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Die Carlin-Brüder

Buck spuckte in den schwarzen Staub zu seinen Füßen und sah dem gelben Bus hinterher, der soeben auf der Interstate an ihnen vorbeigefahren war. »Endlich – das Warten hat ein Ende.« Der Hüne mit dem Pferdeschwanz straffte den Oberkörper, dass sich das ärmellose Hemd über seiner Brust spannte. »Alles läuft wie geplant.«

»Right.« Jet hockte auf der Ladefläche des alten Trucks, der vom Rost zusammengehalten wurde. Seine Füße steckten in hohen Gummistiefeln, auf denen eine dicke Kruste Schweinedreck klebte. Der stammte aus den Stallgebäuden hinter den Männern, wo sich Jets Mastbetrieb befand. Tausend fettgefressene, mit Exkrementen beschmierte rosa Leiber dicht an dicht. Iowa Bacon de luxe. »Jemand sollte in die Stadt fahren und den Prediger informieren.«

Jets Körper sprach seinem Namen Hohn. Er glich dem der Tiere, die er in dem Mastbetrieb hielt, seine Stimme ihrem hysterischen Quieken. Aufgequollen und fett steckte er in den dreckigen Latzhosen, seine runden, kleinen Augen folgten der Staubwolke, die der Bus hinter sich herzog. Gut möglich, dass er zu viel Zeit bei seinen Tieren verbrachte und allmählich selbst zu einem wurde.

»Ein verdammter Bus voller Frischfleisch«, höhnte Conor. In einer anzüglichen Geste griff er sich in den Schritt, leerte seine Bierdose und drückte sie mit der Hand zusammen, um sie auf die Straße zu werfen. »Und nehmen werd ich mir mindestens eine, da könnt ihr einen drauf lassen.«

»Gott, Conor, reiß dich zusammen!«, knurrte Buck und schlug seinem jüngsten Bruder auf den Hinterkopf, dass es klatschte.

Er war kleiner als Buck, aber genauso breit und auf eine bestimmte, man könnte sagen verruchte Art gut aussehend. Allerdings dumm wie ein Strohsack vom letzten Jahr. Und ein triebgesteuertes, perverses Schwein. Wie Buck trug er schmutzige Jeans mit Umschlag, dazu ein Workshirt mit dem Aufdruck Carlin’s Gas Station – Best in the Northern Plains. »Du weißt, was der Prediger von deinem Gerede hält. Reiß dich verdammt noch mal zusammen!«

Conor grunzte vor sich hin, nahm die Hand aus dem Schritt, roch an seinen Fingern und schob sich die verschwitzte Baseballmütze in den Nacken. »Herr im Himmel, sollte mal ’n Bad nehmen …«

Buck war der älteste der Carlin-Brüder. Er dachte an Kernseife und kaltes Wasser und musste grinsen, wenn er sich in diesem Zusammenhang Conor vorstellte. Egal ob er stank oder nach Veilchen roch, die Mädchen standen auf den Kerl mit dem schrägen Lächeln.

Nach Buck kam Jet, der nach dem Willen ihres verstorbenen Vaters den Mastbetrieb übernommen hatte. Der Jüngste war Conor, ein Nichtsnutz erster Güte, der abgesehen vom Vögeln nicht viel im Kopf hatte. Bevor ihre Mutter zusammen mit ihrer illegalen Destillerie zur Hölle fuhr, hatte sie Buck darum gebeten, sich um Conor zu kümmern. »Mach aus ihm einen anständigen Mann«, hatte sie gesagt. Wobei anständig kaum für das Kaff stehen konnte, aus dem sie stammten. Buck ließ Conor in seiner Autowerkstatt arbeiten und machte ihm gehörig Druck, wenn er aus der Spur lief.

»Schieb deinen fetten Arsch von meinem Truck«, knurrte Buck den dicken Jet an. Er nickte Conor zu. »Und du pflanzt dich auf den Beifahrersitz.«

»Was is’n mit mir?«, beschwerte sich Jet. Er sprang vom Truck und trat dabei wie ein nervöses Tier von einem Bein aufs andere.

»Mach, was du immer machst«, antwortete Buck. »Geh in den Stall und fick deine beschissenen Schweine, aber geh mir nicht auf die Eier!«

Buck war insgeheim froh, Jet nicht an der Backe zu haben. An Tagen wie diesem, wenn Jet aufgeregt war, konnte er seinen Bruder nicht ertragen. Jet war wie ein Bär mit dem Gemüt eines Schweines, das ständig quiekte und viel zu viele Fragen stellte. Dazu kam noch etwas anderes. In seinem fetten Körper steckte eine unglaubliche Kraft, die er kaum unter Kontrolle hatte, da war es besser, ihn von der Stadt fernzuhalten.

Auf Conor aufpassen zu müssen, war schwer genug, denn der hatte seine Triebe überhaupt nicht unter Kontrolle. Letzte Nacht zum Beispiel, da hatte er ihn dabei erwischt, wie er im Baum vor dem Laden der McCalls hockte, in das Schlafzimmerfenster von Vivian McCall glotzte und an sich herumfummelte. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Bob davon Wind bekam. Im Vergleich dazu wären ausgeschlagene Zähne und eine Menge Blut eine nette Geste. Also hatte er ihn aus dem Geäst gezerrt und in der Werkstatt mit dem Hosengürtel verprügelt, wie er es von Dad gelernt hatte.

Morgen sitzt dieser Dummkopf wieder in den Ästen …

Buck lenkte den Truck auf einen holprigen Feldweg, über den sie die Stadt eher erreichen würden, als es der Bus auf der Interstate vermochte. Die Einheimischen kannten eben die geheimen Wege. »Die haben sich im White House eingebucht«, brummte Buck sinnierend. Alles lief, wie es laufen sollte.

»Sue Ellen verdient sich mit denen von außerhalb ’ne goldene Nase und macht nich’ mal ’n Finger dabei krumm«, höhnte Conor. Sein Mund verzog sich zu einem anzüglichen Grinsen. »Aber mal ehrlich, bei der würde ich gerne einziehen.«

»Verdammt, Conor«, beschwerte sich Buck, »hast du denn nichts anderes in der Birne?«

Conor lachte. »Täte dir auch mal gut, einen wegzustecken. Würdest danach alles lockerer sehen.«

Buck trat unvermittelt auf die Bremse. Der Truck bockte, schlitterte auf dem groben Schotter, brach aus und kam mit einem letzten Ruck zum Stillstand. Conor wusste, was das bedeutete. Seine Hand schnellte zum Türgriff, doch er war zu langsam. Bucks Faust klatschte ihm hart in den Magen, dass Conor zusammenklappte wie ein Springmesser. »Hab dich gewarnt, Conor.« Er schlug ein weiteres Mal zu, dieses Mal in Conors Gesicht. Dessen Lippe platzte auf und Blut spritzte. »Hab ich dich nicht gewarnt? Wieder und wieder?«

Buck ließ von ihm ab und packte mit beiden Händen das Lenkrad. Verzweifelt lehnte er sich mit der Stirn gegen das griffige Leder. »Was soll ich nur mit dir machen, Mann?« Er packte ihm in die Haare und riss seinen Kopf nach oben. »Meinetwegen kannst du rummachen, mit wem oder was du willst, aber behalt deine Aufgabe vor Augen, kapiert?«

Conor stöhnte. Blut lief ihm aus Mund und Nase, trotzdem nuschelte er schwach: »Ja, Mann.«

Dad hätte sicher eine Lösung gehabt. Er hätte Conor windelweich geprügelt und zum Prediger gebracht, damit der sich mit ihm befasste. Das volle Programm der Läuterung in Blut und Schmerz. Die Wahrheit war, dass es mit Conor immer schlimmer wurde und Buck Angst hatte, die Kontrolle zu verlieren.

Letztendlich Daddys Weg …

»Ich bring dich zum Prediger!«

Conor richtete sich röchelnd auf, schlüpfte aus dem Shirt und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. »Was?« Er schüttelte den Kopf. »Das kannst du nicht machen, Mann … wir sind Brüder!«

»Gleich morgen … da bring ich dich zum Prediger!« Buck klang entschlossen. Er nickte, richtete sich auf und gab Gas. Sie hatten durch das Geplänkel Zeit verloren und die musste er jetzt aufholen. »Wenn du Pech hast, schneidet er dir den Sack ab – oder gleich alles, was da baumelt.«

»Bitte, Mann, ich will nicht zu dem«, beschwerte sich Conor. Seine Stimme klang weinerlich, weil er Angst hatte. »Der macht’s am Ende sogar noch …«

Buck dachte an die Aufgabe, die ihnen der Prediger zugedacht hatte, und schluckte. Typen wie Conor konnten alles vermasseln. Vor allem jetzt, so nah am Ende, war äußerste Konzentration angebracht. Er durfte nicht zulassen, dass Conor aus der Reihe tanzte. »Du tust, was ich dir sage, oder ich schlag dich tot!«

Mudlake - Willkommen in der Hölle

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