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Gesellschaftliche Bedeutung westasiatisch-muslimischer Ärzte im damaligen China

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Auch uighurische und tibetanische Ärzte spielten eine wichtige Rolle in der yuanzeitlichen Medizin. Uighuren werden dabei im Regelfall als ethnische Gruppe aufgefasst und als Huihui bezeichnet. Die Biographie des Dalima bzw. Darima (1279–?), einem Mann aus Gaochang (Khocho bzw. Xoqo östlich des heutigen Urumqi in Xinjiang), wohl Uighur, in der ‚Geschichte der Yuan-Dynastie‘ gibt an, dass er im Jahr 1307 (dade 11) das Amt des Statthalters (Darugachi, chin. daluhuachi ) der Kaiserlichen Apotheke (yu yaoyuan ) erhalten habe und anschließend in das Muslimische Pharmazeutische Büro (Huihui yaowu yuan) gewechselt sei.39 Ein uighurischer Militärarzt, Yuejulianchihaiya (?–1304)40, wurde beauftragt, uighurische Arzneidrogen zu mischen, um eine innerhalb der Armee kursierende ansteckende Krankheit, möglicherweise Pocken (?), zu heilen (yi liao shi yi ), wofür er eine Belohnung von 50 Silberliang erhielt.41 Auch wissen wir von einem sogenannten Sa Qianzhai (fl. erste Hälfte des 13. Jahrhunderts). Sa Qianzhai war Yuan-Beamter und sinisierter Uighur. Sein Beiname, zi , lautete Qianzhai und unter diesem Namen war er bekannt. Er war zwischen 1314 und 1328 zuständig für den Bezirk Jianchang , Nancheng im heutigen Jiangxi und sammelte in dieser Zeit medizinische Rezepturen, die schließlich zur Kompilation des ‚Ruizhu tang jing yanfang ‘ (Erprobte Rezepte aus der Ruizhu-Halle) führten.42

Westasiatische Ärzte waren im damaligen China zweifellos gut etabliert. Gleichfalls wissen wir, dass ein Herrscher wie Hülegü (reg. 1256–1265) ein ganzes Kontingent chinesischer Ärzte am Hofe im Iran bei sich hatte.43 Medizinische Gefolgsleute wurden wie Soldaten oder Künstler rekrutiert, und die zahlreichen Hofärzte, einschließlich ihrer Diagnostiken, Therapien und Heilmittel, wurden häufig im ganzen mongolischen Reich hin- und hergeschoben, so dass sich am Hofe auch mit bestimmter Regelmäßigkeit Ärzte verschiedener kultureller und geographischer Provenienz trafen. Um sie von den mongolisch-schamanistischen Heilern zu unterscheiden, nannten die Mongolen diese ausländischen Ärzte otochi.44

Thomas Allsen geht begründeterweise davon aus, dass „muslimische“ Ärzte bereits seit ungefähr dem 9. Jahrhundert in größeren Hafenstädten präsent waren. Wie wir gesehen haben, erfolgte eine erste Einwanderungswelle ja bereits während der Tang-Zeit. Zur Yuan-Zeit fand schließlich die Einwanderung auch stärker nach Nord- und Zentralchina statt, nach Allsen regelrecht ein „Import“ zahlreicher ausländischer Ärzte.45 Vor dem Hintergrund der allgemeinen Migration von Huihui vor allem in die südöstlichen Küstenregionen Chinas ist die zunehmende Migration von Ärzten verständlich und nachvollziehbar. Jüngere Studien haben beispielsweise auch gezeigt, dass eine zunehmend steigende Anzahl „muslimischer Beamter“ in den südöstlichen Küstenprovinzen wie beispielsweise Fujian tätig war.46 Diese Tendenz wird u.a. auch durch archäologische Relikte wie die in Quanzhou gefundenen „muslimischen“ Grabsteine untermauert.47 Die Lokalchronik des Kreises Zhenjiang in Jiangsu spricht von ungefähr 10.000 sogenannten Besuchern (qiaoyu zhe ), darunter Huihui, Mongolen, Uighuren, nestorianische Christen, Tanguten, Khitan, Dschurdschen und anderen. 374 von ihnen seien Huihui und 106 nestorianische Christen, weitere 310 muslimische (Huihui) und 109 nestorianische Bedienstete.48 Eine solche soziale Umgebung begünstigte natürlich auch die Niederlassung von Ärzten. Mit der starken Zuwanderung „muslimischer“ Kaufleute nach China fanden auch entsprechende medizinische Kenntnisse, Arzneidrogen und Ärzte ihren Weg nach Osten. „Huihui Arzneidrogen“, so ein chinesischer Wissenschaftler, hätten in hohem Ansehen gestanden und wären auch innerhalb der Bevölkerung sehr beliebt gewesen, es habe eine enge Verbindung dieser Händler mit der Distribution „muslimischer“ Arzneidrogen gegeben.49

Nachkommen eines reichen „muslimischen“ Kaufmanns aus Hangzhou namens E-shi-man-nai ) etablierten um den Dynastiewechsel von der Yuan- zur Ming-Dynastie angeblich sogar ein privates Krankenhaus, E-shi-man-ni-ya genannt, in dem sie muslimische Ärzte einstellten: „E-shi-man-nai ) war ein großer Händler (da shangyejia ). Seine Nachkommen erwarben sich auf diesem Gebiet gleichzeitig Respekt; sie führten auf ausgezeichnete Weise die Ambitionen des Vaters fort und unterstützten Bedürftige. Sie etablierten ein architektonisch ansprechendes Krankenhaus mit dem Namen E-shi-man-ni-ya Darüber hinaus führten sie gleichermaßen jede Art von barmherzigen und guten Taten aus. Kranke, die in ihrem Hospital weilten, waren äußerst zahlreich.“50

Die gezielte Migration von Ärzten aus dem Iran und anderen westasiatischen Regionen ist ein Faktum und wird durch verschiedene Quellen direkt oder indirekt belegt. Eine wohl nicht unbeachtliche Gruppe von Medizinern und Ärzten begleiteten den mongolischen Kaiserhof nach China. Weitere migrierten als private Ärzte nach China und praktizierten zweifellos auch außerhalb des Palastes – schon alleine, um die ständig wachsenden Gemeinden von Huihui insbesondere in den südostchinesischen Küstenregionen aber zunehmend auch im Landesinneren zu betreuen. Wir können also für die Yuan-Zeit von einer fortbestehenden Migration von Ärzten nach China sprechen. Außer Zweifel steht auch, dass damals die politischen, religiösen und kulturellen Rahmenbedingungen im yuanzeitlichen China die Migration von Ärzten nicht nur begünstigten, sondern regelrecht politisch förderten. Dennoch bleibt es schwierig, das genaue Ausmaß der Migration abzuschätzen, geschweige denn konkrete Zahlen für ganz China zu nennen.

Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend

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