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1.3.2. Dienst der Befreiung

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Charismatische Theologen rechnen nicht nur mit der Realität des Bösen, für sie sind dämonische Einflüsse im Alltag ein weitverbreitetes Phänomen. Die Vertreibung unsauberer Geister gehört für sie zum Routineprogramm. Sünde, psychische Erkrankungen oder unheilbare körperliche Leiden könnten in charismatischer Sicht auf dämonischen Einfluss hinweisen. Der Befreiungsdienst besteht darin, den bösen Geist direkt anzusprechen, um ihn identifizieren zu können und ihm dann im Namen Jesu zu befehlen zu verschwinden. Dazu sei prinzipiell jeder Christ in der Lage. Zum Befreiungsdienst kann auch die Beichte des Betroffenen gehören und sein aktives Mitwirken durch die Anrufung Jesu, das Einatmen des Heiligen Geistes oder das Aushusten des bösen Geistes.26 Um sich vor geistlichen und physischen Angriffen der Geister besser schützen zu können wird empfohlen, Befreiungsdienste im Team vorzunehmen. In schweren Fällen muss die Dämonenaustreibung wiederholt und der Betroffene dauerhaft von seiner Gemeinde betreut werden. Zweifellos kennt das Neue Testament Dämonen, Besessenheit (Mt 4,24; 8,16), dämonisch verursachte Krankheit (Mt 9,33; 17,18) und Aktivitäten des Teufels (Mt 4,1; Jak 4,7; 1Petr 5,8). Beim Befreiungsdienst aber wird die Bedeutung dämonischer Kräfte ungerechtfertigt hervorgehoben. Im Mittelpunkt steht nicht so sehr die grundsätzliche Überwindung des Bösen durch Jesus Christus, sondern die noch andauernde Auseinandersetzung des Christen mit Dämonen. Esoterisch- dualistisch wird die Erde zum Schauplatz alltäglicher Kämpfe zwischen Gott und Teufel, in die der Gläubige eingreifen kann. Der Christ wird zum Spielball des Teufels. Alle Krankheiten, Verfehlungen oder Auseinandersetzungen können auf den Einfluss von Dämonen zurückgehen. Für die seelsorgerliche Praxis folgt daraus, dass alle Menschen dämonisch belastet sind und ständig Befreiungsdienst benötigen. Im Gegensatz dazu sollen die Dämonenaustreibungen Jesu vor allem seine Messianität unterstreichen (Joh 2,23; 3,2; 7,31). Einen Routineauftrag zur Dämonenaustreibung bekommen die Jünger nicht, auch wenn vereinzelt durch die Apostel Menschen von dämonischen Bindungen befreit wurden (Mk 16,17; Apg 5,16; 16,16f). Im Dienst der frühchristlichen Gemeinde spielten Dämonenaustreibungen nur eine untergeordnete Rolle. Im Umfeld der Apostel ist die dämonische Belastung eines Menschen zumeist offensichtlich. Nie werden diese aufgefordert, sich mit den Geistern zu unterhalten. Es findet sich kein klarer Hinweis, dass auch Christen besessen sein können (Mt 12,43ff; Röm 8,38f; 1Kor 3,16). Sünde, Krankheit und äußeres Leiden werden im Allgemeinen nicht auf dämonischen Einfluss zurückgeführt. In solchen Fällen werden Reue, Sündenbekenntnis und Lebensveränderung gefordert (1Kor 6,11; Röm 12,2; 1Joh 1,9), nicht aber die Suche nach dämonischen Belastungen.

In der seelsorgerlichen Praxis fehlen in den beschriebenen Fällen häufig die eindeutigen Zeichen dämonischer Besessenheit. Liegt diese nicht vor, kann sie natürlich auch nicht beseitigt werden, sodass der weiter unter seiner Krankheit, Armut usw. Leidende nun in der Gewissheit lebt, von einem bösen Geist besessen zu sein, da dessen mutmaßliche Wirkung immer noch nicht verschwunden ist. Falsche Dämonenaustreibungen führen nicht selten zu gefährlichen menschlichen Bindungen. Der vermeintlich Befreite vertraut dem Dämonenaustreiber vollständig, meint er doch dieser verfüge über außerordentliche geistliche Fähigkeiten. Die Fixierung auf mögliche dämonische Hintergründe kann auch dazu führen ganz reale medizinische, psychische oder logische Ursachen unberücksichtigt zu lassen und dadurch eine mögliche Besserung zu verhindern. Manchmal kann die eingehende Beschäftigung mit dem Teufel auch eine Faszination auslösen, die zu einer echten geistlichen Abhängigkeit führt oder zumindest den Blick für die Größe Gottes mindert. Gelegentlich wird auch die ungesunde Angst gesteigert, im Alltag lauere hinter jeder Ecke ein Dämon, der den Gläubigen anfallen wolle.27

Die Charismatische Bewegung 2

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