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V. Wegfall der Geschäftsgrundlage

1. Rechtslage vor dem 1.1.2002

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Durch wirtschaftliche Umwälzungen, die nach der Begründung eines Schuldverhältnisses eintreten und nicht voraussehbar waren, kann der Wert der geschuldeten Leistung außergewöhnlich verändert werden. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann es erforderlich sein, dass die gegenseitigen Verpflichtungen geändert werden oder dass sie entfallen. Allerdings ist die Berufung auf eine Veränderung der Geschäftsgrundlage nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint.89 Bei Lizenzverträgen, die langfristig sind, kann z.B. eine Lizenzgebühr, die in festen Beträgen ausgedrückt ist, durch wirtschaftliche Ereignisse ihren Wert nahezu vollständig verlieren, wie dies auch bei anderen Verträgen vorkommen kann.

Ein besonderes Problem des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann sich bei Lizenzverträgen dadurch ergeben, dass die Erfindung wirtschaftlich nicht oder nicht mehr sinnvoll verwertet werden kann, insbesondere auch die Erfindung veraltet ist. Wird eine Erfindung, für die eine Lizenz besteht, durch neue Entwicklungen in der Weise überholt, dass sie wirtschaftlich nicht mehr zu verwerten ist, so kann der Lizenznehmer nach Treu und Glauben nicht mehr an dem Vertrag festgehalten werden. In der Literatur wurde vielfach der Wegfall der Ausübungspflicht des Lizenznehmers bejaht, ohne dass ihm ein Kündigungsrecht eingeräumt wurde.90 Schade will unterscheiden, ob die Überholung des Lizenzgegenstandes auf eine Neuentwicklung des Lizenzgebers zurückzuführen ist oder auf die Entwicklung eines Dritten. Im ersten Fall falle eine Erschwerung der Ausübung in seinen Risikobereich. Das bedeute, dass sich hier der Lizenznehmer von dem Vertrag lossagen könne. Im zweiten Fall dagegen habe keiner der beiden Vertragspartner eine Einwirkungsmöglichkeit. Man müsse deshalb von einer risikoneutralen Sphäre sprechen und beiden Teilen eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestatten.91 Der Bundesgerichtshof hat betont, dass in dem Fall, in dem sich erweist, dass eine wirtschaftliche Verwertung des Lizenzgegenstandes nicht oder nicht mehr möglich ist, der Lizenznehmer nicht mehr an eine vertraglich übernommene Ausübungspflicht gebunden ist.92

Der Lizenznehmer kann nach Auffassung des BGH nicht gezwungen werden, nur „mehr oder weniger unverkäuflichen Schrott zu produzieren“ und „sehenden Auges seinem Ruin entgegenwirtschaften“. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass keineswegs allein der geschäftliche Misserfolg einer Lizenzierung dazu führt, die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Selbst wenn die Vertragsparteien von günstigen Umsatzerwartungen ausgegangen sind, die sich nachher in keiner Weise realisieren, wird nicht ohne Weiteres Raum für die Anwendung dieser Grundsätze sein. Der BGH hat in diesem Zusammenhang betont, dass der geschäftliche Misserfolg eines Lizenzvertrages grundsätzlich in den Risikobereich des Lizenznehmers fällt.93 Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn ausnahmsweise bestimmte Bedarfs- oder Umsatzzahlen Geschäftsgrundlage geworden sind.

Steht jedoch die Unzumutbarkeit einer weiteren Lizenzausübung wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit des Lizenzgegenstandes fest und sieht der Vertrag selber keine angemessene, kurze Kündigungsfrist vor, wird man dem Lizenznehmer ein derartiges Kündigungsrecht zubilligen müssen. Da in diesem Fall die Anpassung eines Vertrages nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann, erscheint nur die Aufhebung des Lizenzvertrages infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage möglich.94 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH die Frage ausdrücklich offengelassen hat, ob z.B. der Wegfall einer Ausübungspflicht im Hinblick auf die technische Unverwertbarkeit der Erfindung die Parteien berechtigen könnte, das gesamte Vertragsverhältnis etwa durch Kündigung zu lösen.95

Bei Lizenzverträgen über Geheimerfindungen, für die kein Schutzrecht besteht, gilt dasselbe, wenn die Erfindung offenkundig wird. Eine offenkundige Erfindung kann von jedermann nachgeahmt werden. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Lizenznehmer noch am Vertrag festzuhalten. Die Aufrechterhaltung des Lizenzvertrages kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein.96

2. Rechtslage ab dem 1.1.2002

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§ 313 BGB regelt jetzt den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Inhaltlich sind die Grundsätze der Rechtsprechung übernommen worden. Es kann daher auf die Ausführungen in Rn. 85 verwiesen werden.97

89 Die Ausführungen zur Rechtslage vor dem 1.1.2002 bleiben nach wie vor relevant, da es aufgrund der gesetzlichen Laufzeit von Schutzrechten, aber auch aufgrund des sehr oft sehr langen Geheimnisschutzes von geheimem Know-how und entsprechenden Lizenzverträgen immer noch Lizenzverträge gibt, die nach dem Recht vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden. BGH, 21.11.1968, NJW 1969, 233, 234; BGH, 13.11.1975, NJW 1976, 565, 566; Benkard, PatG, Rn. 206 ff., 209 ff. zu § 15 m.w.N. 90 Lüdecke/Fischer, S. 469; Reimer, PatG, Anm. 55 und 112 zu § 9; Tetzner, Anm. 20 zu § 9. 91 Schade, S. 93; Pfaff/Osterrieth, S. 241, Rn. 245; Benkard, PatG, Rn. 206 ff. zu § 15. 92 BGH, 10.11.1977, GRUR 1978, 166; Benkard, PatG, Rn. 134 ff., 206 zu § 15. 93 BGH, 15.3.1973, GRUR 1974, 40, 43; Benkard, PatG, Rn. 206 f. zu § 15. 94 Vgl. Falck, GRUR 1965, 302; Schade, S. 102; Storch, GRUR 1978, 168; Benkard, PatG, Rn. 206 f. zu § 15. 95 BGH, 11.10.1977, GRUR 1978, 166. 96 Henn, Rn. 9, 29, 298 ff. m.w.N.; Stumpf, Der Know-How-Vertrag, Rn. 174, 219 f. 97 Palandt/Grüneberg, § 313 Anm. 1 ff., 62.

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