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Merkmale lebendigen, mündigen Christseins
ОглавлениеWenn wir uns das Matthäus-Evangelium als Ganzes anschauen, dann können wir noch genauer sagen, wie ein Jünger lebt und was ihn ausmacht:
Ein Jünger lernt bei Jesus, wie das Leben funktioniert, und dadurch verändert es sich. In der Bergpredigt steht eine Menge darüber: ohne Sorge, ohne Hass und Arroganz, mit einem offenen Herzen und einer großzügigen Hand für Arme, mit einer natürlichen Frömmigkeit, in ehelichen Beziehungen, in denen Sexualität ihren rechten Ort findet usw. Wenn ein Jünger lange außerhalb dieser Schule gelebt hat, lernt er manches neu, muss manches verlernen, neu einordnen und anders einüben. Der Clou besteht darin, keinen Lebensbereich vor dem Meister und Lehrer zu verschließen. Die Freude besteht darin, zu erleben, dass das guttut.
Ein Jünger wird darum Jesus mehr lieben als jeden anderen und alles andere. Je tiefer er versteht, welches Privileg es ist, mit Jesus unterwegs zu sein, desto tiefer wird seine Liebe zu Jesus sein. Alle anderen Beziehungen ordnen sich dahinter ein. Und das tut gut. Es tut gut, wenn mein Ehepartner nicht mein Herr und Heiland sein muss. Auch der Ehe tut das gut. Es tut gut, wenn mein Geld nur ein Mittel ist, und Jesus den Umgang mit dem Geld steuert. Es tut gut, Jesus mehr zu lieben als alles andere.
Ein Jünger wird sich von Jesus an die Arbeit stellen lassen. Jesus hat seine Jünger eine ganze Weile zuhören und zuschauen lassen. Doch dann hat er gesagt: »Jetzt seid ihr dran. Jetzt dürft ihr meine Arbeit in eurer kleinen Welt tun. Heilen und vergeben, trösten und herausfordern, mahnen und erklären. Ihr werdet dabei Schritt für Schritt eure Grenzen erweitern und mehr und anderes tun, als ihr euch jetzt vorstellen könnt. Ihr werdet dabei spüren, wie reich euer Leben wird, wenn ihr meinem Warum dient.«
Ein Jünger ist nicht allein. Ein Jünger hat immer andere, und zwar bestimmte andere, mit denen zusammen er Jünger ist. Jesus hat seine Jünger als Gemeinschaft geformt. Die Menschen in seiner Gruppe hätten sonst nie zueinander gefunden. Sie waren füreinander nicht nur nette Freunde, sie waren eine Zumutung und eine Herausforderung. Aber Jesus will das genau so: dass wir verlässliche Weggefährten werden in der Gemeinde der Jünger. Ein Jünger kann nicht allein für sich Jünger sein.
Einen Jünger lässt Jesus nie im Stich. Wenn man die Geschichte in den Evangelien von vorne bis hinten liest, dann muss man manchmal den Kopf schütteln: Die Jünger bekommen es so oft nicht geregelt, sie sind dermaßen häufig völlig schiefgewickelt, sie enttäuschen Jesus, sie lassen ihn im Stich, sie sind mit ihren kleinen Selfie-Projekten beschäftigt, sie verstehen ihn komplett falsch – und Jesus entlässt sie nicht. Noch am Ende, nach allem, was sie erlebt hatten, was unter anderem eine Auferstehung von den Toten einschließt, heißt es: »Aber einige hatten auch Zweifel« (Matthäus 28, 17). Tolle Truppe! Doch Jesus hält zu ihnen. Er bleibt den Treulosen treu. Er fängt wieder von vorne mit ihnen an. Er sagt es noch einmal. Er vergibt noch einmal. Er sucht ihr Herz noch einmal. Er kann nicht anders. Er will nicht anders. Er lässt nicht los. Niemals. Davon leben Jünger. Es geht hier nie um die Kraft und Kompetenz der Jünger. Es geht um die Kraft und Kompetenz von Jesus. Der leistet am Ende ein riskantes Versprechen, fast einen Eid: Ich bin bei euch, immer und überall, bis zum Ende!
Darum geht es in der Gemeinde: um diese eine Festlegung im Leben. Dallas Willard sagt: »Ein Jünger ist derjenige, dessen höchstes Ziel es ist, sein Leben so zu leben, wie Jesus es leben würde, wenn er an seiner Stelle wäre.«12 Eine Zeit lang trugen viele junge Christen ein WWJD-Armband: »What would Jesus do?« – »Was würde Jesus tun?« Das ist die große Frage. Unser Warum ist die Erkundung dieses Lebens. Wir wollen an der Hand von Jesus leben lernen und dabei mündig und lebendig werden. Unser Warum ist die Einladung an Menschen, die uns etwas bedeuten: Komm, lerne mit mir, an der Hand von Jesus zu leben. Das ist eine Festlegung: Ich will bei diesem Meister und Lehrer bleiben und alles von ihm lernen, was er mir über diese Kunst zu leben beibringen kann. Das Handwerk, das der Lehrling hier lernt, ist das Leben, nicht die Mitgliedschaft in einer Kirche, nicht eine seltsame Frömmelei, nicht der Erfolg einer Organisation. Die Schule, in die wir als Schülerinnen und Schüler von Jesus gehen, ist das Leben. Wir lernen, wie es gelingen kann. Denn es gibt kein irdisches Problem, das in der Schule von Jesus nicht gelöst werden könnte. Darum bitten wir Jesus, dass wir bei ihm sein dürfen, um von ihm zu lernen, wie er zu leben.
Das gilt in allem, was wir tun: Wie kann ich mit Jesus und wie Jesus Ärztin sein oder Krankenpfleger, Mutter oder Vater? Wie kann ich mit Jesus und wie Jesus eine Gemeinde oder einen Hauskreis leiten, studieren oder meine Arbeit tun, in der Familie leben, allein sein, auf eine Ehe zugehen, alt werden, Auto fahren, mein Geld verteilen, meine Gefühle im Griff behalten? Wie kann ich mit Jesus und wie Jesus verbindlich und treu werden in meinem Dienst oder Leid tragen? Was würde er jetzt tun, wäre er an meiner Stelle? Was möchte er jetzt tun, weil er ja mit mir an meiner Stelle ist?
Jeder Mensch ist irgendjemandes Jünger. Irgendjemandem folgen wir immer. Es ist nur die Frage, wem wir folgen, nicht ob wir überhaupt jemandem folgen. Und dann ist letztendlich die Frage, ob der, dem wir folgen, guttut, aufbaut, entfaltet, mündig macht, zum Blühen bringt, durch Täler führt, in der Tiefe trägt, im Versagen aufrichtet, durch den Tod hindurchrettet. Das ist die Frage. Bei Jesus ist sie beantwortet. Darum gibt es nichts Größeres, als sich in der Schule von Jesus einzuschreiben, als die Lehre des Lebens bei ihm zu beginnen und sein Jünger zu werden. Das »Warum« gesunder Gemeinden ist es, diese Möglichkeit möglichst niemandem vorzuenthalten. Wir können bei denen beginnen, die uns nah sind oder die wir lieben. Alles, was wir als Gemeinde veranstalten, ist immer Mittel zum Zweck und niemals der Zweck selbst.
Jünger lernen bei Jesus, wie das Leben funktioniert. Wir wollen unser Herz daran gewöhnen, ihn mehr zu lieben als alles andere. Wir sind von ihm in der Gemeinde zusammengebracht worden. Aber dann lernen wir einander kennen: Unvollkommen, störrisch, eigensinnig, manchmal sprunghaft, immer mal für eine böse Überraschung gut, keineswegs vollkommen. Doch Jesus lässt nicht los. Und dann lassen wir auch nicht los. Nicht voneinander. Nicht von unserem Warum. Dann beten wir um die Wette, bis wir wieder froh und leidenschaftlich sind und die nächsten Schritte sehen und gehen.