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Wortwiederholungen
ОглавлениеNeben dieser spezifisch catonischen Art, den Raum des Satzes zu füllen, fällt auf, dass vielfach Worte wiederholt werden; nicht alle diese Fälle darf man jedoch (wie Leeman 22 versucht) ohne Unterschied auf ein Streben nach Intensivierung zurückführen. Vielmehr haben die Wiederaufnahmen teils thematisch-strukturelle Funktion, teils eine andere, die noch charakterisiert werden soll. Klar ist die strukturelle Bedeutung der Wiederholung im Falle von furem und feneratorem, wo ein sachlicher Grund dieselben Worte verlangt. Unemphatisch ist dagegen die Wiederkehr des Verbums existimare in nicht weniger als vier aufeinander folgenden Konstruktionen, ohne dass sich eine rhetorische Absicht erkennen ließe. Man denkt zunächst an eine Nachlässigkeit im Gleichgültigen, die das bezeichnende Korrelat zur Sorgfalt im Entscheidenden wäre. Cato achtet auf die wichtigen Punkte in jedem Satz, aber er versucht offenbar nicht, auch die übrigen Teile durchzuformen. Existimare ist ein bequemes Verbum, das sich ihm viermal nacheinander in verschiedenem Zusammenhang als das nächstliegende anbietet; es wäre ihm wohl kleinlich erschienen, hier zu variieren, denn für die Deutlichkeit der Rede spielt dies keine Rolle. Nur hier, im Gleichgültigen, macht sich das bemerkbar, was man (nicht ganz mit Recht) die „Armut“ der lateinischen Sprache genannt hat.32
Die Wiederholung von existimare dient nicht, wie Leeman glaubt, der Intensivierung, sondern es handelt sich um einen anderen Typ der Wiederaufnahme, den es hier zu definieren gilt. Existimare hat den Vorzug der Unauffälligkeit, es lenkt also nicht von den wichtigeren Redeteilen ab. Ähnliches gilt von dem viermaligen laudare in dem Satz: et virum bonum cum laudabant, ita laudabant: bonum agricolam bonumque colonum; amplissime laudari existimabatur, qui ita laudabatur. Nicht das Verb laudare wird hervorgehoben, sondern die Aufmerksamkeit wird ganz und gar auf die daneben stehenden Vokabeln (amplissime; ita) gelenkt. So dient hier die Wiederholung dazu, die übrigen Wörter des Satzes stärker hervortreten zu lassen: ein Stilmittel, das uns eher „natürlich“ als „rhetorisch“ anmutet; zweifellos erreicht es den Endzweck der Deutlichkeit. In dieser Art der Wortwiederholung liegt ein Element der „Mündlichkeit“, die man nicht mit „niederem Stilniveau“ verwechseln darf. Auch im Mündlichen gibt es beträchtliche Unterschiede der Stilhöhe – von der Alltagsrede bis zum Epos und zum Gebet. Catos Schriftstellerei bedeutet in vielem einen ersten Schritt zur Schriftlichkeit und trägt noch Spuren der Mündlichkeit an sich – auch und gerade im hohen Stil. Die Wiederkehr gleichbleibender oder relativ farbloser Wörter an unbetonter Stelle lässt sich als neues Element den bisher beobachteten mündlichen Zügen von Catos Sprechweise (z.B. ut supra dixi, ut ad rem redeam) an die Seite stellen.
Aus der Schrift Catos an seinen Sohn Marcus wird der berühmte Satz zitiert: rem tene, verba sequentur. Er steht im Gegensatz zur damaligen griechischen Rhetorik, in der die Lehre von der Wortwahl einen Hauptteil der Theorie und Praxis bildete.33 Es ist bezeichnend, dass diese Auffassung Catos sich eng mit einer Stelle des Alkidamas berührt, der ein Anwalt der Improvisation und der freien Rede war und somit auf Gedanken und Disposition, nicht auf jedes einzelne Wort Wert legte.34 Ohne an direkte Abhängigkeit zu denken, darf man in dieser Berührung einen Beleg für die mündlichen Züge von Catos Schreibart erkennen. Selbst wo er stilisierte, blieb seine Diktion noch vom gesprochenen Wort bestimmt, was bei dem ersten lateinischen Prosaiker naheliegt, aber merkwürdigerweise noch nicht mit letzter Konsequenz durchdacht worden zu sein scheint; die hier versuchte Scheidung von „Mündlichkeit“ und „Kunstlosigkeit“ wird auch für das Verständnis des Stils der Origines von Bedeutung sein.