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Leben mit Therapie (I)
ОглавлениеIch sass liegend da, wie immer beim Therapeuten. Vor dem Fenster flog der Himmel vorbei, ein Baum tanzte, auf einem Ast machten zwei Tauben Liebe, und ich fragte mich, wann die Last meines Lebens begann, stärker zu sein als meine Kraft, und wann die Kunst, die Last zu tragen und dennoch zu fliegen, mir entflog. Und ob dieses Gefühl bloss vorüberziehende Laune war oder stationäres Leid. War ich bloss down in dem Ausmass, dass ein paar Whiskys mit den richtigen Leuten genügen würden, um mich wieder zu justieren? Oder war ich schon so ausgebrannt, dass ich nicht mal mehr die Energie hatte für ein paar Whiskys mit den richtigen Leuten?
«Michael, was denken Sie?», fragte mein Therapeut.
«Nichts. Ich schau zwei Tauben beim Vögeln zu.»
«Aha. Und was sehen Sie, Michael?»
«?»
«Was löst dieses Bild in Ihnen aus?»
«Verlust von Leichtigkeit», sagte ich.
«Wann, denken Sie, Michael, haben Sie Ihre Leichtigkeit verloren?»
«Mit dem Ende der Stillzeit, der Scheidung meiner Eltern, der Enttäuschung von der letzten Liebe, der letzten Rechnung meines Therapeuten?»
«Sie müssen hier nicht witzig sein, Michael.»
«Sie könnten etwas witziger sein, Doktor.»
«Es geht hier nicht um mich, Michael.»
«Ja, ja. Übrigens, die Tauben vögeln nicht mehr.»
«Macht Sie das traurig, Michael?»
«Na ja, alles ist mal zu Ende. Das ist Leben. Alles ausser Therapien wahrscheinlich.»
«Fragen Sie sich gelegentlich, weshalb die Sucht nach Leichtigkeit als Lebenseinstellung die Tendenz hat, irgendwann zur Last zu werden, und warum verdrängte Lasten nie leichter werden, Michael?»
«Weil wir keine Tauben sind?»