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Neue Erfahrungen

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Der Sonnenuntergang erleuchtete den westlichen Himmel über dem Mexikanischen Hochland mit brillanten Rot- und Scharlachtönen. Diese Farben kombinierten perfekt mit der Braun- und Grautönen der Wüstenebene. Ein heißer Wind ließ kleine Staubwirbel tanzen. Normalerweise würde solch ein Anblick Layla Méndez in Erzückung bringen, aber dieses Mal hatte sie keinen Blick dafür übrig. Dafür hatte sie in den letzten drei Tagen einfach zu viel erlebt. Ganz knapp war sie nur dem Tode entronnen und das gleich mehrfach. Dabei verstand sie nicht einmal, was denn genau passiert war.

Sie zitterte immer noch, wie Espenlaub und konnte sich fast nicht auf den Weg vor ihr konzentrieren. Eigentlich war es ja gar kein Weg, sondern sie raste mit viel zu hoher Geschwindigkeit querfeldein über die Steinwüste des Mexikanischen Hochlandes. Dementsprechend wurde sie durchgeschüttelt. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie mit einem Felsen zusammenstieß, oder in eines der größeren Löcher, die es hier wie Sand am Meer gab, stürzte. Trotzdem fuhr sie nicht langsamer. Sie konnte und wollte es sich einfach nicht leisten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Jede Verzögerung und war es nur die Allerkleinste konnte ihren definitiven Tod zu Folge haben.

Tränen liefen ihr heiß über die Wangen. Wie konnte dies alles nur passieren? Wie war sie in diesen tödlichen Sumpf überhaupt hineingeraten?

Angefangen hatte alles mit einem rätselhaften Anruf einer jungen Frau an ihrem Arbeitsplatz in Basel.

*

„Redaktion der Basler Woche, Abteilung Nachrichten aus aller Welt, Layla Méndez am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“

„Sind Sie an der Story Ihres Lebens interessiert“

„Welcher Journalist ist dies nicht? Aber wissen Sie, wie oft mir dies schon angeboten wurde? Da müssen Sie mit schon wesentlich mehr Informationen kommen, um mein Interesse zu wecken.“

Die Frau zögerte, fast so, als ob sie sich die Wörter noch zurechtlegen musste. Es konnte mit Sicherheit nicht daran liegen, dass sie Layla nicht richtig verstand. Sie hatte zwar einen südländischen, wahrscheinlich Spanischen Akzent, aber sie schien perfekt Deutsch zu sprechen. Layla wollte gerade auflegen, da begann die Frau:

„Kennen Sie die Stadt Cholula, im Mexikanischen Hochland, in der Nähe vom Vulkan Popocatépetl?“

„Muss ich wohl, mein Vater war Mexikaner. Und was ist so besonders an Cholula“

„Kennen Sie auch den geheimen Pfad von Cholula, einen Pfad, vor dem jeder Angst hat, den aber niemand kennt?“

Das klang jetzt schon interessanter. Layla, die bisher eher gelangweilt auf ihrem Stuhl saß, setzte sich auf und nahm einen Stift in die Hand.

„Nein, den kenne ich nicht. Was hat es damit auf sich!“

„Das kann ich Ihnen hier am Telefon nicht erzählen!“

„Jetzt hören Sie mir einmal zu, gute Frau. Ich muss schon so in etwa wissen, um was es geht. Ich kann es mir nicht erlauben, meine Zeit mit sinnlosen Aktionen zu verplempern!“

„Ich weiß, wo dieser Weg liegt, ich bin sogar auf ihm gegangen!“

„Und?“

„Er hat mit den verschwundenen Frauen zu tun!“

„Welchen verschwundenen Frauen!“

„Das kann ich Ihnen erst bei einem Treffen erzählen!“

„O.K. Ich sehe, das führt nicht weiter. Ich muss zugeben, Sie haben ganz leicht meine Neugierde geweckt, aber wirklich nur ganz leicht. Ich habe heute Mittag etwas Zeit. Wo können wir uns treffen?“

„Um 15:00 Uhr in der Hotelbar des ‚St.Gotthard’“

Damals war Layla noch nicht ganz davon überzeugt, dass sich daraus eine Story entwickeln könnte. Aber es wäre eine Sünde, es sich nicht zumindest einmal anzuhören, was diese rätselhafte Frau ihr zu erzählen hatte. Vielleicht ließ sich ja doch etwas daraus machen. Layla war gewohnt, dass die Leute oft mit den irrwitzigsten Geschichten zu ihr kamen. Im überwiegenden Teil konnte man glatt vergessen, was einem die Leute erzählen. Nur circa eine von hundert solchen Geschichten brachte es dann überhaupt dazu, dass darüber berichtet wurde. Und die wirklich große Story, die war noch seltener, als ein Sechser im Lotto. Aber nichtsdestotrotz musste sie sich durch diesen Urwald von Geschichten durchhören, in der Hoffung, dass sie am Ende immer noch den Wald vor lauter Bäumen sah.

Deshalb war Layla zu diesem Zeitpunkt noch eher gelangweilt, als sie sich auf den Weg zum Hotel St.Gotthard machte. Die Wahrscheinlichkeit war nach Laylas Einschätzung jedoch noch ziemlich hoch, dass sie der Frau nach circa 10 Minuten den Kaffee bezahlte und sich auf den Rückweg zur Redaktion machte. Zum Glück war das besagte Hotel St.Gotthard ganz in der Nähe der Redaktion.

Deshalb rief sie auch weder bei ihrem Boss an, noch meldete sie sich bei der Sekretärin ab. Es war wohl eher, wie ein verspätetes Mittagessen.

*

Angekommen im Hotel St.Gotthard sah sich Layla erst einmal um. Es waren sehr viele Leute in der Eingangshalle, aber diese schienen alle Geschäftsleute zu sein, die gestresst ihren Beschäftigungen nachgehen. Aus allen Ecken hörte man überlaut geführte Handygespräche. Es hörte sich fast an, wie bei den Marktschreiern auf dem Kartoffelmarkt. Es war eine richtige Volkskrankheit geworden. Genervt suchte Layla weiter. Da entdeckte sie die Bar und durchschritt mit großen, eiligen Schritten die Hotellobby. Um diese Uhrzeit war die Bar natürlich, wie ausgestorben. Layla genoss kurz die wohltuende Stille, dann sah sie sich um.

Ihre Augen mussten sich erst einmal an das schummrige Licht der Bar gewöhnen, weshalb Layla die Frau, die an einem Tisch ganz in der Ecke, möglichst weit von der Tür entfernt saß, erst gar nicht sah. Sie wollte schon enttäuscht abdrehen, als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung sah. Da war also tatsächlich jemand gekommen! Layla näherte sich dem Tisch und betrachtete die junge Frau, die dort saß. Im schummrigen Licht konnte Layla noch keine Einzelheiten erkennen, doch musste die Frau eine rassige Schönheit sein. Layla erinnerte sich an den spanischen Akzent in der Aussprache der Anruferin. Das musste also ihre Verabredung sein. Vor dem Tisch blieb Layla stehen und fragte:

„Guten Tag, kann es sein, dass wir verabredet sind?“

„Wenn Sie Layla sind, dann ja, wenn nicht, dann gehen Sie zum Teufel“

Layla lachte herzhaft. Die Frau war ihr gleich sympathisch, auch wenn sie einen mindestens doppelten, wenn nicht dreifachen Whiskey vor sich stehen hatte. Und ihren Blick nach zu schließen, war dies sicher nicht der erste. Layla beobachtete die Frau. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Die Frau war eine wahre Schönheit. Groß, schlank, grazil, tiefschwarze Locken und mit einem Gesicht, wie eine Göttin. Ganz entfernt erinnerte die Frau sie an Kate Beckinsale, eine sehr talentierte englische Schauspielerin. „Warum sind alle Mexikanerinnen nur immer so bezaubernd, und das einzige, was ich von meinem Vater habe, ist die Erinnerung. Von wegen, dass die Töchter immer ihren Vätern ähnlich sehen“ dachte Layla. Gut, sie war wohl auch recht hübsch, wenn man den Männern glauben konnte. Aber Männer sagten bekanntlich fast alles, wenn sie ihr Ziel erreichen wollten. Das war ihr jedoch egal. Layla wusste ganz genau, was sie darstellte. Sie hatte ein angeborenes, unerschütterliches Selbstbewusstsein. Außerdem brachte ihr blondes, naturgelocktes Haar und die tiefblauen Augen, die so schön naiv gucken konnten, viele Leute dazu, sie einfach zu unterschätzen. Dies unterstützte auch die Tatsache, dass sie mit 1,60 m Körpergröße (ihr Vater sagte immer „Körperkleine“) und 45 kg Lebendgewicht noch immer, wie ein 16 jähriges Mädchen und nicht, wie eine 25 jährige, selbstbewusste junge Frau aussah, die mit beiden Beinen fest im Leben stand. Speziell in ihrem Beruf, oder vielmehr ihrer Berufung als Journalistin, hatte ihr dies schon viele Türen geöffnet, die Anderen für immer verschlossen geblieben wären. Auch in ihrer Kleidung war Layla wenig damenhaft. Sie war eher der sportliche Typ. Kleidung musste bequem sein, nicht modisch, was sich leider nur all zu oft gegenseitig ausschloss. Das war Layla aber eigentlich auch ziemlich egal, denn auf Feste ging sie eh nur, wenn sie dies beruflich musste. Wenn sie Freizeit hatte, was leider nur zu selten geschah, dann gab es nur eines. Sport. Und dabei war Layla ein richtiger Adrenalinjunkie. Ausgefallene Sportarten wie Mountainbike fahren, Paragliding oder Fallschirmspringen, die zogen sie regelrecht magisch an. Deshalb war sie an den seltenen freien Abenden unter der Woche eher im Fitnessstudio, als zu Hause zu finden.

Ganz besonders stolz war Layla auf ihren braunen Gürtel in Karate. Den hatte sie in nur drei Jahren erreicht. Selbst ihr Trainer war von ihrer Leistung beeindruckt gewesen. Er meinte immer zu ihr: „Klein, wie eine Maus, aber mit dem Kämpferherz eines ausgewachsenen Tigers“. Trotz, dass dieser Machospruch schon mächtig abgedroschen war, musste Layla immer noch darüber lachen.

Die freien Wochenenden gehörten aber in den meisten Fällen ihrem Bike oder ihrem Gleitschirm. Und das alles bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 60 Stunden. Layla brauchte jedoch ihren Sport als Ausgleich für die berufliche Anspannung.

Deshalb hatte Layla auch niemals Zeit für einen Liebhaber gehabt, wobei sich Layla da selbst einzureden versuchte, dass es eben nur ein Mangel an Gelegenheit war. Dass es aber auch daran liegen konnte, dass sie die Anforderungen an ihren Traumprinzen einfach zu hoch ansiedelte, dass wollte sie nicht gelten lassen. Es musste irgendwo diesen Traumprinzen geben und eines Tages würde sie den auch finden. Bis dahin musste sie wohl oder über warten, denn Layla war der Ansicht, dass sie eher alleine blieb, als hierbei Kompromisse einzugehen.

Auch der Blick der jungen Frau zeigte, dass sie sich Layla wohl ganz anders vorgestellt hatte und sie vielleicht sogar enttäuscht war. Trotzdem setzte sich Layla ihr gegenüber auf einen Stuhl und blickte ihr fest in die Augen.

„So, ich bin ganz Ohr. Was haben Sie mir zu erzählen?“

„Zuerst möchte ich mich einmal vorstellen. Ich bin Mercedes Ramírez und bin eigentlich aus Puebla. Kennen Sie die Stadt!“

„Natürlich, mein Vater war ein Poblano, also ein Einwohner von Puebla. Es ist eine Großstadt, circa 120 km südlich von Mexiko City!“

„Ich wurde dort selbst entführt. Von einem Priester!“

Bumm, da war es nun doch, dieses Kribbeln, das Layla immer dann überfiel, wenn sie eine Story witterte. Es begann immer hinter den Ohren und zog sich dann über ihren kompletten Schädel bis hin zur Stirn. Dieses Kribbeln war manchmal so stark, dass Layla dann in den Spiegel schauen musste, um zu sehen, ob ihre Haare zu Berge standen. Meistens hatte dieses Kribbeln Recht behalten und war der maßgebliche Erfolgsfaktor in ihrer Karriere.

„Warum haben Sie dies nicht gleich gesagt, dann hätte ich mir mehr Zeit genommen!“

„Ich wollte erst wissen, ob ich Ihnen vertrauen kann!“

„Aha, und das wissen sie nach zwei Sätzen, die wir getauscht haben?“

„Das wusste ich beim ersten Blick in Ihre Augen!“

Layla sah Mercedes lange in die Augen, um abzuschätzen, was sie von dieser Aussage zu halten hatte. Sie konnte jedoch keine List oder Tücke darin erkennen. Auch ein irrsinnigen Flimmern, wie bei einer mental labilen Person war dort nicht zu sehen.

Sie öffnete ihre Tasche, um einen Stift und einen Block herauszuholen. Mercedes schreckte zusammen und stieß dabei fast den ganzen Tisch um. Panik, fast Todesangst war in ihren Augen zu sehen. Layla sah die junge Frau überrascht an und sagte:

„Ganz Ruhig, ich wollte nur etwas zu Schreiben aus der Tasche holen“

Mercedes riss ihr die Tasche aus der Hand, schüttete den Inhalt auf den Tisch und begann darin zu wühlen. Die Dinge flogen dabei nur so durcheinander. Manche fielen sogar vom Tisch. Zum Glück war nichts Wertvolles dabei. Als Mercedes Laylas Diktiergerät fand, schmiss sie es auf den Boden und zertrat es. Layla wollte erst sehr scharf reagieren, sah aber die Panik im Blick von Mercedes. Daher hob sie beschwichtigend die Hände und sagte beruhigend:

„Ganz Ruhig, Mercedes, niemand tut Dir was. Kannst Du mir jetzt bitte erklären, was denn eigentlich los ist?“

Mercedes setzte sich wieder, während der Barmann mit Schaufel und Besen herangeeilt kam. Layla gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen, dass er nicht näher kommen sollte. Noch solch ein Anfall wäre wohl nicht sehr hilfreich. Instinktiv spürte Layla, dass dieser Anfall nicht gespielt, sondern tödlicher Ernst war. Dieser Frau war ganz übel mitgespielt worden. Mittlerweile war auch ihr Kribbeln so stark, dass sich Layla sicher war, dass ihr jetzt die Haare zu Berge standen.

Nach dem Anfall fiel Mercedes regelrecht in sich zusammen. Sie saß jetzt auf ihrem Platz, wie ein Häufchen Elend. Layla setzte sich ebenfalls wieder und nahm Mercedes Hand in die ihre. Sie sah ihr dabei ganz fest in die Augen und sprach beruhigend auf die junge Frau ein. Langsam beruhigte sich Mercedes wieder. Sie atmete tief durch, dann fuhr sie fort:

„Der Priester, der mich entführt hat, heißt Sergio Alcazar. Ich weiß aber nicht, ob es sein richtiger Name ist und er ist auch kein richtiger, christlicher Priester. Er ist praktisch der Imperator des Dorfes Aguas Verdes. König, Priester, Polizeichef, höchster Richter und Gott in einem. Und in diesem Dorf geschehen seltsame Dinge. Irgendwie verschwinden dort immer wieder junge Frauen und werden nie mehr gefunden. Und als Ersatz für diese verschwundenen jungen Frauen, werden andere junge Frauen speziell in größeren Städten, wie Mexiko City, Puebla, Tlaxcala oder Cholula entführt, die dann den Platz der verschwundenen jungen Frauen übernehmen müssen. Ich bin sicher, Sergio Alcazar hat bei diesen Entführungen seine Finger mit im Spiel. Wahrscheinlich ist er sogar der Initiator all dieser Dinge“

„Was hat dies mit dem geheimen Pfad von Cholula zu tun, den Du beim Telefonat erwähnt hast?“

„Dieser Pfad führt genau zu Aguas Verdes, Sergios Dorf! Es ist der einzige Weg, der dorthin führt. Die entführten Frauen werden über diesen geheimen Pfad nach Aguas Verdes gebracht. Dabei kennt außer Sergio Alcazar und seinen Gehilfen niemand den genauen Standort des geheimen Pfads. Die Leute in Cholula wissen aber, dass es ihn gibt und haben panische Angst davor.“

„Und diese junge Frauen, die entführt wurden. Warum fliehen die von Aguas Verdes nicht wieder?“

„Weil dies unmöglich ist. Sergios Helfer sind überall!“

„Aber die Behörden in Mexiko, speziell die von Cholula und Puebla, die müssen doch wissen, was da vor sich geht!“

„Erst einmal sind Sergio und seine Helfer Meister im Verschleiern und Verdecken und sollte einmal doch was durchsickern, was so gut, wie niemals passiert, dann helfen Drohungen und auch mal ein Taschengeld an der richtigen Stelle, wenn Du verstehst, was ich meine!“

Layla nickte. Auch sie wusste über die „Mordidas“ in Mexiko Bescheid. Eigentlich hieß dieses Wort einfach nur „Die Bisse“, gemeint war aber ein kleines Bestechungsgeld, dass unauffällig den Besitzer wechselte und dann sehr viele Türen ganz weit öffnen konnte, die sonst nur schwer, oder sogar gar nicht geöffnet werden konnten.

„Wie konntest Du fliehen?“

„Ich hatte Helfer. Nicht alle Bewohner des Dorfes sind schlecht. Aber jetzt bin ich in großer Gefahr! Du musst mich beschützen! Nur Du kannst dies“

Mercedes war wieder aufgesprungen und die Panik war in Ihren Blick zurückgekehrt. Auch Layla war aufgesprungen und umarmte Mercedes mit dem Ziel, diese wieder zu beruhigen. Plötzlich blieb Mercedes wie vom Donner gerührt stehen. Ihre Augen waren auf einen Punkt hinter Layla fixiert.

Layla drehte sich um und traute ihren Augen nicht. Vor ihr stand ein Priester, aber solch einen Priester hatte sie noch nie gesehen. Der Mann war mindestens 2,10 groß und fast so breit wie hoch, wobei bestimmt kein Gramm Fett an seinem Körper zu finden war. Im ersten Moment hatte sie eine sehr starke Assoziation zum Undertaker, einem professionellen Wrestler aus den USA, den sie einmal interviewen durfte. Der hatte eine ähnlich kraftvolle aber auch dunkle Ausstrahlung. „Also wenn das ein Priester ist, dann bin ich eine Heilige“ dachte Layla. Der Priester hob seine Hand zum Gruß. Hand? Nein, Pranke war wohl der richtigere Ausdruck. Mercedes sah ihn mit schockgeweiteten Augen an.

„Wer sind Sie?“ fragte Layla.

„Entschuldigen Sie bitte, wo bleibt denn meine gute Kinderstube? Mein Name ist Sergio Alcazar. Ich bin Priester von Aguas Verdes!“

Der Mann sprach ein akzentfreies Deutsch, als ob er in Deutschland geboren worden wäre. Das einzig auffällige an der Aussprache war die Art, wie er die Wörter regelrecht hervorstieß. Es klang fast so, als ob er nur mühsam seine Wut verbergen konnte. Dies stand aber im kompletten Widerspruch zu seinem Gesichtsausdruck, der die Güte in Person auszudrücken schien. Trotzdem hatte Layla das starke Gefühl, dass von dem Mann eine starke Bedrohung ausging. Sicher war auf jeden Fall, dass er seine imposante Erscheinung einzusetzen wusste. Jede Bewegung, sogar die kleinste zeigte, was für eine unglaubliche Kraft in diesem Körper stecken musste. Trotzdem war er nicht plump und steif. Nein, im Gegenteil. Jede seiner Bewegungen zeigte eine grazile Anmut, fast wie bei einem ausgewachsenem Tiger. Layla musste zugeben, dass sie beeindruckt, fast sogar eingeschüchtert war. Sie konnte dem Blick von Sergio nicht standhalten, der ihr bis in die tiefsten Regionen ihrer Seele zu sehen schien. Der Blick, beziehungsweise die pure Präsenz des Mannes drückte sie fast zu Boden. Sie ärgerte sich auch über sich selbst, als ihre Stimme ängstlich klang, ja fast total zusammenbrach, als sie sagte:

„Und was wollen Sie?“

„Mercedes wieder nach Hause holen. Sie fehlt uns sehr!“

Layla fing sich wieder und baute sich trotzig vor Sergio auf, was wegen des enormen Größenunterschieds fast lächerlich wirkte. Trotzdem antwortete sie mit wieder fester werdender Stimme:

„Mercedes geht erst mal nirgendwo hin. Sie steht unter meinem persönlichen Schutz und bevor das, was sie mir erzählt hat, nicht alles bis ins kleinste Detail abgeklärt ist, wird das auch so bleiben!“

Sergios Augen begannen wild zu leuchten und seine Nase begann sich zu bewegen. Fast wie bei einem Hund, der eine Spur witterte. Man merkte, dass er Widerspruch nicht gewohnt war. Die Spannung in seinem Körper war deutlich zu spüren. Es war, als würde er sogar die Luft um ihn herum zum Vibrieren bringen. Layla hatte wieder das Gefühl, als ob dieser gewaltige Mann, große Mühe hatte, seine Wut zu beherrschen. Und sie spürte auch wieder den ungeheueren mentalen Druck, den der gigantische Mann auf sie ausübte. Sie merkte, wie sie fast wieder einbrach. Dann entspannte sich Sergio plötzlich und sagte:

„Natürlich, selbstverständlich. Ich habe nichts zu verbergen!“

Sergios mentaler Druck, war wie weggeblasen. Layla bemerkte auch wieder das Kribbeln in ihrem Kopf, das mittlerweile so stark war, dass es fast wehtat. Sie war sich mittlerweile sicher, dass da eine gigantische Story dahinter stecken musste und sie war brandheiß darauf, Licht in dieses Dunkel zu bringen.

„Heißt das auch, dass ich mich in Aguas Verdes umsehen darf?“

„Sie werden mein Gast sein!“

„Ich bin sehr gespannt auf Ihre Story!“

„Seien sie aber nicht zu sehr enttäuscht, wenn für Sie dabei nichts Positives herausspringt!“

Mit diesen doppeldeutigen Worten drehte sich Sergio Alcazar um und ging von dannen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Als Sergio die Bar verließ, atmete Layla erst mal tief durch. Was für eine unheimliche Ausstrahlung dieser Mann doch hatte. Layla musste zugeben, dass sie Sergio viel mehr beeindruckt hatte, als sie es lieb gehabt hätte. Das könnte wirklich eine heiße Geschichte werden und Layla war auch einem interessanten Abenteuer nicht abgeneigt. Sie war sich zu diesem Zeitpunkt schon sicher. Sie würde nach Mexiko gehen.

Der geheime Pfad von Cholula

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