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Kapitel 5

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„Sie stinken.“

Han-Keltor wandte den Kopf und sah den Sprecher spöttisch an. „Menschen stinken immer.“

Der Krieger verzog missmutig das Gesicht. „Mag sein. Aber diese stinken besonders.“

„Das ist normal“, murmelte Lutrus. „Immerhin sind sie schon eine Weile tot.“ Der erfahrene Krieger blickte in die Mulde hinunter, in der eine Gruppe Kämpfer kauerte. Ein Stück abseits lagen die Leichen mehrerer mentevischer Soldaten. Han-Keltors Gruppe hatte die kleine Grenzpatrouille der Menschen vor zwei Tagen überrascht. „Schade, dass sie so nutzlos verderben. Wir hätten uns ein paar gute Stücke von ihnen nehmen sollen.“

„Nicht einen einzigen Bissen“, zischte Han-Keltor. „Du weißt genau, dass wir ihre Leiber unversehrt brauchen. Von den Kampfwunden abgesehen“, fügte er kalt lächelnd hinzu. „Schließlich soll man später glauben, die Menschen seien hier siegreich gewesen und hätten sich zurückgezogen, nachdem sie ihre Toten verscharrt haben. Menschen fressen einander nicht, Lutrus, nicht wahr? Also darf es keine Bissspuren geben.“

Lutrus sah auf die Leichen und spuckte aus. „Ja, du hast Recht. Schade. Aber inzwischen ist ihr Fleisch ohnehin schon halb verdorben.“

Sie sahen sich an und lachten. Han-Keltor zog den runden Helm vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne brannte unbarmherzig herab und erfüllte den Pass mit glühender Hitze. Der helle Sand, der den Boden an den meisten Stellen bedeckte, war fast zu heiß, um ihn betreten zu können. Für die Männer, die dort unter dem Sand verborgen lagen, musste es nahezu unerträglich sein. In ihren engen Löchern liegend, von einer Decke und einer dünnen Schicht Sand bedeckt, würde es ihnen vorkommen, als lägen sie auf dem glühenden Rost einer Feuerstelle. Aber sie hielten sich gut. Nichts bewegte sich dort draußen im Pass und die dünnen Pflanzenstängel, durch welche die Krieger atmeten, fielen zwischen den kleinen Grasinseln im Sand nicht auf.

„Ich hoffe, der Wind dreht nicht“, murmelte Han und setzte den Helm wieder auf. „Sonst treibt der verdammte Verwesungsgestank in den Pass hinein und die Eskorte kann ihn riechen. Die Reps der Ehrenwache haben eine feine Nase.“

„Die Reitechsen werde nur auf den Geruch des brünstigen Weibchens achten“, versicherte Lutrus. „Aber keine Sorge, der Wind wird nicht drehen. Es ist Frühsommer, da kommt er hier immer von Norden. Schließlich haben wir den Ort und den Zeitpunkt sorgfältig gewählt.“

„Und wir haben lange Zeit auf diese Gelegenheit gewartet“, seufzte Han-Keltor. „Eine verdammt lange Zeit, damit uns der Fang in die Falle geht.“

„Noch ist die Falle nicht zugeschnappt.“ Lutrus gähnte. „Diese Warterei geht mir auf die Nerven.“

„Wir mussten fast drei Jahre auf diese günstige Gelegenheit warten, da wirst du die paar Augenblicke auch noch aushalten.“ Han-Keltor drehte sich auf den Rücken und blickte erneut in die Mulde hinab.

Innerhalb der vergangenen drei Jahre war Tirana-Valkar im Rat der Berengar aufgestiegen und ihre Stimme hatte dort an Bedeutung gewonnen. Han war nun der Kriegsherr der Blauhand und beide waren, nach der traditionellen Trauerzeit um Tiranas vorherigen Gemahl, auch offiziell miteinander verbunden. Langsam kamen sie ihren Zielen näher. Tirana der Macht als Oberherrin der Clans und Han der Position ihres obersten Kriegsherrn. Ihr gemeinsamer Weg würde das Volk der Berengar in den Krieg gegen die Mentever führen, doch dies gestaltete sich nicht ganz so leicht, wie Han-Keltor dies erhofft hatte. Auch wenn die Ressourcen der Menschen und der Ruhm des Kampfes viele der Krieger lockten, so ließen sich die Kriegsherren der Clans nur schwer überzeugen. Sie gehorchten den beschwichtigenden und mahnenden Worten der alten Thaanit, welche den Kriegsgelüsten mit der Erinnerung an die selbstmörderischen Clankriege der Vergangenheit entgegen trat. Han und Tirana war bewusst, dass ihr Plan keine Aussicht auf Erfolg hatte, solange die derzeitige Thaanit über die Clans regierte. Doch so alt sie auch war, sie schien ein sehr langlebiges Wesen zu sein und weder Han-Keltor, noch Tirana-Valkar, wollten sich in der Geduld üben, auf ihren natürlichen Tod zu warten. Sareda-Manor, die alte Oberherrin, musste sterben und Han und Tirana hatten einen hinterhältigen Plan ersonnen, dies zu bewirken.

Mit der Geduld eines erfahrenen Wüstenkriegers trafen sie die notwendigen Vorbereitungen, denn wenn die Thaanit starb, durfte kein Schatten des Verdachts auf ihre wahren Mörder fallen. Tirana-Valkars Position erlaubte es ihr, die Absichten der alten Thaanit in Erfahrung zu bringen und Han-Keltor weihte behutsam jene Männer ein, die ihm Bedingungslos folgten. Sie mussten sehr behutsam vorgehen. Selbst in ihrem eigenen Clan, der Blauhand, würde man den Mord an der Oberherrin nicht gut heißen. So waren die Vorbereitungen nur langsam gediehen.

Han-Keltor weihte nur ihm verschworene Krieger in das Vorhaben ein und Tirana, als Mitglied des Thaan, sammelte alle verfügbaren Informationen über die Gewohnheiten der Oberherrin. Endlich hatten sie in Erfahrung bringen können, auf welchem Weg die regierende Thaanit diesmal unterwegs war. Die Gelegenheit war günstig. Angeblich war Han mit seinen Vertrauten weit unten im Süden unterwegs. So würde kein Verdacht auf die Verschwörer fallen. Wurde der heutige Tag von Erfolg gekrönt, dann hatten sich das Warten und die Mühe der vergangenen Jahre gelohnt.

Han betrachtete den menschlichen Bogen, der neben Lutrus im Sand lag. „Wirst du damit treffen können?“

Lutrus grinste kalt. „Du weißt, ich kann mit jeder Waffe treffen. Erst recht mit einem Bogen der Menschen. Sie bauen gute Waffen.“

„Falls einer der Reiter zu entkommen versucht, musst du ihn mit einem Menschenpfeil töten.“

„Ich werde ihn treffen, verlass dich darauf. Bist du sicher, dass sie hier entlang kommen?“

Han-Keltor sah Lutrus böse an. „Verdammt, ja. Du fängst an, mir auf den Nerv zu gehen. Die Oberherrin inspiziert alle Grenzanlagen. Jede einzelne der Wachen. Sie tut es sehr sorgfältig und lässt keine aus. Die verdammte Thaanit und ihre Eskorte werden hier vorbei kommen. Mitten durch den Pass und dann schlagen wir zu.“

Han-Keltor seufzte unbehaglich. Die Wache der Thaanit bestand aus erfahrenen Kriegern, die sicher nicht wehrlos sterben würden. Die meisten von ihnen waren zudem, neben den üblichen Köchern mit Farsawurzeln, mit metallenen Schwertern bewaffnet. Auch Hans Gruppe war inzwischen mit solchen Klingen ausgestattet. Sie hatten sie beim Massaker an den mentevischen Soldaten erbeutet. Diese Handvoll Schwerter, Pfeile und Bogen mussten ausreichen, die Eskorte der Oberherrin auszulöschen. Es durften keine Farsas eingesetzt werden, denn die Wunden der getöteten Eskorte mussten so aussehen, als seien Menschen für den Überfall verantwortlich.

Han-Keltor leckte sich über die aufgesprungenen Lippen.

Für einen Augenblick war er versucht, seine Wasserflasche zu nehmen. Viel war nicht mehr darin. Sie hatten den Hinterhalt schon vor einer Weile vorbereitet und kein Wasser nachfüllen können. Es wäre ein schlechtes Beispiel für die Männer, wenn ihr Führer seine Flasche als Erster leerte. Er drehte sich missmutig auf den Bauch herum, nahm einen kleinen Stein und schob ihn in den Mund.

„Die Eskorte der Thaanit ist nur zwanzig Echsenreiter stark. Aber es sind ausgewählte Kämpfer.“ Lutrus nahm sich ebenfalls einen Stein. „Es sind die Besten.“

„Unsere Männer sind gut und der Hinterhalt sorgfältig angelegt. Wir haben alles bedacht.“

Der alte Krieger wiegte den Kopf. „Man hat nie alles bedacht. Wird sie dir nicht langweilig?“

„Was?“

„Tirana-Valkar. Macht es dir immer noch Spaß, sie zu besteigen?“

Lutrus war Hans bester Krieger und sein Vertrauter. Kein anderer Mann hätte diese Worte ausgesprochen und sie überlebt. Han sah den Älteren an und lächelte. „Du kennst ihre Schenkel nicht. Zwischen ihnen wird es niemals langweilig.“

„Kann ich offen sprechen?“

„Du bist der Einzige, der das kann, das weißt du.“

„Behalte sie gut im Auge. Sie ist verdammt ehrgeizig und wenn sie erst Thaanit geworden ist, wird sie durch nichts mehr aufgehalten.“

Han-Keltor zuckte die Schultern. „Auch ich bin ehrgeizig. Und ich werde ihr oberster Kriegsherr sein.“

„Sei trotzdem vorsichtig. Sie ist nicht nur ehrgeizig, sondern auch ohne Ehre. Du könntest ihr im Wege stehen.“

Han-Keltor duckte sich tiefer hinter den Kamm des kleinen Hügels. „Sie kommen. Staub an der Biegung des Passes. Das müssen sie sein.“ Er wandte sich den wartenden Kriegern zu und gab das vereinbarte Zeichen.

Der Pass war eigentlich eine lange Schlucht, die sich in dem riesigen Gebirge entlang zog, welches die Länder der Berengar vom Reich der Menschen trennte. Diese Schlucht folgte dem unsichtbaren Grenzverlauf und war stellenweise mehrere Kilometer breit. Von ihr zweigten ein paar Pfade ab, die in das Land Menteva hinein führten. Diese wenigen Gebirgspässe wurden bewacht. Auf der einen Seite von den Spähern der Berengar und auf der anderen von den Soldaten Mentevas.

Immer wieder versuchten kleine Trupps der Berengar in das Gebiet des Feindes vorzudringen. Vor allem in der Nacht gelang es hin und wieder, an den Wachen vorbei zu schleichen. Die Soldaten Mentevas versuchten dies zu verhindern, um die wehrlosen Grenzdörfer zu schützen. Sie waren gute und fähige Soldaten, aber keine Bergbewohner. Zwischen Fels und Sand waren sie den Berengar unterlegen, die mit dem Land zu verschmelzen schienen. Han-Keltor war mit einer Handvoll seiner Männer in die Nähe eines Grenzpostens geschlichen und hatte einige der Soldaten zu einer Verfolgung verleiten können. Die Menschen hatten dies mit ihrem Leben bezahlt. Ihre Leiber und Waffen würden Han-Keltor nun behilflich sein, den ersehnten Krieg endlich auszulösen.

Der Krieg gegen die Menschen war unausweichlich, daran hatte Han keinen Zweifel. Doch die meisten Kriegsherren der Clans zögerten. Keiner ihrer Kampftrupps würde über die Grenze gehen, solange die Thaanit nicht den Befehl dazu gab. Die Blauhand war alleine jedoch zu schwach, den Krieg zu den Menschen zu tragen und die Menschen wiederum waren zu klug, ins Land der Berengar vorzudringen. Für Han und seine verschworene Gruppe stand somit fest, dass die alte Thaanit sterben musste, damit eine neue Thaanit den Krieg befehlen konnte.

Die Thaanit war die Oberherrin der Berengar. Sie stand den Clans und ihrem Rat vor und entschied über die Geschicke des Volkes. Die Frauen des Rates, des Thaan der Berengar, berieten sie dabei, aber die Thaanit war es, welche die letzte Entscheidung fällte. Sie war eine sehr kluge und sehr alte Frau und sie hatte ihr hohes Alter nur erreicht, da sie auch eine sehr vorsichtige Frau war. Seit die Berengar vereint waren, wurde sie zwar nicht mehr von feindlichen Clans bedroht, doch die Thaanit wusste, dass es Neider gab und die Grenze zum Menschenreich Menteva war relativ nah. So hatte sie bei dieser Reise die übliche Ehreneskorte von zehn Echsenreitern verdoppelt.

Heset-Barnor war ein erfahrener und kampferprobter Veteran vieler Schlachten und er führte die Eskorte an. Er ritt eine der größten Reitechsen, die man je gesehen hatte und es war ein Männchen mit tiefrotem Kehlsack. Heset-Barnor war während der Reise durch den Pass unruhig gewesen und ständig zwischen Vorhut und Nachhut hin und her getrabt. Die zahllosen Felsen und Klippen waren hervorragende Möglichkeiten für einen Hinterhalt und der oberste Leibwächter der Thaanit entspannte sich merklich, als man sich nun dem Ende der langen Schlucht und dem offenen Gelände näherte.

Er trieb die Spornstachel in die Flanken seiner Reitechse und ritt neben den Wagen, in dem die Thaanit reiste. Früher hatte die Oberherrin es genossen, selbst auf einer Echse zu reiten, aber die vielen Jahre ihres Lebens hatten von Sareda-Manor ihren Tribut gefordert. Doch obwohl ihr Körper allmählich zu zerfallen begann, waren ihr Verstand und ihr Willen ungebrochen. Sie lag auf den weichen Polstern eines zweirädrigen Wagens, der von zwei Echsen gezogen wurde. Es waren kastrierte Männchen, die auch in der Nähe brünstiger Weibchen nicht unruhig waren und der Oberherrin somit eine ruhige Fahrt garantierten. Der Fahrer auf dem überdachten Bock achtete darauf, dass die Räder des ungefederten Fahrzeugs nicht in tiefe Löcher sackten oder gegen größere Steine stießen. Der Rücken der Oberherrin schmerzte wieder einmal und es war nicht ratsam, ihren Unmut zu erregen.

„Der Pass öffnet sich, Hohe Thaanit“, sagte Heset-Barnor ehrerbietig. „Freies Gelände liegt vor uns. Das Schlimmste habe wir nun überstanden.“

„Du meinst die größte Gefahr, Heset-Barnor. Die größte Gefahr.“ Die Stimme Sareda-Manors glich einem heiseren Krächzen. „Aber nicht das Schlimmste. Warte, bis dein Rücken einmal so schmerzt, wie meiner. Dann kann der Tod dir eine Erlösung sein.“

Der Führer der Leibwächter warf dem Fahrer einen scharfen Blick zu. Aber der Mann tat, was er konnte, um es der Thaanit leichter zu machen. „Wir werden bald freien Sand erreichen. Dann wird der Weg besser.“

Es war drückend heiß und die Luft schien zu flimmern. Die Männer der Eskorte waren froh, das offene Land zu erreichen, wo sich die Hitze nicht zwischen den Felsen staute. Selbst die Echsen litten, obwohl sie die Wärme der Wüste gewohnt waren.

Wieder einmal glitten Heset-Barnors Blicke über die Hänge der Schlucht, sogen jede Einzelheit in sich auf. Er sah, wie eine der Reitechsen aus dem Tritt kam und die Formation verließ. Der Kehlsack begann sich intensiver zu färben und die Echse beugte sich ein wenig vor, balancierte ihren Körper mit dem kräftigen Schwanz aus.

„Verflucht.“ Heset spornte sein eigenes Männchen an. Auch ihm war anzumerken, dass es Witterung aufgenommen hatte, aber Heset hatte sein Rep gut trainiert und es folgte seinem Willen. „Gebt Acht, Männer“, rief er der Vorhut zu. „Hier muss sich ein brünstiges Weibchen herumtreiben.“

Die Echsen lebten eigentlich in Gruppen, aber es kam vor, dass paarungsbereite Weibchen einzeln umherstreiften um einen Bullen zu suchen und ein neues Rudel zu gründen.

Das erregte Reptilmännchen in der Vorhut reagierte kaum noch auf die Befehle seines Reiters und verließ die Formation. Es war ein verdammtes Pech, hier draußen auf ein brünstiges Weibchen zu stoßen und doppeltes Pech, dass dieses Rep-Männchen der Eskorte nicht kastriert worden waren.

Ein anderer Reiter der Vorhut sah, dass sein Gefährte in Schwierigkeiten war. Er scherte ebenfalls aus, um ihm beizustehen und das wild gewordene Männchen zu beruhigen.

„Haltet die Formation“, brüllte Heset-Barnor erregt. „Die Formation halten!“

Nun waren es drei Reptilienreiter der Vorhut, die sich aus der kleinen Kolonne lösten. Ein gutes Stück voraus lag das offene Gelände und dort war ein einzelnes Weibchen zu erkennen, welches die Erregung der Männchen ausgelöst hatte. Es schien abzuwarten, schaukelte mit dem Kopf und machte jene nickenden Bewegungen, welche die Repbullen in wilde Paarungsgier versetzten. Zwar reagierte nur einer der Bullen, doch der rannte der Eskorte nun weit voraus und die Versuche seines Reiters ihn zu zügeln, blieben vollkommen erfolglos. Ein Stück zurück folgten die beiden anderen Männer und holten allmählich auf. Die übrigen sieben Reiter der Vorhut hielten ihre Formation, aber ihre Aufmerksamkeit galt nun ausschließlich der kleinen Verfolgungsjagd. Keiner von ihnen achtete noch auf die Umgebung. Auch einige Männer der Nachhut blickten nach vorne. Andere ließen sich nicht ablenken und hielten die Hänge der Schlucht im Auge. Es sollte ihnen kaum nützen, denn die Gefahr war sehr viel näher, als sie vermuteten.

Direkt vor einem der Reiter schien sich der Boden zu öffnen und in einem Wirbel aus Sand erhob sich ein Krieger Han-Keltors, der nur wenige Augenblicke benötigte, um sich zu orientieren und seine Axt zu schleudern.

Der getroffene Reiter kippte lautlos hintenüber.

Die anderen reagierten sofort und einer zog sein wertvolles Metallschwert mit einer gleitenden Bewegung. Sein Rep sprang mit einem kurzen Satz neben Hans Krieger und die Klinge sauste im tödlichen Hieb nach unten.

„Hinterhalt!“, schrie einer der Leibwächter, während ringsum der Sand in Bewegung war.

Han-Keltor hatte zwanzig seiner Männer im Sand verborgen, die sich nun fast gleichzeitig erhoben. Allerdings waren die Krieger über eine weite Fläche verstreut, da niemand mit Bestimmtheit hatte voraussagen können, wie weit sich die Kolonne der Thaanit auseinander ziehen würde.

Eine Leibwache stürzte, dann eine weitere, doch Heset-Barnors Kämpfer gerieten nicht in Panik. Sie waren noch immer im Vorteil, denn sie saßen auf ihren Reps. Eine gut trainierte Reitechse war selbst eine Waffe. Während die Reiter mit ihren Waffen kämpften, nutzten die großen Reptilien ihre scharfen Kampfklauen und ihre Gebisse. Die wenigen Männer Han-Keltors waren keine ernste Bedrohung.

Die wirkliche Bedrohung lauerte in der Mulde, in der Han-Keltor mit dem Haupttrupp seiner Kämpfer ausgeharrt hatte. Als der Überfall begann, schnellten er und die anderen los. Die Begleitreiter waren in Kämpfe verstrickt und bemerkten erst spät, dass sich ein weit größerer Trupp mit langen Sätzen näherte.

„Schützt die Thaanit“, erhob sich Heset-Barnors Stimme über den Kampflärm. „Bildet einen Kreis um den Wagen und schütz die Oberherrin!“

Der Vorhutreiter auf dem paarungswilligen Männchen hatte nun das Weibchen fast erreicht und jeden Versuch aufgegeben, seinen Bullen aufzuhalten. Schockiert erkannte der Mann die massive Kette, mit der das Rep-Weibchen an einen Pflock gefesselt war. Dem Bullen war dies vollkommen gleichgültig, er hatte sein Ziel nun vor sich und besprang das brüllende Weibchen von hinten. Während er ihm verlangend in den Nacken biss, flog sein Reiter in hohem Bogen aus dem Sattel und kam so unglücklich auf, dass er sich das Genick brach.

Die beiden folgenden Begleitreiter konnten ihre Reitechsen herumziehen, doch mitten in der Bewegung wurde einer von ihnen von einem Pfeil in der Brust getroffen. Sein Gefährte erkannte die Gefahr und spürte, dass es keinen Erfolg versprach, zum Wagen zurückzukehren. Er begriff ebenso, dass dieser Hinterhalt von Berengar gelegt worden war und dass der Rat der Thaan von diesem Verrat erfahren musste. Er hatte das Zeichen der blauen Hand auf der gefesselten Echse erkannt und wusste, wer für die schändliche Tat verantwortlich war. Die Reitsporne bohrten sich tief in die Flanken seiner Reitechse, das Tier streckte sich und schnellte förmlich über den Boden. Doch der Pfeil, gelöst von Lutrus Hand und einem menschlichen Bogen, war schneller.

Han-Keltor und seine Gruppe hatten nun den Kampfplatz erreicht. Von seinen Männern, die sich zuvor eingegraben hatten, stand kaum noch einer auf seinen Beinen, doch sie hatten der Eskorte der Thaanit zugesetzt und Han die erforderliche Zeit verschafft.

„Verfluchter Verräter.“ Heset-Barnor hatte Han-Keltor erkannt und trieb seine Echse an, um den Kriegsherrn der Blauhand zu stellen.

Han und Heset kannten sich. Sie hatten sich in den letzten Jahren oft getroffen, wenn die Thaanit Rat hielt und Tirana-Valkar zur Oberherrin reiste, um daran teilzunehmen. Die beiden Männer empfanden schon immer eine instinktive Abneigung voreinander und zugleich respektierten sie sich als Kämpfer. Dieser Respekt ging jedoch nicht soweit, dass Heset-Barnor den Vorteil aufgegeben hätte, den ihm die zusätzliche Kampfkraft seiner Reitechse verlieh. Er würde alle Waffen anwenden, um Han-Keltor zu bezwingen und dieser wusste das. Er hätte nicht anders gehandelt. Der Sieg zählte und nur den Überlebenden interessierte es noch, wie er errungen worden war.

Um sie herum waren die Schreie der Kämpfenden zu hören, das Stampfen der Schritte und Klirren der Waffen. Gelegentlich das Schmatzen, mit dem sich eine Klinge in Fleisch grub. Es stank nach den Exkrementen der Reitechsen und nach vergossenem Blut.

Auch Han führte ein wertvolles Metallschwert und es war der erstklassige Stahl einer mentevischen Klinge. Damit ließ sich feinstes Tuch ebenso sorgfältig durchtrennen, wie der metallene Panzer eines Kämpfers.

Oder die Sehnen einer Reitbestie.

Han-Keltor beabsichtigte nicht, den Anführer der Leibwache im Vorteil zu lassen. Er warf sich zur Seite, als dieser auf seinem Rep heran stürmte. Wie er erwartet hatte, versuchte die Echse nach ihm zu schnappen, als er dem Angriff auswich. Dazu verlagerte das Reptil sein Gewicht, denn es wollte Hans Ausweichbewegung folgen. Für einen Lidschlag waren die Sehnen des rechten Hinterlaufes in Hans Reichweite und der nutzte die Gunst des Augenblicks. Der blitzende Stahl fuhr in das Bein des Reps, durchtrennte Sehnen und Muskeln und während die Klinge zurückgezogen wurde, verlor die Reitechse die Balance und stürzte, sich überschlagend, zu Boden.

Heset-Barnor wurde mitgerissen und bekam seine Füße nicht rechtzeitig aus den Steigbügeln. Er schrie schmerzerfüllt auf, als sein Reittier auf ihn fiel und ihm Bein und Hüfte brach. Das verwundete Reptil fauchte schmerzerfüllt und schnappte nun wild um sich, gefährdete seinen Reiter und auch Han, der sich jetzt von der anderen Seite näherte.

Einer der letzten lebenden Leibwächter versuchte seinem Anführer beizustehen. Bereits verwundet, stellte er sich Han entgegen. Kein ernsthafter Gegner und kaum mehr als zwei rasche Bewegungen wert, dann sackte der Mann tot zusammen. Aber diese rasche Abfolge von Schlag und Stoß, die Han benötigte um zu töten, verschaffte dem verletzten Heset-Barnor etwas Zeit.

Der Führer der Leibwächter versuchte unter unsäglichen Schmerzen, sich unter dem Leib seines Reittieres hervor zu stemmen. Mit den Armen zog er sich frei und seine Beine waren schlaff und scheinbar leblos. Als er es geschafft hatte, tastete er verzweifelt nach seiner Waffe, die ein Stück neben ihm im Sand lag. Er erreichte sie, als Hans Schatten über ihn fiel.

Heset-Barnor wusste, dass er sterben würde. Er ließ sich zurücksinken und sah Han an. „Nun vollende, was du begonnen hast, du stinkender Verräter.“

„Du hast der alten Oberherrin gut gedient, Heset-Barnor“, sagte Han mit ruhiger Stimme und setzt die Spitze des Schwertes an die Kehle des Verwundeten. „Und dein Tod wird nun der neuen Oberherrin dienen.“

Die breite Klinge trennte den Kopf Hesets nahezu vom Rumpf.

Han-Keltor wandte sich um.

Verwundete stöhnten und drei verwundete Reps fauchten erbärmlich. Die beiden Reptilien vor dem Wagen der Oberherrin lagen tot in ihren Zuggeschirren und der Fahrer hing halb über dem Bock. Nur Han-Keltors Krieger waren noch auf den Beinen, zumindest jene, die noch stehen konnten. Aber Han wusste, dass noch jemand am Leben war dessen Zeit nun enden würde.

Er ging langsam zum Wagen hinüber und sah wie die Oberherrin ihm kühl entgegen blickte. Sie schien nicht sonderlich beunruhigt, obwohl sie wusste, was nun geschehen würde. Han erreichte das Fahrzeug, langte an den toten Fahrer und zog die Leiche vom Bock herunter, so dass er sich hinauf schwingen konnte. Für einen Moment starrten sie sich schweigend an.

„Ich bin Sareda-Manor, die Oberherrin der Berengar“, sagte sie unvermittelt. „Und du bist Han-Keltor, der Kriegsführer der Blauhand.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. „Und du bist mein Mörder. Nun, Han-Keltor von der Blauhand, bevor du mich nun tötest… Warum?“

„Spielt es für dich eine Rolle?“ Er zuckte die Schultern. „Weil wir Berengar stark sind und weil es an der Zeit ist, dass wir es beweisen. Und weil deine Zeit, Hohe Thaanit, jetzt vorbei ist.“

Sie nahm es wie ein Krieger, als das Schwert ihre Brust durchstieß.

Als Han vom Wagen herunter sprang, trat Lutrus neben ihn. „Von der Eskorte lebt niemand mehr.“ Er blickte ihn den Wagen und grinste. „Aber die verschrumpelte Alte hat jetzt wohl auch keine Verwendung mehr für eine Leibwache.“

Hans Schlag traf Lutrus vollkommen unerwartet. „Sie ist in Ehre gestorben, Lutrus. Sie hat nicht um ihr Leben gebettelt. Sie hatte Ehre“, bekräftigte er nochmals und stieß das blutige Schwert in den Sand, um die Klinge zu reinigen. „Es gibt keinen Grund sie zu verspotten.“

Lutrus richtete sich auf und leckte sich über die aufgeplatzte Lippe. Dann nickte erzögernd. „Du hast Recht. Sie hat die Clans gut geführt.“ Er wies über den Kampfplatz. „Drei unserer Männer sind zu schwer verwundet. Wir können sie nicht transportieren.“

„Hier können sie nicht bleiben. Keine Spur darf auf uns deuten.“

„Sie werden den Weg ins Lager nicht überstehen.“

Han-Keltor zuckte die Schultern. „Dann müssen wir sie unterwegs verscharren. Du weißt, es steht zu viel auf dem Spiel.“ Er sah sich nun ebenfalls um und schätzte die Lage ein. „Und jeder unserer Männer weiß dies ebenfalls.“

„Was machen wir mit den Reps der Eskorte? Sie beruhigen sich wieder und wir könnten sie mitnehmen. Eingerittene Reps sind wertvoll.“

Han seufzte. „Ich weiß. Aber wir können sie nicht mitnehmen. Jemand könnte sie wieder erkennen. Lass sie laufen.“

„Es war ein guter Kampf.“ Lutrus kratzte sich ausgiebig und sah bedauernd über den Kampfplatz. „Schade, dass niemand davon erfahren wird. Vor allem nicht, wie du Heset-Barnor erledigt hast.“

„Nein, niemand wird davon erfahren.“ Han sah den Freund und Kampfgefährten eindringlich an. „Wenn einer unserer Männer damit prahlen will, schneide ich ihm die Zunge heraus.“

Der narbige Krieger erwiderte seinen Blick. „Ich weiß. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen, die auf unsere Tat hinweisen. Die Ermordung der alten Thaanit wird den Zorn der Clans hervorrufen.“

„Ja, es wird den Zorn der Krieger entfachen“, bestätigte Han mit kaltem Lächeln.

Genau so war es beabsichtigt und Han musste nun dafür sorgen, dass die Rachegelüste der Berengar in die richtigen Bahnen geleitet wurden. Obwohl er seinen Männern schon zuvor eingeschärft hatte worauf es ankam und jeder wusste, was zu tun war, achtete er darauf, dass sie seine Befehle sorgfältig ausführten.

Ihre eigenen Toten und Verwundeten würden sie mitnehmen. Keiner von ihnen durfte zurückbleiben. Männer der Blauhand schleiften nun die toten Menschensoldaten heran, rissen Stofffetzen und Knöpfe oder Schnallen von den Uniformen und Rüstungen, und warfen sie auf den Kampfplatz. Das meiste bedeckten sie mit Schmutz, damit es nicht zu auffällig sichtbar war. Dann zogen sie die Leichen der Menschen zu einem Hang. Nicht zu weit entfernt, damit man ihn fand, wenn man den Schauplatz des Hinterhalts untersuchte. Dort verscharrten sie die Menschen.

„Lasst eine Stiefelspitze oder eine Hand ein wenig unbedeckt. So, als hätten die Menschen ihre Toten hastig verscharrt und der Wind hätte das Grab freigelegt. Es wird wohl niemandem auffallen, dass sie schon ein bisschen länger tot sind. Wenn man nach der Thaanit forscht und den Kampfplatz findet, muss man auch die toten Menschen finden. Aber macht es geschickt. Es muss so aussehen, als hätten die Soldaten Mentevas versucht, ihre Spuren zu verwischen. Tötet eine der Farsawurzeln und werft sie in den Wagen. Macht ein paar Stiefelabdrücke der Menschen darunter. Dann wird der Suchtrupp glauben, die Menschen hätten die Schuld auf ein paar verräterische Berengar schieben wollen.“

Han-Keltor war in höchstem Maße zufrieden. Die Kunst des Krieges lag nicht nur im Gesang der Klingen oder dem Schwirren der Farsa, sondern auch in der Täuschung. Han-Keltor beherrschte auch die List innerhalb der List. Er würde ein guter oberster Kriegsherr sein.

Drei lange Jahre hatte es gedauert, doch nun war der entscheidende Schritt getan. Nun gab es für die Verschwörer kein Zurück mehr. Ja, sie waren ihrem Ziel näher gekommen, aber sie hatten es noch nicht erreicht. Auch wenn der Tod der Thaanit den Zorn der Clans hervorrief, so überwogen noch immer die mäßigenden Stimmen der anderen Frauen im Thaan und die der zögernden Kriegsherren. Dieses Massaker würde nicht ausreichen, sie in den Krieg zu treiben. Es war ein Grenzzwischenfall, nicht mehr. Doch die alte Thaanit war nun kein Hemmnis mehr.

Jetzt musste die Wahl der neuen Thaanit verzögert werden. Tirana-Valkar hatte noch nicht viel Rückhalt im Thaan und starke Rivalinnen. Heimliche Absprachen waren nun zu treffen, damit sie zur neuen Oberherrin gewählt wurde. Einige der Thaan würden sich durch Worte überzeugen lassen, andere nicht. Han wäre auch vor Drohungen nicht zurückgeschreckt. Stahl oder eine Farsa an einer Kehle konnten ein sehr überzeugendes Argument sein. Aber Tirana hatte ihn davon überzeugt, dass es besser war, ihre Wahl im Verborgenen vorzubereiten.

Han-Keltor blieb keine andere Wahl, als seine Ungeduld erneut zu bezwingen. Jahre konnten noch vergehen, bis es endlich soweit war. Doch es würde sich lohnen, denn der Krieg gegen die Menschen war unausweichlich.

Das erste Blut war nun geflossen.

Eolanee

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