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Leben mit Therapie (II)
ОглавлениеIch sitze jetzt mit dem Rücken zum Fenster bei meinem Therapeuten. Ich vermute, das liegt daran, dass mich während der letzten Sitzung zwei kopulierende Tauben mehr interessiert haben als das Paradox der Leichtigkeit im menschlichen Sein, das so geht: Weil die Aufrechterhaltung der Leichtigkeit mit zunehmender Dauer immer mehr Verdrängung bedarf, wird das Verdrängte zu einer Last, die die Leichtigkeit erdrückt. Das ist natürlich eine traurige Unzulänglichkeit am Seinsmodell des Menschen.
«Michael, haben Sie Ihr individuelles Leichtigkeitsprinzip hinterfragt?», fragt mein Therapeut.
«Nein.»
«Michael, es wäre hilfreich, wenn Sie sich auf die Therapie einlassen würden.»
«Schon. Aber es ist doch so: Wenn der Weg der Leichtigkeit nur über die tägliche Auseinandersetzung mit der Schwierigkeit möglich ist, dann bleibt Leichtigkeit doch immer etwas, das in der Zukunft liegt.»
«Entschuldigen Sie, Michael, langsam habe ich den Eindruck, dass Sie in Klugscheisserei flüchten, um Ihre eigentlichen Probleme zu verdrängen.»
«Sie meinen meine Fähigkeit des Verdrängens, meine Weigerung, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, wenn sie unangenehm sind?»
«Genau, Ihre Weigerung, erwachsen zu werden. Michael, Sie sind bald 50.»
«Gibt es einen vernünftigen Grund, erwachsen zu werden?»
«Das Finden von innerer Harmonie, Michael, das Anpassen der Träume an die äussere Wirklichkeit.»
«Meinen Sie, das ist der Pfad hin zum glücklichen Leben?»
«Es gibt natürlich keine Garantien, Michael.»
«Eben.»
«Michael, ich frage mich gerade, ob Sie untherapierbar sind.»
«Wieso?»