Читать книгу Der geheime Pfad von Cholula - Michael Hamberger - Страница 7
4
ОглавлениеPeter Baumann, ihr Chef war dann auch mächtig sauer, als er die Rechnung in den Händen hielt. Das konnte man ganz deutlich an der hochgezogenen Augenbraue, über seinem linken Auge sehen. Gut, eine Braue hieß nur halbsauer, wenn aber beide Brauen nach oben gingen, dann hieß es Vorsicht.
„Meine liebste Layla, habt ihr in der Bar überhaupt noch etwas heil gelassen?“
„Ein paar Stühle schon noch, Peter!“
„Du, mir ist jetzt wirklich nicht zum Scherzen zu Mute. Die Frau liegt mit einem schweren Schock im Krankenhaus. In was hast Du Dich da wieder hineinziehen lassen?“
Layla kannte Peter Baumann ganz genau und wusste deshalb, dass auch er die Story hinter dem Abenteuer sehen konnte. Eigentlich war er ja ihr Chef, aber er ließ sie dies niemals spüren. Er war wirklich zu jeder Tages und Nachtzeit für sie erreichbar. Mehr als Freund, denn als Chef. Peter war 34 Jahre alt und die Eleganz in Person. Er hatte immer einen Anzug von Hugo Boss oder Armani an und jedes Mal hatte er dazu ein Hemd und Krawatte an, die perfekt mit dem Anzug, aber auch mit den Gürtel und den Schuhen harmonierte. Dabei sah er aber niemals spießig oder angeberisch, sondern halt einfach nur elegant und gepflegt aus. „Es gibt halt Leute“, dachte Layla, „die haben einfach Stil“. Und Peter hatte seinen ihm eigenen, unverwechselbaren Stil. Trotzdem hatte Peter Baumann noch nicht geheiratet. Das war eine Schande, denn die Frau, die ihn mal bekommen würde, die würde auf Händen durch das Leben getragen werden. Jetzt hatte sich seine Liebe halt platonisch auf Layla übertragen, die sich 100%ig auf ihn verlassen konnte. Das war auch wichtig, denn bei ihren Einsätzen war Peter immer ihre Heimbasis. Eine Stelle, wo sie anrufen konnte, wenn sie dringend Hilfe oder Informationen brauchte, oder einfach nur eine Schulter zum Ausweinen benötigte. Peter war im Internet ziemlich gut bewandert und es gab fast nichts, was er nicht ausgraben konnte. Wenn sie etwas brauchte, Peter war immer für sie da und unterstütze sie, wo er nur konnte. Mit einem Satz. Sie waren ein wirklich ausnehmend gut funktionierendes Team. Wie gut Peter sie verstand, zeigte er auch gleich wieder, indem er sie fragte:
„Und jetzt willst Du nach Mexiko?“
„Ich könnte morgen früh im Flugzeug sitzen!“
„Gute Güte, Layla, wo soll ich das Budget für diesen Flug hernehmen?“
„Du machst das schon!“
„Also gut, Economy, nicht Business Class, keine Five Star Hotels und Layla keine zerstörten Hotelbars mehr. In spätestens einer Woche erwarte ich Dich zurück und jeden Abend erwarte ich einen ausführlichen Bericht!“
Layla gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund, dann drehte sie sich um und wollte das Büro verlassen, als ihr noch etwas einfiel.
„Peter, kannst Du Dich bitte um Mercedes kümmern? Sie hat hier niemanden und ich weiß nur, dass sie aus Puebla ist. Kannst Du versuchen, ihre Familie ausfindig zu machen?“
„Mach ich gleich morgen früh!“
„Des Weiteren brauche ich Informationen über diesen Sergio Alcazar und Aguas Verdes. Ebenso alles was Du finden kannst über die verschwundenen Frauen von Cholula und Puebla!“
„Geht klar, brauchst Du sonst noch was?“
„Nein, Danke, die Reise buche sich selbst!“
*
An ihren Schreibtisch angekommen, machte sich Layla auch gleich an die Organisation ihrer Reise. Sie würde, wie immer mit der Lufthansa von Basel über Frankfurt nach Mexiko City fliegen. Am Flughafen würde sie dann einen Bus nach Puebla nehmen. Dort könnte sie dann erst einmal bei ihrer Großmutter wohnen.
Der erste Anruf galt dann auch dem Reisebüro. Layla hatte Glück. Es war auf beiden Flügen jeweils noch ein Platz in der Economy Class für sie frei. Sie musste nicht einmal auf die Warteliste. Das Taxi für den Flughafen war in Sekunden organisiert. Die Leute dort kannten Layla schon. Als nächstes rief sie ihre Großmutter an, konnte dort aber nur ihren Vetter Daniel erreichen. Den traf beinahe der Schlag, als er hörte, wer am Apparat war, versprach aber dann, alles für ihre Ankunft zu arrangieren.
Dann begann Layla etwas im Internet zu recherchieren. Gut, sie wusste, dass Peter da wohl wesentlich mehr herausholen würde als sie selbst, aber ein wenig wollte sie sich auch selbst vorbereiten. Leider fand sie gar nichts. Weder über Sergio Alcazar, noch über Mercedes Ramírez. Auch über Aguas Verdes gab es nichts, wirklich überhaupt nichts. Über den geheimen Pfad von Cholula gab es dagegen eine ganze Menge, aber dies las sich eher, wie ein Gruselroman, als wie reale, glaubwürdige Informationen. „Niemand, der diesen Weg betrat, kehrte je zurück…“, und dieser ganze reißerische Unsinn. Layla wollte den Computer gerade abschalten, da fand sie doch noch etwas Interessantes. Es war ein Bericht über verschwundene Frauen in Cholula und Umgebung. Es schien tatsächlich so, als ob in Cholula und Puebla gehäuft junge Frauen verschwanden, die nie wieder auftauchten. Und dieses Verschwinden schien sich schon über Jahre hinweg zuziehen. Gut, in Mexiko verschwanden sehr oft Menschen ohne jede Spur, aber dass es so gehäuft junge Frauen zwischen 16 und 24 waren, die verschwanden und man wirklich nie mehr etwas von diesen Frauen gehört hatte, das war schon seltsam. Dann begann der Bericht wieder ins Lächerliche abzudriften. Eine alte Frau meinte, eine der verschwundenen jungen Frauen schreien gehört zu haben und dies direkt auf dem geheimen Pfad von Cholula. Mein Gott, dachte Layla. Das Internet war ja toll um Informationen zu beschaffen, doch oft wurde man auch von sinnlosen oder sogar falschen Information förmlich erschlagen und konnte dann die wichtigen und sinnvollen Infos nicht mehr finden. Layla beschloss deshalb, die Suche doch Peter zu überlassen, schaltete den Laptop ab und zog ihn aus der Docking Station. Sie wusste zwar nicht, ob sie ihn gebrauchen würde. In Aguas Verdes würde es sicher keinen Wireless Hotspot geben, aber sicher war nun mal sicher. Zusammen mit ihrer Kameraausrüstung würde sie das Gewicht zwar sicher erschlagen, aber Layla wollte einfach nicht ohne ihre elektronischen Helfer, an die sie sich so gewöhnt hatte, losziehen.
Einen gepackten Koffer hatte Layla immer vor ihrem Schrank stehen. Oftmals musste es sehr schnell gehen. Ihr Flug nach Mexiko würde in aller Herrgottsfrühe losgehen. Sie öffnete den übergroßen Koffer und verstaute darin die Kameraausrüstung und in einem Spezialfach den Laptop.
Dann merkte Layla, was für einen Hunger sie hatte. Sie hatte seit dem Mittagessen nichts mehr in den Magen bekommen. Sie öffnete den Kühlschrank und fand dort wie befürchtet nichts. Also musste es wieder einmal der Pizzaservice richten! Dies war natürlich total ungesund so kurz vor dem Schlafen, speziell weil sie ja früh wieder aufstehen musste, um ihren Flug zu erwischen.
*
Layla merkte, wie sie die Geschichte mit Mercedes geschafft hatte, als sie nach eine langen ausgiebigen Dusche ins Bett ging und verzweifelt versuchte, Schlaf zu finden. Ihr Körper sagte ihr, „Hey, ich brauche Ruhe“, aber ihr überdrehtes Gehirn reagierte auf diesen Hilferuf einfach nicht. Die Stellen, wo Mercedes Schläge sie getroffen hatten, schmerzten schon lange nicht mehr, aber die Schläge auf ihre Psyche ließen sich nicht so leicht kurieren. Mercedes hatte Todesangst gehabt, das was sicher. Was hatte aber ihr solch eine allumfassende Angst eingejagt? Es musste was mit Sergio Alcazar, Aguas Verdes und dem geheimen Pfad von Cholula zu tun haben, das war klar. Es war aber der einzige reelle Anhaltspunkt, den sie hatte. Sie war sich auch nicht hundertprozentig sicher, ob sie richtig es verstanden hatte, als Mercedes „él me matará“ geschrieen hatte, oder spielten ihr ihre überforderten Nerven da einen Streich? Und was hatte es auf sich, dass sie im Internet überhaupt gar nichts über Sergio Alcazar und Aguas Verdes finden konnte und über den geheimen Pfad von Cholula fast nur abergläubischen Unsinn?
Als sich Layla nach Stunden von verschwitztem Herumwälzen immer noch eher munterer, als müde fühlte, beschloss sie aufzugeben. Sie konnte ja auf dem knapp 11 stündigen Flug nach Mexiko schlafen. Also stand sie auf und begab sich nochmals unter die Dusche. Das Frühstück musste dann leider ausfallen, da ihr die Pizza vom Vorabend immer noch, wie ein Stein im Magen lag. Es war wohl doch keine so gute Idee gewesen.
Also machte sie sich daran, die letzte Ausgabe der Basler Woche zu lesen. Bisher war sie einfach noch nicht dazu gekommen. Die BaWo war ein mittelgroßes wöchentlich erscheinendes Magazin aus Basel und der Nordschweiz und in der Region sehr bekannt. Layla arbeitete dort seit zwei Jahren und hatte sich dort schon einigen Ruhm erworben. Speziell ihr Bericht über Straßenkinder in Jakarta war oft auch von überregionalen Medien zitiert worden. Sie wurde dort als der Shooting Star gesehen, Sie selbst glaubte dieser Beurteilung noch nicht ganz. Dafür fühlte sie sich noch zu unerfahren. Da gab es andere auch sehr talentierte Mitarbeiter, die in der Liste noch weiter oben zu sehen wären. Gut, sie war aber auch selbstbewusst genug, um zu sehen, dass sie mit der angesprochenen Reportage etwas Außergewöhnliches geleistet hatte, aber trotzdem wollte sie nicht abheben. Auch Peter Baumann passte da sehr sorgsam auf.
Gerade auch deshalb konnte sie sich maßlos ärgern, wenn ihre Reportagen nicht ankamen. Deswegen schlug sie auch jetzt wutentbrannt auf den Tisch. Mist, ihr Bericht über eine Massenschlägerei beim Sankt Jakob Fußballstation war in letzter Minute doch noch gestrichen worden. Peter hatte ihr zwar gesagt, dass sie ihn weniger hart und kompromisslos formulieren sollte, aber Layla wollte es richtig machen, oder aber gar nicht. Was sie aber am meisten ärgerte, war, dass der Bericht von Jasmin Schäfer über einen Schönheitswettbewerb bei 8 jährigen Mädchen an ihrer Stelle erschienen war. Wenn dieser Bericht wenigsten kritisch hinterfragt hätte, nein, es war ja alles so toll und die Mädchen waren doch so süß. Als wenn es keine Kinderschänder gäbe, die sich bei genau solchen Wettbewerben ihre zukünftigen Opfer suchen würde. Jasmin war in Laylas Augen einfach nur eine dumme, arrogante Ignorantin, die mehr Zeit bei ihrer Kosmetikerin, als in der Redaktion verbrachte. Und dabei fühlte sie sich allen anderen überlegen. Wenn sie nur daran dachte, wie Jasmin einmal zu ihr gesagt hatte „Schätzchen, Du weißt nicht, wie man hier Karriere macht“, dann wurde ihr jetzt noch schlecht. Was bildete sich diese doofe Kuh nur ein? Sie würde einmal mit Peter ein ernstes Wort reden müssen.
Das Klingeln der Türglocke riss sie aus den trüben Gedanken. Was, schon so spät? Also schnappte sich Layla ihren Koffer, der fast genau so viel wog, wie sie selbst und wuchtete ihn in den Aufzug. Der Taxifahrer war gar nicht amused, als er den schweren Koffer in seinen Kofferraum wuchten musste.
„Da müssen sie aber fünf Franken extra dafür bezahlen!“
sagte er in einem breiten Schweizerdeutsch. Layla nickte nur. Sie hatte keine Lust, sich mit dem Mann auf eine Diskussion einzulassen.