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Medizinischer Wissenstransfer

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Zwei der wohl wichtigsten medizinischen Texte des yuanzeitlichen China sind das ‚Yinshan zhengyao‘ (Prinzipien einer korrekten Diätetik), ein Text zur Diätetik, der von einem kaiserlichen Hofarzt am mongolischen Hof, Hu Sihui , verfasst und kürzlich von Paul-David Buell und Eugene Anderson ins Englische übertragen wurde51, sowie ein frühmingzeitliches Manuskript mit zahlreichen Rezepturen, die in der persischen Medizin in Gebrauch waren, das ‚Huihui yaofang‘ („Muslimische“ Medizinische Rezepturen).52 Der Autor des ‚Yinshan zhengyao‘ soll Buell und Anderson zufolge eine türkische Sprache, wahrscheinlich uighurisch, gesprochen haben und in einer chinesisch-türkischen und schließlich mongolischen Mischkultur aufgewachsen sein. Sie weisen auch darauf hin, dass viele Rezepte eine klare Verbindung zu denen der modernen Hui-Gruppen in Ningxia besäßen.53

Das ‚Huihui yaofang‘ war möglicherweise ursprünglich Teil einer Enzyklopädie oder eines Handbuches zur Praxis der muslimischen Medizin, welches Ärzten in China als Handbuch diente. Ein Text wie das ‚Huihui yaofang‘ belegt nicht nur die Bedeutung der „westasiatischen“ Medizin zumindest in den Elitekreisen des damaligen China, sondern liefert uns auch wichtige Einblicke in Rezepturen und verwendete Drogen. Das Textkorpus wurde wahrscheinlich aus einer oder mehreren persischsprachigen medizinischen Enzyklopädien oder Kompendien sowie Manuskripten spezifischer Autoren (z.B. al-Samarqandi) zusammengestellt.54 Der Text, ich zitiere meinen Kollegen Paul-David Buell, „is unique in the Chinese tradition in its Arabic script entries, as well as Chinese transcriptions, recording the foreign names of medicinals and simples, individuals cited, and even technical terms. It is also unique for China in showing the clear influence of Persian syntax, even to the point of incomprehensibility in some Chinese entries. It provides definite indications that the work was created in a cultural environment that was very mixed and where Chinese was just one of several languages in use.“ „[It is] throughout replete with quotations from various medical authorities, including Zhalinuxi , the Arabic form for Galen[os], and other Greek and Middle Eastern authorities.“55 Das ‚Huihui yaofang‘ kann insofern auch belegen, dass das medizinische Wissen, das die Araber nach China brachten, im Wesentlichen auf der griechischen Medizin beruhte. Auch in diesem Zusammenhang wird also deutlich, dass es problematisch ist, einfach von muslimischer Medizin zu sprechen. Das medizinische Wissen, das im 13. und 14. Jahrhundert nach China gelangte, hatte schon im Westen über Jahrhunderte hinweg verschiedene Traditionen aufgesogen. Ferner erhalten wir im ‚Huihui yaofang‘ Einblick in die Verwendung spezifischer Drogen, zumindest am yuanzeitlichen Kaiserhof.

Wie kam diese Textsammlung nach China? Möglicherweise durch einen syrischen Christen, Aixie oder auch Axiye in chinesischen Quellen, der in den 1240ern in den Dienst der mongolischen Herrscher trat und das ‚Huihui yaofang‘ vielleicht als Tributgeschenk an den Kaiserhof mitbrachte. Aixie war bekannt für seine medizinischen Kenntnisse.56 Er trat erstmals während der Regierungszeit des Khans Güyük (reg. 1247–1249) in mongolische Dienste und praktizierte verschiedenste Formen westasiatischer Medizin. Er war auch als nestorianischer Arzt bekannt, der von Rashīd al-Dīn (1247–1317) als ‘Isā bezeichnet wurde. Aixie bzw. ‘Isā stieg später sogar zum Direktor des „Amtes für Umfassende Wohltätigkeit“ (Guanghui si) auf. Auch Rashīd al-Dīn selbst sowie Personen aus seinem Umkreis mögen eine aktive Rolle bei der Transmission des ‚Huihui yaofang‘ nach China gespielt haben.57 Y. C. Kong and D. S. Chen sind der Auffassung, dass ein gewisses Chaos, hervorgerufen durch die zunehmende Verwendung muslimischer Arzneimittel geradezu nach einer Standardisierung schrie, deren Resultat die Kompilation des ‚Huihui yaofang‘ war.58

Ein fortbestehendes Interesse der Chinesen an westasiatischen Arzneidrogen kann durch die Übersetzung medizinischer Literatur in der frühen Ming-Zeit bestätigt werden. Der erste Ming-Kaiser, Hongwu (reg. 1368–1398), gab im Jahr 1382 einem gewissen Huo Yuanqie [oder und weiteren, alles Mitglieder der Hanlin-Akademie (unter ihnen ein gewisser Mashayihei Mohamed , siehe unten) den Auftrag, ein „Sino-Barbarisches Wörterbuch“ (Huayi yiyu ), unterteilt in vier Kategorien, zu verfassen, offenbar eine Art mongolischer Enzyklopädie einschließlich Sektionen über Astronomie, Geographie, Zoologie, Speisen, Bekleidung etc.59 Dieser Auftrag zeugt deutlich von der Bedeutung, die der Kaiser einer westasiatischen Sprache und entsprechenden Kenntnissen beimaß. Mashayihei Mohamed war ferner der Muslim, der offenbar ein Werk namens ‚Huihui yishu‘ (Buch der Muslimischen Medizin), unterteilt in 26 Kapitel Innere Medizin (neike ) und sechs Kapitel Äußere Medizin (waike ) verfasste60. Dieses ‚Huihui yishu‘ war offensichtlich ursprünglich in der mingzeitlichen Enzyklopädie ‚Yongle dadian‘ (Kapitel 1426 bis 1464) enthalten, ist aber heute verlorengegangen. Es enthielt sieben Kapitel zu medizinischen Rezepturen (yaofang ). Das ‚Huihui yaofang‘ mag ursprünglich sogar Teil dieser ‚Huihui yishu‘-Enzyklopädie bzw. dieses medizinischen Handbuches gewesen sein.61

Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend

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