Читать книгу Die Eucharistie als Opfer der Kirche - Michael Hesse - Страница 93
6.1 Kultmysterium als Ausdruck der Einheit von Gott – Mensch
Оглавление„Die Einheit von Gott und Mensch im Christusmysterium wird durch die Einheit von Christus und der Kirche im Kultmysterium gegenwärtig und zugänglich. Die anthropologischen Voraussetzungen, die Casel in den antik-heidnischen Mysterien und deren Symboldenken fand, sind ebenso wie historisch-kritische Überlegungen einzubeziehen. Sie ersetzen die philosophischen Grundlagen christlicher Theologie nicht, sondern fordern sie heraus. Die langen religionshistorischen und philologischen Auseinandersetzungen Casels mit den Gegnern einer Vorbildhaftigkeit der antiken Mysterien für das christliche Verständnis belegen den Mangel einer adäquaten philosophischen Grundlegung. Die knappe Formulierung Thomas’ von Aquin: gratia supponit et perficit naturam, lässt offen, was in diesem Zusammenhang Natur des Menschen bedeutet.“457
Casels Sicht der menschlichen Natur ist harmartiologisch bestimmt. Eine positive Würdigung der menschlichen Natur oder die Vorstellung, dass diese durch die Gnade entfaltet werden könnte, sucht man in diesem theologischen Konzept vergeblich. Es findet sich eher die Gleichsetzung von Natur und Sünde. Das Kreuz bildet die Gegenposition zur gottfernen Natur. Die Natur erscheint als die Kluft zwischen Gott und Mensch. Dabei zeigt sich eine bedenkliche Tendenz. Schilson zeigt auf, dass es zu einer so großen Vergöttlichung des Menschen durch das Gnadengeschehen kommt, dass die Gefahr besteht, dass das Geschöpfsein des Menschen verloren geht und die Individualität eingebüßt wird. Der „natürliche Mensch“ verliert sich zugunsten seiner Bestimmung als „zweiter Christus“. Der Mensch soll in dieser Konzeption der Gnade seinem eigenen Ich sterben, um zum Mysterium, zum Symbol der Einheit von Gott und Mensch im Gottmenschen Christus zu werden. Schilson bemerkt, dass hier eine überzogene Theozentrik vorliegt.458 Nun schließt sich für uns die Frage an, wie in der Caselschen Denkform Gnade und Freiheit des Menschen grundsätzlich zueinander stehen. Die Freiheit meint bei Casel zwar die wahre Größe des Menschen, dennoch hat Gottes Gnade bei ihm absoluten Vorrang.459