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Monat Juni, am III. Tag vor den Kalenden des Juli

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Ilara wurde sanft von Celsa geweckt, die sich an die Bettkante ihrer jungen Herrin setzte.

„Domina Ilara!“ Leise rief sie ihren Namen. Dann wagte sie es, die junge Frau an der Schulter zu berühren. „Domina, Ihr werdet zum Frühstück erwartet!“

Ilara fühlte sich schlecht. Ihr war übel, ihr Unterleib schmerzte, und der Kopf war wie in Watte gepackt. Blinzelnd betrachtete sie ihre Sklavin. Seit sie ihr diente, war sie noch nie so liebevoll und freundlich zu Ilara gewesen. Meist war Celsa still und verschlossen. Gespräche beschränkten sich auf das Nötigste.

Celsa lächelte sanft. „Ich weiß, wie man sich fühlt nach dem ersten Mal, Domina.“

Die junge Ehefrau setzte sich auf und sah Celsa überrascht an. Dann fragte sie neugierig: „Und? Stimmt es, dass es bald nicht mehr so weh tut?“

Die Sklavin wog den Kopf hin und her. „Nur, wenn er Euch nicht mit Gewalt nimmt. Wenn Ihr Euch öffnen könnt, lässt es nach. Je mehr Angst Ihr habt, desto mehr weh tut es.“

Ilara sah verzweifelt aus. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Celsa. Ich habe Angst vor ihm, vor seiner Kraft und seinem …:“

Sie beendete den Satz nicht, aber die Sklavin schien verstanden zu haben.

„Wenn es mit Liebe und Mitgefühl passiert, kann man lernen, es zu genießen. Aber wenn die Männer es mit Gewalt erzwingen, zerstören sie nicht nur das Hymen, sondern auch die zarte Seele der Frau.“

Ilara war neugierig geworden. „Erzähle, Celsa, wie war es bei dir? Warst du verheiratet? Hattest du Kinder?“ Sie stellte fest, dass sie nichts von dem Vorleben ihrer Leibsklavin wusste.

Celsa blickte zu Boden. Sie sah plötzlich sehr traurig aus. „Ja, ich war verheiratet und hatte einen Sohn. Mein Mann kämpfte gegen die Römer. Sie töteten ihn im Kampf. Ich musste ihn begraben.“ Die Dienerin stockte, die Erinnerungen überwältigten sie. Ilara legte ihr freundschaftlich den Arm um die Schultern. Celsa schluckte schwer, dann fuhr sie fort. „Etwa drei Monate danach kamen die Römer in unser Dorf. Sie setzten es in Brand und verschleppten die Frauen und Kinder. Ich hatte erst kurz zuvor gemerkt, dass ich erneut schwanger war. Das Kind musste kurz vor Gregorios Tod gezeugt worden sein.“ Wieder machte sie eine Pause. Ihr Gesicht wirkte plötzlich wieder völlig versteinert. „Nächtelang haben sie meinem Körper Gewalt angetan, und schließlich verlor ich das Kind. Mit der Fehlgeburt und dem ganzen Blut, das aus meinem Unterleib rann, verlor ich auch jegliches Vertrauen in Männer. Es tropfte mit jedem Blutstropfen aus mir heraus.“

Ihre Stimme erstarb. Celsas Blick war starr und wirkte leer.

Ilara wusste nicht, was sie sagen sollte. Nun verstand sie, warum ihre Leibsklavin so verschlossen und still war. Sie hatte Schreckliches erlebt. Ihr Hass auf die Römer musste abgrundtief sein. „Was wurde aus deinem Sohn?“

Celsa hob die Schultern. „Ich weiß es nicht, Domina. Er hieß Sergios und war sechs Jahre alt, als sie ihn wegführten. Auch er ist in die Sklaverei gegangen, vermute ich.“

Die Dakerin blickte in die Ferne, als suchte sie nach ihrem verlorenen Sohn. Sie sagte kaum hörbar: „Jede Nacht sehe ich sein kleines Gesicht vor mir. Ich sehe, wie er weint und schreit, als sie ihn in Ketten legen und von mir wegzerren. Jede Nacht…“

Ilara nahm die Sklavin in den Arm und drückte sie fest an sich.

„Es tut mir so schrecklich leid, Celsa! Ich wusste ja nicht, was du durchgemacht hast. Ich schäme mich dafür, dich bisher nicht danach gefragt zu haben!“

Die Dienerin zuckte die Achseln. „Schon gut, Domina! Ihr konntet es ja nicht wissen!“

„Es muss schlimm für dich sein, einer Römerin zu dienen, nicht wahr?“ Ilara hatte ein schlechtes Gewissen.

Celsa schüttelte den Kopf. „Es könnte schlimmer sein! Ich bin nicht in einem Lupanar gelandet. Aber es tut mir weh mit anzusehen, wenn sich ein Römer so gefühllos und gewalttätig benimmt wie Euer Gatte und seiner Frau so etwas antut.“ Sie zeigte auf die Blutflecken auf Ilaras Nachthemd. Der jungen Ehefrau war klar, dass die Sklavin Lucius‘ Verhalten vom Vorabend meinte. „Ich habe Euch ein Kamillensitzbad zubereitet. Das hilft, die Schürfwunden zu heilen. Dann werde ich Euch beim Ankleiden und Frisieren helfen. Eure Schwiegermutter hat schon nach Euch gefragt. Sie ist aufrichtig besorgt, wie mir scheint.“

Ilara ließ sich von Celsa helfen. Tatsächlich half das Sitzbad. Auch wenn es zunächst sehr brannte, ließ der Schmerz doch nach einiger Zeit nach. Den seelischen Schmerz konnte die Kamille jedoch nicht lindern. Ilara wusch sich mit Celsas Hilfe, ließ sich mit duftenden Salbölen einreiben und schließlich ankleiden. In ihrer blauen Tunika ging sie zum Frühstück.

Besorgt blickte die Schwiegermutter in Ilaras Gesicht. „Du siehst sehr blass aus, Liebes! Ich werde deine Mutter nach einem Stärkungstrank fragen. Du scheinst ein wenig blutarm zu sein.“

Sie bedachte Lucius mit einem verärgerten Blick, worauf sich der frisch gebackene Ehemann erhob und auf Ilara zuging. Wortlos nahm er sie in den Arm – es war eine gänzlich emotionslose Umarmung. Dann setzte er sich wieder und löffelte lustlos in seinem Brei.

Tibulla schob Ilara den Klappstuhl hin und goss ihr warme Milch in einen Becher. Sie wies die junge Frau darauf hin, dass sie am Abend als Gastgeberin aufzutreten habe. Die Gäste erwarteten von ihr, dass sie als neue Hausherrin die Hochzeitsgäste bewirtete und sich für die erhaltenen Geschenke bedankte. Ilara wusste, was von ihr erwartet wurde. Sie nickte mechanisch. Die Schwiegermutter zählte alles auf, was sie für das Festmahl vorgesehen hatte. Zuletzt erwähnte sie, dass es auf Lucius‘ Wunsch eine kleine schauspielerische Darbietung geben werde. Entsetzt blickte Ilara Tibulla an. Das durfte doch nicht wahr sein! Würde ihr Glycera den ersten Abend als Ehefrau verderben? Sie suchte Lucius‘ Augen, doch er wich ihrem bohrenden Blick aus. Stattdessen lächelte er naiv seine Mutter an, die ihm die Hand streichelte. Tibulla schien Ilaras entsetzten Blick fehl zu deuten. „Du brauchst noch Ruhe, Liebes! Das sehe ich.“ Und zu Ilaras Leibsklavin gewandt, fuhr sie fort: „Celsa, nach dem Essen, bringst du Ilara auf ihr Zimmer! Dann schicke ich dich zu Elvas. Sie soll sich ihre Tochter einmal ansehen. Bestimmt kennt sie ein Mittel, sie wieder in Form zu bringen!“

***

Als Celsa Tibullas Nachricht vom Schwächezustand Ilaras überbrachte, war Alpina sofort alarmiert. Sie überredete Elvas, sie begleiten zu dürfen. Wegen der Hochzeitsfeierlichkeiten war sie ohnehin vom Unterricht befreit.

Sie erreichten das Haus des Soterichus zur fünften Stunde. Von Lucius und Tiberius war nichts zu sehen. Die Haussklaven waren damit beschäftigt, neuen Blumenschmuck anzubringen und die Leckereien für das Festmahl vorzubereiten. Tibulla hatte alle Hände voll zu tun, die Dienerschaft zu delegieren. Sie schickte Elvas und deren jüngere Tochter in Ilaras neue Gemächer.

Alpina sah sofort, dass es nicht Ilaras Körper war, der schlimmen Schaden genommen hatte, sondern ihre Seele. Sie überließ es jedoch der Mutter, sich um die junge Ehefrau zu kümmern und hielt sich im Hintergrund. Auch Elvas stellte fest, dass ihre Älteste blass war. Sie fühlte Puls und Stirn. Dann fragte sie nach Schmerzen. Ilara berichtete von dem Sitzbad gegen die schmerzenden Wunden. Die Mutter nickte. „Gut. Lass mich mal sehen. Ilara zog sich aus, und Elvas begutachtete die Verletzungen. „Hm, das mit dem Kamillensitzbad war schon gut und richtig. Du musst das jetzt täglich wiederholen. Nimm zu gleichen Teilen Eichenrinde und Kamille. Ich bringe dir heute eine ausreichende Menge vorbei. Außerdem darfst du die Woche nicht in die Therme, und Lucius soll seine Finger von dir lassen. Sag´ ihm das!“

Alpina erkannte, dass Ilara nicht wusste, ob sie sich über dieses Verbot freuen sollte oder nicht. Einerseits war sie sicher froh, dass Lucius sie nicht erneut anrühren durfte, andererseits wusste sie auch, dass ihn das mit Sicherheit erneut in die Arme Glyceras treiben würde. Diese Vorstellung gefiel ihr offensichtlich ebenso wenig wie die Aussicht auf sein Gesicht, wenn sie ihm verbieten würde, sie anzurühren.

„Außerdem“, fuhr Elvas fort. „hat Tibulla recht, du bist blutarm. Ich verordne dir einen Trank aus blutbildenden Heilkräutern und eine Diät. Du solltest gerade jetzt, wo die Jahreszeit günstig dafür ist, rote Früchte essen: Kirschen, Johannisbeeren, Himbeeren und Brombeeren. Ich werde dir Kräuter schicken und Tibulla bitten, dir das Obst besorgen zu lassen.“

Gehorsam nickte Ilara. Es blieb den Schwestern keine Zeit, um sich unter vier Augen zu unterhalten. Elvas drängte zum Aufbruch, um die Kräuter mischen zu können, bevor das Festessen begann.

***

Lucius knurrte ungehalten, als Elvas ihm zur Begrüßung am Nachmittag klar machte, dass er seine junge Frau einige Tage unberührt lassen musste. Nicht, dass er es wirklich bedauerte, schließlich war Ilara steif wie ein Brett unter ihm gelegen. Für ihn hatte Sex mit ihr ungefähr die Attraktivität eines faden Imbiss. Verglichen mit Glyceras Können auf diesem Gebiet war Ilara eine Vestalin. Er schwelgte lieber in üppigen Leckereien, als dröge Hausmannskost hinunterzuwürgen. Doch zum Glück hatte er vorgesorgt. Glycera würde heute zu einem Mimus ins Haus kommen, und er war wild entschlossen, sie für ein kurzes Intermezzo auf sein Zimmer zu bitten. Fortuna hatte ein Einsehen mit ihm. Rufus war verhindert, er hatte seinen Besuch zum Festessen abgesagt. Sein Sohn hatte Geburtstag, weshalb er auch bereits die Einladung zur Hochzeit am vorherigen Tag abgelehnt hatte. Einzig zum Opfer vor dem Tempel der kapitolinischen Götter war er kurz erschienen, hatte dem Brautpaar Glück gewünscht und seine Unterschrift und sein Siegel unter den Ehevertrag gesetzt.

Als Ilara aus ihrer Kammer kam, sah sie sehr gut aus. Lucius musste anerkennen, dass Celsa sie sehr schön frisiert hatte. Die Stirnhaare waren zu engen Locken aufgedreht, die langen Haare in einem langen Zopf schneckenartig auf den Hinterkopf gelegt und festgesteckt worden. Die blaue Tunika stand ihr hervorragend, wenn sie damit auch noch ein wenig blasser wirkte. Lucius trat auf sie zu und küsste sie auf die Wange. Ilara lächelte, vermied aber jeden Blickkontakt.

Sie übernahm die Rolle der Hausherrin und versorgte alle Gäste aufs Vortrefflichste. Lucius begann sich zu freuen, eine so patente Frau gewählt zu haben. Sie ging völlig in ihrer neuen Funktion auf.

Als es dunkelte, wurde er nervös. Die Schauspieler waren noch nicht da. Wieder und wieder fragte er die Hausdiener, doch keiner von ihnen wusste mehr. Schließlich erschien ein kleiner Trupp – allerdings ohne Glycera. Lucius war außer sich. Chloe war als einzige der Dienerinnen der schönen Schauspielerin dabei. Er nahm sie beiseite und fuhr sie an: „Wo ist Glycera? Es war ausgemacht, dass sie kommt! Sie sollte die Ariadne geben in dem Mimus, das ich mir zur Hochzeit gewünscht habe.“

Chloe versuchte sich aus dem Klammergriff des kräftigen Kaufmanns zu winden. „Sie fühlt sich nicht wohl! Sie kann heute nicht auftreten!“

Lucius holte aus, er war nahe daran, die Dienerin zu schlagen. Doch im letzten Moment besann er sich. Schließlich konnte die Dienerin nichts dafür. Es war Glycera, auf die er wütend war. „Richte ihr aus, dass ich sehr enttäuscht bin! Es hätte ihr Hochzeitsgeschenk an mich sein sollen. Nun denn.“

Er drehte sich energisch um und rauschte davon.

***

Claudius hatte sich sehr über das unsensible Verhalten seines Freundes Lucius am Hochzeitstag geärgert. Gleich nach der Entjungferung allen das blutige Zeugnis seiner Manneskraft zu zeigen, glich einer Machtdemonstration. Es war höchst demütigend für seine junge Frau Ilara. Claudius hatte versucht, mit seinem Freund darüber zu reden, aber Lucius war nicht bereit gewesen, ihm zuzuhören. Die ungesunde Mischung aus Wein, Adrenalin und schwarzer Galle, die in seinen Adern floss, machte ihn blind und taub. Ein Glück, dass Alpina sofort nach ihrer Schwester gesehen hatte. Leider blieb sie bei Ilara, und Claudius konnte nur auf das Festessen am kommenden Tag hoffen, um Alpina wieder zu sehen.

Überraschend gelöst und selbstsicher präsentierte sich Ilara bei der Feier am darauffolgenden Tag. Sie überspielte Schmerzen und Kränkung gekonnt. Alpina trug die malvenfarbene Tunika, die er ihr geschenkt hatte und war so beschäftigt damit, ihrer Schwester zu helfen, dass es lange dauerte, bis er die Gelegenheit bekam, sie allein zu sprechen. Sie hatte sich auf einem Stuhl niedergelassen und betrachtete die vielen Geschenke, die für das Brautpaar auf einem Tisch im Atrium lagen.

„Auch deine Hochzeit wird einen solchen Gabentisch haben, Alpina.“

Sie erschrak, weil sie ihn nicht hatte kommen hören und drehte ruckartig den Kopf hoch. Dann entspannten sich ihre Gesichtszüge. „Nachdem du gestern das Flammeum von deiner Schwester erhalten hast, wirst du nun wohl die nächste Braut sein - wenn man dem alten Aberglauben trauen darf.“

Alpina winkte ab. „Ich sagte dir doch bereits, Claudius, dass ich noch nicht vorhabe zu heiraten. Mein größter Wunsch ist es, weiter zu lernen. Ich möchte noch viel mehr lesen und verstehen und vor allem will ich von meiner Mutter das Handwerk der Obstetrix erlernen. Das braucht viel Zeit. Es ist schwer, in einer Situation, wo es um Leben und Tod geht, in der die Gebärende Angst und Schmerzen hat, die richtige Entscheidung zu treffen.“

Nachdenklich blickte sie auf die Gläser, Kannen, Tonservice und Bronzeteller.

Claudius wollte noch nicht aufgeben. „Was ist, wenn jemand deinen Vater um deine Hand bittet? Du bist dreizehn, das ist durchaus kein ungewöhnliches Alter für eine Verlobung oder gar eine Heirat.“

„Wer sollte denn um meine Hand anhalten?“, fragte sie ungläubig und amüsiert. Sie sah dem jungen Ritter belustigt in die Augen.

Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Merkte sie denn nicht, dass er sie liebte? Ja, so war es! Er konnte sich nun endlich eingestehen, dass er sich in das widerspenstige Mädchen verliebt hatte.

„Kannst du dir nicht vorstellen, dass du für Männer attraktiv bist, Alpina?“

Sie schüttelte energisch den Kopf. „Sie mich doch an, Claudius! Ich bin nicht so schön und selbstsicher wie Ilara. Ist sie nicht eine wunderbare Ehefrau?“ Sie wartete ab, bis er zustimmend nickte. „Und ich habe auch nicht die erotische Ausstrahlung wie Glycera und ihre Dienerinnen, die allein durch ihre Anwesenheit die Blicke aller Männer auf sich ziehen. Ich bin ein Mauerblümchen! Ein raetischer Bauerntrampel mit einer seltsamen Vorliebe für lateinische und griechische Literatur und Wissenschaften. Der Mann, der mich einmal heiraten soll, muss auch ein seltsamer Kerl sein!“

Ihre Blicke trafen sich erneut, und Claudius hätte Alpina am liebsten an sich gezogen und geküsst. Stattdessen sagte er lächelnd: „Ja, du hast sicher recht. Er ist ein seltsamer Kerl!“

Er wollte gerade ansetzten, ihr zu gestehen, dass er sie liebte und sich nichts sehnlicher wünschte, als sie zur Frau zu bekommen, als sie jäh unterbrochen wurden. Lucius kam angepoltert und warf ein spöttisches Lächeln auf das Pärchen, das sich so angeregt unterhielt. „Also hier bist du, Claudius. Komm mit, ich muss unbedingt mit dir reden!“

Zu gerne hätte Claudius den Freund ignoriert, doch Lucius griff ihn am Arm und zog ihn mit sich. Er fand an diesem Abend keine weitere Gelegenheit, um mit Alpina zu reden. Der Zauber des Augenblicks war ungenutzt verronnen.

***

Dass Glycera nicht zum Mimus erschienen war und dafür Chloe die Ariadne in der Hochzeitszeremonie des Gottes Dionysos darstellte, ließ Ilara aufatmen. Sie konnte auch sehen, wie wütend Lucius über die Absage der Schauspielerin war. Ein Glück, dass er sie nicht anrühren durfte. So geladen wie ihr Mann war, würde sie sicher wieder Schmerzen und Schürfwunden davontragen. Das kleine Theaterstück war schön. Ilara liebte den Mythos von der Hochzeit des Weingottes mit der schönen kretischen Prinzessin, die so tapfer dem Theseus geholfen hatte und dann so schmählich von ihm im Stich gelassen worden war. Der gesamte Festabend verlief wunderbar. Sie füllte die Rolle der Hausherrin zur Zufriedenheit aller aus, wie die Gäste und die Familie bescheinigten.

Balbina umarmte ihre Freundin herzlich, als sie sich von ihr verabschiedete. „Du bist Lucius eine wunderbare Frau! Er wird dich von Tag zu Tag mehr lieben – ganz sicher!“

Ilara lächelte tapfer. Sie brachte es nicht übers Herz, ihre beste Freundin zu enttäuschen. „Das weiß ich!“, sagte sie und verabredete sich mit Balbina zum Thermenbesuch am kommenden Markttag. Bis dahin sollten ihre Wunden verheilt sein.

Nachdem alle Gäste gegangen waren, und sie die Diener zu einer schnellen Aufräumaktion angetrieben hatte, zog sich Ilara in ihre Kammer zurück. Celsa hatte ihr bereits ein Sitzbad bereitet, und Ilara nahm es im hauseigenen Balneum, während sie einen Becher des wohltuenden Gebräus aus Elvas‘ Kräuterküche schlürfte. Sie fühlte sich besser nach diesem erfolgreichen Abend. Vielleicht könnte sie ja doch noch die Zuneigung ihres Gatten gewinnen!

Auf dem Weg ins Cubiculum begegnete sie Lucius. Sie strahlte ihn an, und er nahm sie vorsichtig in den Arm. „Du bist wunderbar, Ilara!“ Er gab ihr einen Kuss und säuselte ihr ins Ohr: „Das nächst Mal wird es besser sein, Liebes! Außerdem gibt es ja noch mehr Methoden, meinen besten Freund glücklich zu machen!“ Seine Hände tätschelten ihr Hinterteil. Ilara schluckte. Sie war sich sicher, dass sie es nicht eilig damit hatte, diese Methoden zu erlernen. Statt auf seine Anspielung einzugehen, hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange und ging in ihr Cubiculum.

Einige Zeit nachdem Ilara die Lampe gelöscht hatte, vernahm sie von nebenan Geräusche. Obwohl er flüsterte, erkannte sie doch Lucius‘ Stimme in der Kammer der Sklavin. Dann wurde es still. Beunruhigt über die Geräusche aus dem Nebenraum rief Ilara nach Celsa. Als keine Antwort kam, schlug sie die Decke zurück und sah nach. Sie tastete sich zur Tür und dann weiter zum Bett der Sklavin. Es war leer.

Raetia

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