Читать книгу Der geheime Pfad von Cholula - Michael Hamberger - Страница 8
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ОглавлениеDer Flug von Basel nach Frankfurt verlief ganz ruhig und ohne Zwischenfälle und typisch Lufthansa auf die Sekunde pünktlich. So hatte Layla in Frankfurt noch reichlich Zeit sich ein ausgiebiges Frühstück zu gönnen, bevor sie zum Boarding des Mexiko Fluges musste. Überraschenderweise ging auch das Einsteigen ins Flugzeug ganz unkompliziert und schnell.
Als sie dann auf ihrem Platz saß, musste Layla dann doch den gestrigen Ereignissen und der schlaflosen Nacht Tribut zollen. Das Flugzeug war noch nicht mal richtig in der Luft, da schlief sie schon tief und fest. Das letzte was sie merkte, bevor sie komplett in Morpheus Arme hinüber glitt, war, wie sich ein unbekannter Mann zu ihr herunterbeugte. Die Nasenflügel bewegten sich. Er schien an ihr zu riechen. „Komisch“ dachte Layla, aber sie war schon zu weit fort getreten, als dass dies voll in ihrem Bewusstsein angekommen wäre. Aber in ihrem Unterbewusstsein schon, weshalb sie direkt in einen Alptraum landete.
Sie träumte, dass sie irgendwo in Mexiko durch einen undurchdringlichen Urwald rannte. Die Äste peitschten ihr schmerzhaft auf das Gesicht und die nackten Arme. Trotzdem lief sie nicht langsamer. Sie hatte Panik. Irgendwas oder Irgendwer war hinter ihr her. Sie hörte nur ein Heulen, dass sehr aggressiv klang. Dieses Heulen brachte jede Faser in ihrem Körper zum Schwingen. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, den Bestien, die sie verfolgten, zu entkommen. Sie konnte förmlich spüren, wie diese Bestien schnell näher kamen. Sie konnte sich nirgendwo verstecken. Obwohl es Verstecke in Hülle und Fülle gab, hätten die Verfolger sie in wenigen Sekunden gefunden. Nichts entging ihnen. Plötzlich verfing sich ihr Fuß in einer Baumwurzel. Sie fiel mit dem Gesicht voraus auf einen zähflüssigen Schlamm und bekam plötzlich keine Luft mehr. Sie wollte sich aufrappeln, aber sie fand auf dem glitschigen Boden keinen Halt. Plötzlich merkte sie, dass eine der Bestien direkt über ihr war. Wie von einem Blitz getroffen, blieb sie still liegen. Die Bestie knurrte leise und roch an ihr. Sie merkte, wie der Geifer heiß über ihren Rücken lief. Die anderen Bestien kamen schnell näher. Wenn sie ankämen, würde dies der letzte Moment in ihrem Leben sein. Aber sie konnte sich nicht rühren. Obwohl die Bestie sie nicht berührte, nagelte sie doch alleine ihre Präsenz am Boden fest.
Layla schreckte auf und schmiss das Tablett samt Inhalt auf den Boden. Die Stewardess sah sie konsterniert an und ihr Sitznachbar sagte so etwas, wie „hysterische, blöde Kuh“. Layla warf ihm einen bösen Blick zu, dann entschuldigte sie sich bei der Stewardess, welche lächelte und ihr versicherte, es sein nichts Schlimmeres passiert. Sie hätte halt tief geschlafen.
„Tief geschlafen?“ meinte ihr Sitznachbar auch da seinen Senf dazu geben zu müssen. „Die hat gestöhnt, als hätte sie einen Orgasmus!“
Layla drehte sich nochmals zu ihm um, setzte ihren strengsten Blick auf und antwortete: „Na, dann habe ich sicher nicht von Ihnen geträumt!“
Dann fiel ihr Blick auf den Mann zwei Reihen vor ihr. Das war doch der Typ, der an ihr geschnüffelt hatte und damit den Alptraum ausgelöst hatte. Er sah sie wissend an und sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Doch an diesem Grinsen war nichts Positives zu erkennen. Vielmehr sah es richtiggehend bösartig aus. „Ach was“, dachte sich Layla, „der Traum hängt mir wohl immer noch nach!“ und tatsächlich, als sie nochmals zu dem Mann sah, hatte der sich umgedreht und war in eine lebhafte Unterhaltung mit seiner attraktiven blonden Sitznachbarin verwickelt. Er schien sie ganz schön anzubaggern und die Dame schien auch nicht abgeneigt. Ein richtiger Flirtweltmeister.
Trotzdem ging ihr der Traum nicht aus dem Kopf. Irgendwas wollte ihr Unterbewusstsein ihr anscheinend mitteilen. Irgendwas Wichtiges. Sie wusste aus Erfahrung als engagierte Journalistin, dass viele offensichtliche Dinge nur mit Verzögerung zur Hauptabteilung ihres Gehirns vordrangen, die Nebenabteilungen des Unterbewusstseins aber schon mit Hochdruck daran arbeiteten. Und die einzige Art, wie ihr Unterbewusstsein ihr dies mitteilen konnte, war anscheinend über ihre Träume. Layla wollte da genauer darüber nachdenken. Vielleicht fiel ihr ja doch irgendetwas Wichtiges auf. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen, konnte sich aber nicht konzentrieren, da ihr Nachbar gut hörbare Essgeräusche von sich gab. Mann, fehlte nur noch, dass er zur Feier des Tages ein Bäuerchen hören lässt. Laylas letzte Konzentration löste sich auf, wie Frühnebel in der Sommersonne und bevor sie ihrem Sitznachbar dessen Essensgeschirr tief in seinen Rachen drückte, beschloss sie, das Rendezvous mit ihrem Unterbewusstsein zu verschieben. Sie setzte die Kopfhörer auf und begann in den Radiokanälen zu zappen. Sie fand einen Kanal mit traditionaler Mexikanischer Musik und lehnte sich zurück. Sie schloss wieder die Augen und konzentrierte sich auf die schönen und harmonischen Noten. Diese Musik war die schönste, die es auf der Welt gab. Plötzlich hatte sie wieder das Gefühl einer ganz starken Aura, ähnlich wie in der Bar des Hotel St.Gotthard bei Sergio Alcazar. Sie öffnete ganz leicht die Augen und sah den Flirtweltmeister an ihr vorbei gehen. Als er direkt vor ihr stand, schaute er sie ganz intensiv an. Sie konnte den Blick fast körperlich spüren. Ein unangenehmes Kribbeln ging ihr über den ganzen Körper. Dann öffnete er den Mund und leckte sich genießerisch die Lippen, wie in Vorfreude auf ein ganz besonders leckeres Mal. Layla öffnete die Augen und sah ihn direkt an. Er schien gar nicht verwundert oder überrascht. Er begann sogar zu lachen, wobei dieses Lachen wieder nicht auf seine Augen überging, die sie immer noch stechend anglotzten. Er sagte etwas zu ihr, dass sie aber nicht verstehen konnte, da sie die Kopfhörer immer noch auf dem Kopf hatte. Sie nahm sie ab und schaute ihn auffordernd an, aber da war er schon weitergegangen. Was ihr aber noch auffiel, waren die grazilen anmutigen Bewegungen, mit denen er an ihr vorbeiging, ja, fast schwebte, obwohl das Flugzeug sehr schwankte. Er erinnerte sie immer mehr an Sergio Alcazar. Mercedes Worte: „Sergios Helfer sind überall!“ kamen ihr in den Sinn. „Ach Quatsch“, schollt sie sich. „Der Traum hat wohl dein ganzes Gehirn beschädigt“. Aber trotzdem beruhigten sie diese Worte nicht. Was war an diesen beiden Männern so besonders? Warum konnten sie allein durch ihre Präsenz einen dermaßen einschüchternden Eindruck auf sie hinterlassen?
Wieder einmal riss sie ihr reizender Sitznachbar aus den Gedanken, weil er vorbei möchte, um auf die Toilette zu gehen. Zuerst wollte sie ihn einfach ignorieren, hatte aber dann doch Angst, er könne versuchen, über sie hinweg zu steigen, also hob sie sich lustlos aus ihrem Sitz hoch.
Der Rest der Reise verlief ereignislos. Layla schaffte es sogar, etwas zu essen. Sie sah sich auch zwei Filme des Inboard Movie Systems an, obwohl sie diese gar nicht wirklich interessierten. Selbst ihr Sitznachbar ließ sie in Ruhe.
*
Angekommen in Mexiko City trafen sie dann erst mal zwei Schocks. Der erste war die schwüle Hitze beim Aussteigen, die ihr direkt in die Knochen fuhr, der zweite, schlimmere dann wenig später, als sie bemerkte, dass ihr Gepäck nicht angekommen zu sein schien. Da dort ihre komplette Photoausrüstung und der Laptop drin waren, wäre ein Verlust eine mittlere bis große Katastrophe. Die Dame am Serviceschalter konnte sich den Verlust nicht erklären. Der Koffer sei ordnungsgemäß in Frankfurt eingecheckt worden. Vielleicht käme er ja noch. Bevor Layla zu einer etwas schärferen Bemerkung ansetzten konnte, hörte sie eine sonore Stimme hinter sich.
„Entschuldigen Sie, ist das Ihr Koffer?“
Layla drehte sich um. Vor ihr stand der Flirtweltmeister und hatte ihren Koffer in der Hand. Er hob ihn hoch, als wäre er aus Papier, dabei hatte sie eine Menge Geld für das Übergepäck bezahlen müssen.
„Wie kommen Sie zu meinem Koffer?“
Layla war wirklich stark angesäuert. Was wollte der Typ von ihr. Auch wenn es ein Modellathlet zu sein schien, war er nicht ihr Typ. Er war circa 1,90 groß und hatte den perfekten Dreieckskörperbau, den Kraftsportler im Idealfall hatten, also ein schmales Becken und riesige Schultern. Layla sah ihn mit ihrem Layla-Méndez-Spezial-Blick an, den sie normalerweise bei den Typen anwendete, die sie anzumachen versuchten, wo sie aber absolut keine Lust hatte, darauf einzugehen. Der Mann ließ sich trotzdem nicht abweisen. Er grinste sie sogar wieder mit seinem gruseligen Lächeln an.
„Er ist anscheinend vom Band gefallen. Mein Koffer war der letzte, der ankam. Da habe ich den Ihren draußen liegen gesehen und mir erlaubt, ihn aufzuheben. Ich sah, dass Sie hier stehen und ihn wohl schon vermissen. Entschuldigen Sie, darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Antonio Gonzales López!“
Laylas Wut verrauchte. Was war nur mit ihr los, dass sie auch auf diesen Mann so überempfindlich reagierte?
„Na dann vielen Dank, Señor Gonzales, mein Name ist….“
„Layla Méndez . Ich weiß, ich habe einige ihre Berichte in der Basler Woche gelesen. Hervorragend recherchiert. Darf ich Sie auf eine Tasse Kaffee einladen?“
Es konnte schon sein, dass der Mann tatsächlich ihre Berichte in der Basler Wochen gelesen hatte. Trotzdem war es ein wohl sehr großer Zufall, dass Antonio Gonzales López sie einfach so erkannt hatte. Sie war doch nicht Paris Hilton, die jeden Tag in der Presse herumgeisterte. Sie konnte sich auch nicht erinnern, ob selbst in der BaWo, jemals ein Photo von ihr veröffentlicht worden war. Deshalb beschoss Layla, den Mann erst mal abzuweißen.
„Nein, Herr Gonzales, tut mir Leid, ich muss noch den Bus nach Puebla erwischen. Ich habe noch nicht mal ein Ticket, und sie wissen nicht, wie der Busbahnhof hier am Airport aussieht!“
„Oh, das ist doch gar kein Problem, ich fahre nach Puebla und kann sie mitnehmen!“
„Das kann ich überhaupt nicht annehmen. Ich würde Ihnen zur Last fallen!“
„Wie kann so eine ausgesprochen hübsche, junge Dame einem jemals zur Last fallen? Ich bestehe darauf“
Da war er wieder, der Flirtweltmeister. Leider schaffte es das aufgesetzte Lächeln auch diesmal wieder nicht, bis zu den Augen vorzudringen. Diese glotzten immer noch an, wie zwei tote Steine. Es fehlte auch der typisch Blick eines Anbandlers einmal rauf und runter über ihren Körper.
Vor Laylas innerem Auge tauchte das Bild eines überfüllten Busbahnhofs auf, schwitzende, stinkende Leiber, ein überfüllter Bus, eine lange, anstrengende Fahrt. O.K. dann also doch!
„Also gut, vielen Dank für Ihr Angebot!“
„Na dann steht ja einer guten Tasse Kaffee und einer wohltuenden Stärkung nichts mehr im Wege, Wollen wir?“
Als Layla lächelte und nickte, nahm Antonio Gonzales López wieder ihr Gepäck und ging in Richtung des zweiten Stockes, wo sich die ganzen Fastfood Imbissbuden des Flughafens befanden. Layla trottete ihm nachdenklich hinterher. Bei einem war sich Layla mittlerweile ziemlich sicher. Anmachen möchte der Mann sie wohl doch nicht, dass sagte ihr ihre weibliche Intuition, aber aus reiner Freundlichkeit und Menschenliebe schien er auch nicht zu handeln. Was wollte er dann? Hatte es wirklich etwas mit Sergio Alcazar zu tun? War er wirklich einer seiner Helfer? Sollte er sie vielleicht sogar überwachen? Nein, dann würde er sich bestimmt nicht so offen zu erkennen geben. Was steckte also dann dahinter?
Was Layla auch sehr wunderte, war die Tatsache, dass sie eben genau so offensichtlich empfindlich auf Antonio Gonzales López reagierte, wie auf Sergio Alcazar. Das hatte sie noch nie erlebt, und in ihrem Beruf hatte sie schon einige Prachtexemplare der Gattung Mann kennen lernen dürfen. Auch jetzt schien sie die pure Präsenz des Mannes fast zu erdrücken. Sie war schon nahe daran nach einer Ausrede zu suchen, doch noch den Bus zu nehmen, da kam ihr ein Gedanke. Vielleicht konnte sie ja auch den Spies umdrehen und Gonzales einige aufschlussreiche Informationen entlocken. Außerdem ließ sich eine Layla Méndez nicht so leicht einschüchtern. Diese Gedanken erfüllten sie mit neuer Zuversicht. Das konnte ja doch noch eine interessante Reise werden.