Читать книгу Gesundheit durch die Kraft der Nahrung - Michael Puntigam - Страница 16
Verantwortung für uns und die ganze Welt
ОглавлениеWir stehen heute am Scheideweg mit unserer Mutter Erde. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob und wann wir auf die erforderlichen Maßnahmen eingehen, sondern ob wir diesem Wandel bewusst begegnen und ihn aktiv mitgestalten. Alternativ könnten wir warten, bis Katastrophen uns heimsuchen und großes Leid auf uns zukommt und dieser Zustand uns letztlich dazu zwingt, radikale Einschnitte und Maßnahmen durch totalitäre Gesetze hinzunehmen. Das sind keine Horror-Hypothesen, sondern wir alle erleben das bereits in gewisser Weise. So wie die Ernährungswissenschaft nicht wirklich zu einer besseren Ernährung der Menschheit geführt hat, verhält es sich auch mit unserem Planeten. Zu „toter“ Materie wie Teilchen, Partikeln, Elektronen und chemischen Substanzen können wir keine Beziehung aufbauen, was eine ganzheitliche Sicht auf unsere lebende Erde verunmöglicht. Menschen der alten Kulturen haben die Luft, das Wasser, die Erde, Steine und Pflanzen stets als heilig, geistig und lebendig betrachtet und ihnen Namen gegeben wie Demeter, Natura, Gaia, Pachamama. NaturgöttInnen sind nicht, wie von Kolonialisten bezeichnet, ein Aberglaube, vielmehr helfen sie uns, die abhängige Verbundenheit der verschiedenen Wesensarten und Phänomene zu verstehen. Spiritualität bedeutet für mich in erster Linie, diese Verbundenheit wahrzunehmen und die Erkenntnis darüber zu erlangen, dass es so etwas wie ein unabhängiges „Ich“ gar nicht geben kann. Die Entfremdung von der Natur, anderen Menschen und uns selbst ist der Beginn von Ausbeutung, Beziehungslosigkeit, wirtschaftlichem Wachstumswahn und leidbringenden Taten. Unsere Gesellschaft wieder in eine gute, lebendige und mitfühlende Beziehung zur Natur zu führen, bleibt eine der dringlichsten Aufgaben, vor der wir stehen. Die Beschäftigung mit den fünf Wandlungsphasen der TCM ist eine gute Möglichkeit, um diese lebendige Beziehung zu unserer Erde zu lernen und zu verstehen. Denn mittlerweile ist klar, dass wir, wenn wir so weitermachen, bald nicht mehr auf diesem Planeten leben werden können. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was es bedeutet, unseren Nachfahren und Kindern keinen Lebensraum zur Verfügung stellen zu können? Jede und jeder von uns ist in der Verantwortung, nachhaltiger zu leben, den Konsum einzuschränken, auf gewisse Dinge zu verzichten, wieder mehr lokal und unverpackt einzukaufen.
Weltweite CO2-Emissionen 1990–2018
Laut Global 2000 ist die Nutztierhaltung für mehr als die Hälfte der Emissionen der heimischen Landwirtschaft verantwortlich. Hinzu kommen noch „die Abholzung des Regenwaldes sowie der Import von Fleisch aus anderen Ländern. In Summe erzeugt die Ernährung der Österreicherinnen und Österreicher rund 12,5 Millionen Tonnen CO2eq und damit mehr als der Personenverkehr auf den Straßen Österreichs (12 Millionen Tonnen CO2eq).“6 Nicht nur für unser Klima stellt die Nutztierhaltung, meist Massentierhaltung, eine Belastung dar, sondern auch für unser Wasser. Von Millionen Tieren wird eine Unmenge an Gülle ausgeschieden und diese verursacht durch ihren hohen Gehalt an Problemstoffen große Umweltverschmutzungen. In Deutschland hat die intensive Schweinemast sogar dazu geführt, „dass Trinkwasser fast um die Hälfte teurer werden wird, weil ausgebrachte Gülle eine aufwändigere Reinigung des Wassers in Kläranlagen nötig macht. Auch in Österreich werden jährlich bei knapp zehn Prozent aller Messstellen Nitratgrenzwert-Überschreitungen im Trinkwasser festgestellt.“7
Trotz der hohen Treibhausgasemissionen und Umwelteinflüsse unserer Nahrungsmittelproduktion scheuen sich Länder, klare Empfehlungen für die Begrenzung des Fleisch- und Milchverzehrs auszusprechen. Auch nicht im Fall von rotem und verarbeitetem Fleisch und trotz des Zusammenhangs mit Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs. Da die Politik die Massenproduktion tierischer Lebensmittel fördert, ist weltweit keine politische Neuorientierung in Bezug auf unsere Ernährung in Sicht. Wir müssen selbst etwas tun.
Die EAT-Lancet-Kommission, bestehend aus 37 internationalen WissenschaftlerInnen, ist der Ansicht, dass nur eine grundlegende Veränderung unserer Ernährungsweise, eine Verbesserung der Lebensmittelproduktion sowie die Reduktion unserer Lebensmittelabfälle eine nachhaltige und gesunde Ernährung für alle Menschen bis zum Jahr 2050 ermöglichen kann. Ihr Report verdeutlicht die positiven gesundheitlichen und ökologischen Folgen ihrer Empfehlungen und deren Umsetzbarkeit. Anfang 2019 präsentierte die Kommission sogar einen Speiseplan zum Schutz der Gesundheit der Menschen und des Planeten („Planetary Health Diet“). Demnach wären eine Verdoppelung der Nahrungsaufnahme von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen sowie die Hälfte des Konsums von Fleisch und Zucker notwendig. Würden sich die Menschen nach den EAT-Lancet-Vorgaben ernähren, würde die vorzeitige Sterblichkeit durch Zivilisationskrankheiten um bis zu 33 Prozent sinken. Die Emissionen durch die Nahrungsmittelindustrie würden sogar um das Dreifache verringert werden können.8 Die tibetische Medizin ist der Ansicht: Wenn wir das Erde-Element (Bodenschätze, Pflanzen, Humus usw.) des Planeten ausbeuten, wird das Wasser-Element ansteigen. Neben den dann zu erleidenden Naturkatastrophen werden wir auch innerlich davon beeinflusst. Wir werden dadurch deutlich emotionaler und empfindlicher. Heben wir den Reichtum der Erde (also die natürlichen Ressourcen wie das Wasser und die Bodenschätze) weiter, wird auch das Wind-Element ansteigen, die Dinge verlieren an Stabilität und die Menschen werden reizbar, unruhig und entwickeln einen unnatürlichen Bewegungsdrang.
Wir pflegen einen respektlosen Umgang gegenüber unserem Planeten und bringen ihn damit an den Rand der Zerstörung. Die Erde ist ein lebender Organismus, der sich selbst reguliert. Sobald eine Spezies sich zu sehr ausbreitet, taucht eine andere auf, um diese einzudämmen. Es ist eine Art des Ausgleichs, dass neue Krankheiten entstehen, die das Lebewesen, welches das Gleichgewicht stört, drastisch dezimiert. Ich glaube, wir stehen gerade am Anfang dieser Phase. Moderne Technologien können uns davor nicht schützen, denn die komplexen wechselseitigen Beziehungen zur Erde sind schwer zu verstehen und schon gar nicht künstlich nachbildbar. Wir sollten die Natur so anerkennen, wie sie ist, und so leben, dass wir uns an die natürlichen Gegebenheiten anpassen, und nicht umgekehrt. Wir alle wollen glücklich sein, warum ändern wir also nicht unseren Lebensstil im Sinne der Natur?