. Dann begab sich die Festgemeinde zum Elternhaus der Braut, wo alle ein Festessen erwartete. Ilara und Lucius machten unterdessen noch eine Runde zu den Tempeln der Venus und der Diana. Sie beteten und übergaben den Priestern Gewürzkuchen. Auch Jupiter und Juno bekamen Gewürzkuchen zusätzlich zu dem Schweineopfer, dessen Überreste bereits weggeräumt worden waren.
Das Haus der Iulier war mit Blumen- und Blattgirlanden geschmückt. Die Laren und der Genius des Hausherren hatten Opfer erhalten, und sogar die Wettergötter waren mit einer Libation bedacht worden. Das Trankopfer schien gütig angenommen worden zu sein, denn die Sonne lachte vom Himmel, und als die Gäste im Hause des Achilleus eintrafen, war es schon sehr heiß.
Alpina hatte eine neue Tunika an. Ilara hatte darauf bestanden, dass sie zu ihrer Hochzeit etwas Neues haben sollte. Gemeinsam hatten sie sich für einen dunkelroten, feinen Stoff entschieden, den sie in den kommenden Sommermonaten oft würde tragen können. Den Saum zierten gestickte Vögel. Verstohlen blickte sie ab und an zu Claudius Paternus Clementianus, der die Gesellschaft bereits zum Opfer auf dem Forum begleitet hatte. Er sah gut aus, besser als vor einigen Monaten, als er von der Bürde seiner Tätigkeit als Vertreter des Ädils Martialis förmlich erdrückt worden war. Die neue Aufgabe schien ihm Freude zu machen. Ihre Blicke trafen sich, und Claudius lächelte sie an. Er verabschiedete sich von Lucius und kam auf Alpina zu. Ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals, und in der Magengrube schien ein Stein zu sitzen.
„Salve, schöne Alpina!“ Claudius versank in ihrem Blick. Sie schlug die Augen nieder und ärgerte sich, dass sie wieder rot wurde. „Salve, Claudius Paternus Clementianus“, hauchte sie.
„Deine Schwester sieht sehr glücklich aus“, stellte er fest.
„Ja und ich hoffe, sie wird nicht nur heute so glücklich sein.“
Tatsächlich glaubte Alpina nicht, dass Ilara so glücklich war, wie sie aussah. Die Erlebnisse der Verlobungsfeier, bei ihre Schwester ihren Verlobten in flagranti mit der schönen Schauspielerin Glycera überrascht hatte, waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Zwar hoffte Alpina, dass es Ilara gelänge, Lucius für sich einzunehmen, wenn sie erst zusammen lebten, doch sie beobachtete weiterhin misstrauisch seine unübersehbare Faszination für Glycera. Heute zumindest hatte Ilara durchgesetzt, dass das Unterhaltungsprogramm ohne die Schauspielerin stattfinden würde. Ihr Vater hatte Musiker und Artisten zur Unterhaltung der Gäste engagiert. Auf eine schauspielerische Einlage verzichtete man.
Claudius sah Alpina mit seinen braunen Augen ernst an. Er schien ihre Bedenken zu teilen. „Wir wollen das Beste hoffen! Eine Ehe ist eine langfristige Bindung. Wenn deine Schwester Geduld mitbringt, wird sie im Laufe der Zeit sicher die Liebe ihres Mannes gewinnen.“
Der Ritter mit dem dunklen Vollbart ließ einen gewissen Zweckoptimismus erkennen. Dachte er wirklich so oder wollte er das Mädchen nur beruhigen?
„War das bei Euren Eltern auch so?“, fragte Alpina neugierig.
Claudius lächelte ob der jugendlichen Neugierde. „Meine Eltern haben sich gegenseitig respektiert, und ich vermute, sie haben sich sogar geliebt. Auch wenn ich nie gehört habe, dass sie es zugaben.“
Er blickte Alpina sehr ehrlich an. Dann griff er ihre beiden Hände und zwang sie so, ihm erneut in die Augen zu sehen. „Alpina, bitte, ich möchte so gerne, dass du mir vertraust und deshalb bitte ich dich um das „du“. Nenne mich Claudius. Das wünsche ich mir sehr!“
Alpina stockte der Atem. Sie spürte ihr Herz am Kehlkopf anklopfen. „Ich weiß nicht, ob das so richtig ist“, sagte sie zaghaft. „Aber wenn du es so möchtest, gerne.“
Claudius schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Du machst mir ein großes Geschenk!“
Bevor er weitersprechen konnte, zog Ilara Alpina mit sich. Sie schien es sehr wichtig zu haben. Hilflos ließ sich die jüngere Schwester abführen.
***
Caius genoss die Feierlichkeiten. Er liebte seine Töchter und es machte ihm große Freude, seine Älteste glücklich zu sehen. So schön wie an diesem Tag hatte sie noch nie ausgesehen, und er erkannte an Lucius‘ begehrlichen Blicken, dass auch der Bräutigam es so empfand. Als im Atrium des Hauses eine Gruppe von Artisten ihr Können unter Beweis stellte, ihre Körper sich in wilden Sprüngen und Salti durch den Raum bewegten, betrachtete der Hausherr die Darbietung in der Nähe des Wasserbecken. Es dauerte nicht lange, da stellte sich Clementianus an seine Seite. Gemeinsam applaudierten sie den Artisten. Eine Dienerin kam vorbei. Der junge Ritter nahm ihr zwei Becher Mulsum ab. Einen reichte er Caius, mit dem zweiten prostete er ihm zu.
„Auf deine schönen Töchter, Achilleus! Und darauf, dass sie ein glückliches Leben führen mögen!“
Die Blicke der beiden Männer trafen sich. „Danke, Clementianus! Ja, darauf wollen wir trinken!“
Sie hoben die Becher und tranken. Dann räusperte sich Clementianus und sagte: „Schade, dass Alpina sich so gar nicht vorstellen kann zu heiraten.“ Er versuchte es beiläufig klingen zu lassen, doch Caius horchte auf.
„So? Hat sie das gesagt?“
„Ja, unlängst, als ich sie danach fragte, ob sie nicht auch bald heiraten wolle, wies sie das weit von sich. Sie erklärte, sie wolle lieber lernen, eine gute Obstetrix zu werden. Außerdem seien ihr die Studien bei Eirenaios wichtiger, als Matrone zu werden!“
Clementianus lächelte verschmitzt, und Caius kam nicht umhin, festzustellen, dass ihm die Selbstsicherheit seiner Jüngsten imponierte.
„So ist es, mein Bester! Sie hat viel von ihrer Mutter. Sowohl die Klugheit und das handwerkliche Geschick bei der Behandlung von Gebärenden und Verletzten, als auch den Starrsinn! Leider, auch den!“ Caius lächelte entschuldigend. „Aber du kennst das doch, oder nicht? Deine Mutter ist doch auch Raeterin! Sie führt ein sehr selbstbestimmtes Leben, nicht wahr?“
Der junge Ritter lachte zustimmend. „Sie ist Likatin, aber da gibt es keinen wesentlichen Unterschied. Auch meine Mutter ist stur und würde sich nicht in ihre Lebensführung dreinreden lassen. Da hast du Recht, Achilleus. Ich denke, ich kann mit dem Temperament der Alpenländerinnen umgehen!“ Er zeigte ein gewinnendes Lächeln und machte eine kurze Pause, dann setzte er erneut an: „Falls Alpina es sich dennoch irgendwann anders überlegen sollte, dann denke an mich.“
Caius glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. War das gerade eine versteckte Anfrage um Alpinas Hand gewesen? Er sah den Ritter verdutzt an. Dann lächelte er und sagte: „Ich fürchte, du wirst einen langen Atem haben müssen, Clementianus. Aber wenn du sie dann noch willst, gebe ich sie dir mit Freuden!“
Gedankenverloren musterte er den jungen Mann.
***
Ilara zog Alpina mit sich in eine ruhige Ecke des Treppenhauses. Sie war plötzlich furchtbar aufgeregt. „Hilf mir, Alpina! Bald führen sie mich weg! Ich habe Angst! Ich fürchte mich davor, dieses Haus mit seinen Lares für immer zu verlassen!“
Die jüngere Schwester nahm Ilara in den Arm. „Es wird alles gut! Ganz bestimmt! Du wirst wunderbare Schwiegereltern bekommen, und dieses Haus mit seinen Lares bleibt jederzeit für dich geöffnet. Keine Sorge, Ilara!“
Liebevoll streichelte sie den Rücken der Älteren. Ilara rang nach Luft, sie war blass.
„Was ist, wenn sich Lucius weiter mit Glycera trifft?“
Alpina versuchte überzeugend zu klingen. „Du wirst ihn bereits heute Nacht von den Qualitäten deines jungfräulichen Körpers überzeugen. Das kann Glycera ihm nicht bieten. Kopf hoch! Und jetzt komm! Ich sehe, dass die Gäste bereits nach dir suchen. Die Hochzeitsfackel ist entzündet. Es wird Zeit für dich zu gehen!“
Sie stand auf und nahm die Ältere bei der Hand. Gemeinsam traten sie ins Atrium, wo sie von den wartenden Eltern und Gästen freudig begrüßt wurden.
Unter begeisterten „Talassio!“-Rufen bewegte sich die Prozession auf das Haus des Soterichus zu. Es hagelte Nüsse und anzügliche Bemerkungen.
An der Tür des Hauses rieb Ilara die Torpfosten mit Öl ein und wickelte Wollbinden um die Scharniere. So ehrte man nach alter Überlieferung den Gott Portunus und die Göttin Cardea. Bevor Lucius seine Frau über die Schwelle des Hauses trug, sprach sie die Formel „Ubi tu Gaius ego Gaia“. Bei diesem feierlichen Schwur, wurde Ilara schwindelig. Ob es an der Hitze lag oder an den Befürchtungen, die sie mit dem Betreten des Hauses ihres Bräutigams verband - Ilara wurde schwarz vor Augen, sie sackte in die Knie. Lucius fing sie auf und trug sie unter lautem Beifall und Jubelrufen über die Schwelle des Hauses. Im Atrium benetzte Tibulla die Stirn ihrer Schwiegertochter mit Wasser aus dem Marmorbecken. Langsam kehrten Ilaras Sinne zurück. Lucius setzte sie behutsam auf dem Mosaikfußboden ab, und als sie sich wieder ein wenig gefangen hatte, reichte er ihr Fackel und Wasserkrug. Unter den neugierigen Blicken der Gäste brachte Ilara den Lares des Hauses die obligatorische Münze als Geschenk dar. Man feierte ausgelassen und fröhlich, bis es dunkel wurde.
***
Lucius freute sich auf die Hochzeitsnacht mit seiner hübschen, jungen Frau. Glycera konnte er ohnehin momentan kaum treffen. Schließlich war Rufus wieder in der Stadt. Mit wachen Augen beobachtete er die eleganten Bewegungen Ilaras. Sie sah großartig aus! Er konnte es kaum erwarten, sie endlich in sein Cubiculum zu führen.
Als es dunkelte, verschaffte sich der Bräutigam Gehör. Er nahm Ilaras Hand, dankte allen Gästen für ihr Kommen und die schönen Geschenke, die auf dem großen Tisch im Atrium lagen. Er bat alle, doch recht fröhlich weiterzufeiern, er und seine Gattin hätten noch etwas zu erledigen. Dabei zwinkerte er Ilara anzüglich zu. Er zog seine Braut zur Treppe. Von seinen Freunden, den Familienangehörigen und einigen Schaulustigen wurden sie in die Räume im ersten Stock geleitet. In seinem Wohn- und Arbeitszimmer löste Lucius umständlich den komplizierten Knoten, den die Pronuba in Ilaras Gürtel geschlungen hatte. Sie nahm das Flammeum ab und reichte es an Alpina weiter, die errötend inmitten jubelnder Festgäste stand. Bedeutete das Übernehmen des Schleiers doch, dass sie als nächste Kandidatin verheiratet werden würde.
Elvas und Tibulla begleiteten Ilara ins Cubiculum und zogen sie dort aus. Ilara versteckte sich schamhaft unter der Decke und wartete auf ihren Bräutigam.
Der ließ sich nicht lange bitten, betrat das Cubiculum und schloss unter den anzüglichen Scherzen seiner Freunde die Tür. Das Zimmer mit der großen, breiten Bettstatt, die mit vielen bequemen Decken und Kissen ausgestattet war, wurde nur schwach von einer doppelarmigen Öllampe beleuchtet. Hinter der geschlossenen Tür hörte Lucius die Freunde lärmen. Die sollten nur hören, wie er seine Braut zur Frau machte! In Ilaras Augen flackerte Angst. Sie hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Lucius setzte sich an die Bettkante und streichelte Ilaras Wange.
„Keine Angst, Süße! Ich dachte, du liebst mich? Da wirst du doch keine Angst vor der schönsten Sache haben, die Mann und Frau verbindet, oder?“
Ilara versuchte zu lächeln. Irritiert blickte sie zur Tür. Draußen war Gelächter zu hören. Lucius nahm ihre Hand.
„Lass die doch ihre Scherze machen, die Kerle. Sie sind nur neidisch. Konzentriere dich lieber auf das hier!“
Er führte ihre Hand zu seinem erigierten Penis und versuchte die kalten Finger zu ignorieren. Dann schlug er mit der anderen Hand die Decke zurück. Ilara war schlank und ihre kleinen Brüste hoben sich mit den steil stehenden Brustwarzen jungfräulich von ihrem Brustkorb ab. Schnell wie ihre Atemzüge hoben und senkten sie sich. Lucius begann sie zu streicheln. Ilara blieb stocksteif liegen. Sie machte keine Anstalten, seinen Penis zu massieren oder sich ihm zu öffnen. Also musste er nachhelfen.
Die Sache war bald vorbei. Ilara hatte nicht geschrien, aber ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie Schmerzen hatte. Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Lucius stand auf und reinigte sein bestes Stück mit einem weißen Tuch. Die Blutspuren würde er als Zeichen seines Erfolgs als Ehemann den feiernden Gästen zeigen. Bevor er das Cubiculum verließ, strich er der zitternden Ilara erneut über die Wange. Er tröstete sie.
„Es tut nur am Anfang weh, Kleine. Bald wirst du dich daran gewöhnt haben.“
***
Nachdem sich das Brautpaar zurückgezogen hatte, feierten die Gäste im Erdgeschoss des Hauses weiter. Alpina half den Hausdienern und Celsa, die sich ganz selbstverständlich dem neuen Haushalt unterordnete, beim Aufräumen. Sie musste sich beschäftigen, zu sehr schwirrte ihr der Kopf von all den Ereignissen des Tages. Grübelnd, was sie von der ernsthaften und zugleich so persönlichen Bitte halten sollte, Clementianus beim Vornamen zu nennen. Der Vorname war in der Regel Familienangehörigen und guten Freunden vorbehalten. Musste sie ihren Eltern davon erzählen? Schließlich gebot es sonst die Höflichkeit, dass sie den Ritter ehrerbietig behandelte. Doch er selbst hatte die Grenze überschritten, er hatte mit den Vertraulichkeiten begonnen.
Alpina hatte nicht lange Zeit, über ihr neues Verhältnis zu Claudius nachzudenken, denn Lucius war bereits kurz nachdem er die Festgemeinschaft verlassen hatte, um mit Ilara zusammen zu sein, wieder unter den Feiernden. Stolz zeigte er ein weißes Taschentuch vor, auf dem die Blutspuren der erfolgreichen Entjungferung zu sehen waren. Entsetzt beobachtete Alpina, wie Lucius mit dem Blut ihrer Schwester prahlte. Sie musste zu Ilara! Die ältere Schwester würde entweder noch im Trakt des jungen Kaufmanns oder in ihren neuen Räumen sein. Sie suchte nach ihr in der Kammer, in der Ilara den Abend der Verlobung in Schockstarre verbracht hatte. Dort wurde sie tatsächlich fündig. Ilara saß auf dem Bett, die Arme um die Knie geschlungen. Sie hatte die Decke um ihren Körper gewickelt und starrte vor sich hin - ganz so wie an jenem Abend. Alpina sagte zunächst gar nichts, sie legte nur den Arm um die Schulter der Schwester. Eine Weile saßen sie so nebeneinander. Alpina gab der Älteren Halt, bis diese schließlich ihren Kopf an die Schulter der Jüngeren legte. Ilara seufzte. Sie begann leise zu sprechen.
„Entschuldige bitte, dass ich dir das Flammeum gegeben habe. Ich weiß jetzt, dass es ein Fehler war. Versprich mir, dass du nicht so schnell heiraten wirst! Versprich es!“
Alpina versprach es. Sie hatte ohnehin nicht das geringste Bedürfnis, den Grammatikunterricht mit dem Cubiculum zu tauschen.
„War es so schlimm?“, fragte sie die Ältere.
Ilara nickte. „Es war gar nicht so sehr der Schmerz, als er in mich eingedrungen ist. Viel schlimmer war die Erinnerung an Glycera und ihn. Die ganze Zeit musste ich an die Szene denken, die ich gesehen hatte. Wie sie auf ihm ritt und beide so offensichtlich Spaß hatten. Und ich? Ich lag da wie ein Brett! Versteinert, unfähig das zu genießen, was er so gerne mit dieser Meretrix macht. Immer musste ich daran denken, dass ich es nie schaffen werde, sie auszustechen. Nie!“
Tränen der Verzweiflung rannen über Ilaras Gesicht.