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Flüggewerden
ОглавлениеTiere – Vogerln, Mäuse, Bären – haben ein Muttergefühl, das unbeschreiblich ist. Vater und Mutter Vogel füttern ihre heißhungrigen, egoistischen Kleinen mit ganzer Kraft. Manche Tiere kauen ihren Jungen das Futter vor, erbrechen es ihnen in den Mund, kämpfen gegen viel größere Feinde, verteidigen sie bis zum eigenen Untergehen und entwickeln einen heldenhaften Elternmut, der für uns Menschen beispielgebend sein könnte. Man spricht nicht umsonst von Affenliebe.
Dann kommt der Moment, wo die Vogerln fliegen lernen und es können. Ein paar Jagdtricks werden ihnen von den Eltern noch vorgespielt und dann fliegen sie in ihr eigenes Leben und die Eltern kennen sie gar nicht mehr.
Mit einer gewissen Wehmut habe ich das Gefühl, dass etwas von diesem Flüggewerden in das eigene Leben abdriftet und auch in den menschlichen Eltern-Kind-Beziehungen existiert. Irgendetwas von deinem Kind fliegt weg in eine eigene Welt und ist für dich nicht mehr erreichbar. Du bist nicht mehr verantwortlich und du bist nicht mehr kompetent.
Das kann, wenn man es nicht rechtzeitig einsieht, zu großen Schwierigkeiten und Schmerzen führen. Das, was nachher folgt, nach dieser endgültigen Trennung von der Nabelschnur, muss der Verstand, die Vernunft, der Verzicht oder die Verpflichtung und Dankbarkeit bewerkstelligen. Der Instinkt und das sogenannte Blut, auf das kann man sich nicht mehr verlassen.