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‚Westasiatisch-muslimische‘ (Huihui ) Medizin und Ärzte im yuanzeitlichen China (13.–14. Jahrhundert)

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Bis noch vor wenigen Jahren wurde die Yuan-Dynastie (1279–1367) in China – eine sogenannte Fremdherrschaft, da die regierende Elite Mongolen waren – in der westlichen Sinologie immer wieder als finsterstes Mittelalter betrachtet, das sich durch Kriege, Tod und Barbarei auszeichnete.1 Nur wenige „Pionierstudien“ lenkten die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass gerade während der Zeit, als China Teil des mongolischen Reiches war, ein reger wissenschaftlicher Austausch zwischen China und dem Westen stattfand und zahlreiche Wissenschaftler vor allem aus dem Iran nach China migrierten.2 Dies betraf u.a. den Bereich der Medizin. Denn die mongolische Herrscherelite legte großen Wert auf medizinische Qualität und förderte medizinisches Wissen, Ärzte sowie die landesweite Etablierung von „Wohlfahrtsapotheken“ (huimin yaoju ). Die Entwicklung im Bereich der Medizin war so positiv, dass Paul-David Buell kürzlich sogar von einer „medical globalization“ sprach.3 Joseph Needham betonte, dass während der Regierungszeit des Khans Khubilai (reg. 1260–1294) „(t)here was a general move (…) to raise the intellectual standing of the physicians.“4 In diesem Zusammenhang gründete der Yuan-Kaiserhof vier medizinische Schulen in der Hauptstadt, die durchweg von persisch-iranischen oder muslimischen medizinischen Praktiken beeinflusst waren.5 Und natürlich kamen auf diesem Wege auch verstärkt Ärzte aus dem Westen nach China, wo sie ihre Medizin und ihre Rezepturen (yaofang ) anwandten. Diese Entwicklung mag sogar manche Chinesen dazu bewogen haben, den Arztberuf zu ergreifen und sich griechischer, westlicher, persischer und arabisch-muslimischer Heilpraktiken zu bedienen. Allgemein attrahierte die positive Politik des Yuan-Hofes gegenüber Ärzten, die traditionell in China eher eine bescheidene soziale Rolle innehatten, mehr Angehörige der chinesischen Elite als in früheren Dynastien.6

Schon während der Tang-Dynastie (618–906) waren zahlreiche Kaufleute und Ärzte aus dem Iran und nach der Eroberung des Persischen Reiches durch die Araber im Zuge der Islamischen Expansion aus verschiedenen arabisch dominierten Regionen nach China eingewandert. Schriften wie das Akhbār al-Sīn wa-l-Hind‘ aus dem Jahre 851 (ein Datum, dass Abu Zaid [9./10. Jahrhundert] dem Werk zuschrieb, als er den Text edierte), geben uns einen detaillierten Einblick in persisch-arabische Siedlungen in China. Abu Zaid zufolge lebten um 878 ungefähr 120.000 ausländische Kaufleute, Muslime, Juden, Christen und Parsen, in China.7 Die Zahl mag übertrieben sein, doch zeugt sie zumindest von einer signifikanten Präsenz von Ausländern.

Zweifellos können wir weder für die Yuan-Zeit noch für frühere Dynastien von einer Massenmigration von Ärzten sprechen, wenngleich dies noch am ehesten auf die Yuan-Zeit zuträfe. Doch herrschte in der Zeit zwischen dem 8./9. und dem 14. Jahrhundert ein reger wissenschaftlicher Austausch zwischen China und dem Iran sowie umliegenden Gebieten. Dieser Austausch war immer auch mit Migration verbunden. Viele der Mediziner und Pharmazeuten, die zur Tang-Zeit nach China kamen, waren offenbar gleichzeitig Kaufleute. Im folgenden Beitrag möchten wir einige Beispiele für die Migration von Huihui-Ärzten aus den „Westgebieten“ sowie für den intensiven wissenschaftlichen Austausch im Bereich der Medizin vorstellen, hier für den Transfer medizinisch-pharmakologischen Huihui-Wissens aus dem Iran und Westasien nach China. Außerdem werden wir eine vorsichtige Einschätzung wagen, inwieweit Huihui-Medizin nicht allein in Kreisen der mongolischen Elite praktiziert wurde, sondern auch Eingang in das soziale Leben der Bevölkerung fand.

Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend

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