Читать книгу Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge - Michael Schenk - Страница 10
Kapitel 8
ОглавлениеKormunds Schar hatte in der Stadt bereits Aufmerksamkeit erregt, und viele
der Bewohner hatten dem Scharführer besorgte Fragen zugerufen. Es war
offensichtlich, dass die Pferdelords einen Kampf bestritten hatten, und der
Anblick der Verwundeten rief böse Erinnerungen an den Überfall der Orks
vor knapp vier Jahreswenden in ihnen wach. Kormund versuchte die
Menschen zu beruhigen, während sie die Pferde durch die Straßen lenkten,
aber er war doch erleichtert, als sie endlich den breiten Weg erreichten, der
zur Burg hinüberführte.
Eigentlich hätten sie von Norden aus direkt die Burg ansteuern müssen,
ohne die Stadt selbst zu berühren, aber Kormund hatte trotz des Risikos für
den verwundeten Zwerg einen Umweg nach Westen genommen, um in einem
Weiler Männer zu rekrutieren, welche die Nordgrenze sicherten, solange sie
in der Stadt waren. Daher waren sie nun auf ihrem Weg zur Burg von Süden
her in die Stadt gekommen. Korwin hoffte, dass Larwyn und Tasmund für
sein Handeln Verständnis haben würden, doch seine erste Sorge galt der
Hochmark und nicht den Verwundeten.
Der Schatten des Haupttores fiel über die kleine Schar, und sie hörten die
Rufe der wachhabenden Schwertmänner, als die Hufe ihrer Pferde über den
vorderen Burghof klapperten.
»Was ist geschehen, guter Herr Kormund?«, rief eine der Wachen zu ihnen
hinüber. »Ihr macht den Anschein, als wäret ihr in ein Gefecht geraten. Und
was ist das für ein seltsamer kleiner Mann bei euch?«
»Ihr werdet alles erfahren«, erwiderte Kormund. »Doch zunächst muss ich
der Hohen Dame Larwyn und dem Ersten Schwertmann Tasmund Bericht
geben.«
Einer der beiden Schwertmänner vor dem Haupthaus eilte zu Kormund
hinüber und nahm die Zügel seines Pferdes, als sich der Scharführer aus dem
Sattel schwang. Kormund reichte einem weiteren hinzugekommenen
Schwertmann die Lanze mit dem Berittwimpel, und als dieser das geronnene
schwarze Blut daran erkannte, verengten sich kurz seine Augen, und er nickte
Kormund schweigend zu. Der Wimpel würde ohne viel Aufheben vom Blut
der Bestien gesäubert werden. Aus dem hinteren Burghof eilten nun Männer
und Frauen herbei, während eine aufgeregte Stimme bereits nach der Heilerin
Meowyn rief.
»Gebt acht«, murmelte Dorkemunt erschöpft, als man ihm den
verwundeten Zwerg aus den Armen nahm. »Er hat viel Blut verloren. Die
Heilerin soll sofort nach ihm sehen.«
Auch die anderen schwangen sich nun aus den Sätteln, und der verletzte
Pferdelord mit dem aufgerissenen Bein stöhnte schmerzerfüllt, als ein
herbeieilender Helfer versehentlich dagegenstieß. Einer der unverletzt
gebliebenen Reiter nahm die Zügel der Pferde, um sie zu den Stallungen zu
führen und zu versorgen. Indessen gingen Kormund und Dorkemunt auf das
Haupthaus zu, nicht ohne im Vorbeigehen hastig ihren Durst an dem großen
Brunnen zu stillen, der vor dem Gebäude stand. Kormund blickte zu den
Fensterbögen hinauf, hinter denen sich das Amtszimmer seines Pferdefürsten
Garodem befand, und er erkannte Larwyn, die dort mit ihrem Sohn auf dem
Arm stand und zu ihm hinuntersah. Kormund nickte ihr zu und richtete sich
seufzend auf.
»Komm, Dorkemunt, mein Freund«, murmelte er. »Wir haben schlechte
Nachrichten zu überbringen.«
»Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, Kormund, mein Freund,
dass heimkehrende Streiftrupps, die augenscheinlich Feindberührung hatten,
immer nur schlechte Nachrichten bringen?«
Kormund lächelte knapp. »Nein, darauf wäre ich niemals gekommen, mein
Freund. Aber nun lass uns hinaufgehen, die Hohe Dame hat uns bereits
gesehen und wird schon warten.«
Sie schritten die Stufen unter dem Vorbau hinauf, durch die massive
Doppeltür hindurch und traten aus dem gleißenden Sonnenlicht in das
Halbdunkel des Erdgeschosses. In dem schmalen Gang, den sie betraten,
brannte auch tagsüber eine Reihe von Brennsteinlampen, denn im
Erdgeschoss gab es bis auf ein paar schmale Wanddurchbrüche in der großen
Halle weder Fensteröffnungen noch Schießscharten. Linker Hand führte eine
Treppe zum mittleren Wehrgang hinauf, der die beiden Burghöfe voneinander
trennte. Sie folgten dem Korridor und betraten durch eine offen stehende Tür
die große Versammlungshalle.
Einer der riesigen Brennsteinleuchter war entzündet, und sein düster
wirkendes Licht hob die Umrisse der Säulen aus schwarzem Stein hervor,
welche die Halle umgaben. Im Flackern der Brennsteinflammen tauchten
gelegentlich die zwischen den Säulen aufgestellten Lanzen mit den Bannern
und Wimpeln der Pferdelords aus dem Dunkel hervor. Nur das große Banner
mit dem Symbol der Hochmark, das an der Stirnseite des Raumes hing, war
deutlich zu erkennen. Bänke und Tische der großen Halle waren leer, und die
Schritte der beiden Männer hallten von den massiven Steinwänden wieder.
Sie gingen an dem wuchtigen Kamin vorbei und stiegen rechts davon die
Stufen jener Treppe hinauf, die zum Amtsraum des Pferdefürsten und seinen
privaten Gemächern führte. Als sie das breite hölzerne Podest vor der Tür
zum Amtsraum erreichten, legte der hier postierte Schwertmann der Wache
grüßend die Hand an den Schwertgriff. »Die Hohe Dame Larwyn erwartet
Euch bereits, Kormund.«
Der Schwertmann schlug kurz an die schwere Tür und öffnete sie dann.
Die beiden Pferdelords betraten das Amtszimmer Garodems, und Kormund
legte grüßend die Hand an den Schwertgriff, während Dorkemunt, der sich
noch nie wirklich mit Schwertern hatte anfreunden können, die Klinge seiner
Axt ehrerbietig auf den Boden setzte.
»Scharführer Kormund vom ersten Beritt«, meldete Kormund förmlich.
»Zurück vom Streifritt an der Nordgrenze, Hohe Dame Larwyn.«
Larwyn hatte ihren Sohn in der Zwischenzeit in die Obhut einer der Mägde
gegeben und stand nun vor dem großen Schreibtisch ihres Gemahls. Sie wies
auf die gepolsterten Stühle, die vor dem massigen Möbel standen, und
lächelte. »Ihr seht erschöpft aus, ihr guten Herren. Setzt euch und nehmt eine
Erfrischung, bevor ihr mir berichtet.«
Kormund nickte dankbar und stieß Dorkemunt an, der verunsichert nach
einem geeigneten Stellplatz für seine riesige Streitaxt suchte. Schließlich
lehnte er sie neben der Tür an die Wand und folgte seinem Scharführer zu den
Stühlen. Erleichtert seufzend nahmen sie Platz. Larwyn reichte ihnen zwei
Becher mit kühlem, wohlschmeckendem Wein.
Sie war sichtlich ungeduldig, Kormunds Bericht zu hören, doch
beherrschte sie sich und wartete darauf, dass Tasmund eintreffen würde. Der
Erste Schwertmann der Hochmark inspizierte gerade das Fluchtgewölbe unter
der Burg, und so hatte man nach ihm schicken müssen. Endlich polterten die
eiligen Schritte des Kommandeurs der Schwertmänner die Treppe herauf.
Tasmund trat ein und grüßte die Hohe Dame Larwyn ehrerbietig, bevor er
neben die Pferdelords trat.
»Berichtet«, sagte Tasmund grimmig. »Ich habe den Wimpel gesehen und
kann mir meinen Teil denken.«
»Den Wimpel?« Larwyn sah den Ersten Schwertmann verwundert an.
»Was ist mit ihm?«
»Bestienblut«, erwiderte Tasmund knapp. Er musterte Kormund. »Wie
viele? Ist die Mark bedroht?«
Kormund zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht, und auch Dorkemunt
vermag es nicht zu sagen. Aber wir sind den Orks begegnet.«
»Ihr hattet einen guten Kampf?«
»Den hatten wir.«
Tasmund nickte. »Gut. Dann berichtet uns, was ihr erlebt habt.«
Kormund begann zu schildern, was sich auf der Patrouille an der
Nordgrenze ereignet hatte, und Tasmund und Larwyn hörten schweigend zu.
Erst als Kormund geendet hatte und Dorkemunt bestätigend dazu nickte,
hoben sie an, ihre Fragen zu stellen. Tasmund trat an die elfische Karte heran
und vollzog in Gedanken den Weg der Schar nach. »Ihr habt lange gebraucht
für den Rückweg.«
Kormund räusperte sich. »Ich weiß, mein Schwertführer. Die Zeit drängte
zwar, da wir Verwundete hatten und der kleine Mann dem Weg zu den
Goldenen Wolken nahe ist. Aber es schien mir wichtiger, die Grenze zu
sichern. Wir haben einen der größeren Weiler aufgesucht und eine kleine
Schar Pferdelords verpflichtet, die Grenze nach Norden zu bewachen.« Er
machte eine entschuldigende Geste. »Ich weiß, dazu ist nur der Pferdefürst
befugt oder …«
»Schon gut«, schnitt Tasmund ihm das Wort ab. »Ihr habt richtig
gehandelt, guter Herr Kormund. Wir vergessen es, Eure Zustimmung
vorausgesetzt, Hohe Dame Larwyn.«
Larwyn nickte. »Lassen wir die höfischen Verrenkungen, Tasmund«, sagte
sie leise. »Dafür mag später wieder Zeit sein. Jetzt gilt es zu überlegen, ob wir
einer Bedrohung gegenüberstehen.«
Tasmund nickte. »Ihr habt recht, Hohe Dame Larwyn.« Der erste
Schwertmann wandte sich wieder der Karte zu. »Die Nordgrenze ist relativ
leicht zu sichern. Dort gibt es fast nur steil aufragende Felswände, und der
einzige Weg nach Norden ist der Nordpass, der sich viele Tagesritte weit
durch das Gebirge erstreckt. An den Engstellen ist er noch leichter zu halten
als der Südpass.« Er musterte Kormund. »Wie viele Männer hast du
abgestellt, Kormund?«
»Zwanzig«, erwiderte dieser. »Der Weiler kann mehr aufbieten, aber wenn
ich mehr Männer aufgestellt hätte, wäre sicherlich Unruhe entstanden.«
»Gut gemacht.« Tasmund lächelte dem Scharführer zu. »Der rechte Mann,
einen Wimpel zu führen. Zwanzig Mann können den Pass gegen eine
marodierende Barbarengruppe halten und sind genug an der Zahl, um bei
einem Ansturm der Orks die Mark zu alarmieren. Wer Eternas von Norden
her angreifen will, trifft zuerst auf die Burg, und daran wird er sich die Zähne
ausbeißen.«
Larwyn runzelte die Stirn. »Als die orkischen Legionen uns vor Jahren
berannten, fielen sie zuerst über die Stadt her, und wir mussten tatenlos
zusehen, wie alle erschlagen wurden, die sich nicht in die Burg retten
konnten.«
»Ihr habt recht, Larwyn«, räumte der Erste Schwertmann ein. »Doch
damals kam der Angriff von Süden und musste zwangsläufig durch die Stadt
hindurch gegen die Burg vorgetragen werden.«
»Verzeiht«, meldete sich Dorkemunt zu Wort. »Aber ich glaube nicht, dass
es uns gilt.«
Der kleinwüchsige Pferdelord rutschte vom Polster des Stuhls und trat zu
Tasmund an die Karte. »Seht ihr? Hier ungefähr fanden wir den Zwerg, so es
denn einer ist. Er hatte viel Blut verloren und muss also schon ein gutes Stück
unterwegs gewesen sein.« Seine Hand fuhr auf der Karte nach Norden hoch.
»Hier irgendwo soll eine der Städte des Zwergenvolkes liegen, und ich wette,
er kam von dort.«
»Die Zwerge also?« Tasmund kratzte sich im Nacken. Er konnte sich nur
verschwommen an die Zeit erinnern, in der sein Vater noch Schwertmann am
Hof des Königs gewesen war. Damals hatte sein Vater ihm zum ersten Mal
von den kleinen, stark behaarten Wesen erzählt. Das war noch vor der Zeit
gewesen, da der treue Schwertmann mit seinem kleinen Sohn Tasmund dem
Pferdefürsten Garodem in die Hochmark gefolgt war. Tasmunds Vater hatte
Garodem noch lange gedient, bis er bei einem Reitunfall zu Tode gestürzt
war. Der Tradition folgend, war Tasmund in die Fußstapfen seines Vaters
getreten, nachdem Garodem ihm des Vaters Schwert gereicht hatte. »Ja, mein
Vater berichtete einst von diesen kleinen Wesen. Du magst Recht haben,
Dorkemunt.«
»Es war jedenfalls kein Streiftrupp einer orkischen Horde«, bekräftigte
Dorkemunt. »Sie waren eindeutig hinter dem Zwerg her.«
Larwyn blickte kurz zu der Rüstung ihres Gemahls Garodem, die hinter
dem Schreibtisch in der Ecke des Raumes stand. »Wir müssen uns
vergewissern, ob der Mark eine unmittelbare Gefahr droht. Ich denke, der
kleine Mann wird uns mehr sagen können.«
»Wenn er noch lebt«, sagte Dorkemunt seufzend.
»Lasst uns sehen, was die gute Frau Meowyn für ihn tun kann.« Larwyn
lächelte ermutigend. »Sie hat von der elfischen Frau vieles Nützliche gelernt.
Gehen wir zu ihr, Tasmund. Ihr, mein guter Kormund, und Ihr, Dorkemunt,
habt euch wahrlich eine Erholung verdient. Geht nun und ruht euch aus, wir
werden eure Kräfte bald genug wieder benötigen. Ich bitte euch aber noch
darüber zu schweigen, dass ihr den Orks begegnet seid. Solange die Mark
nicht unmittelbar in Gefahr ist, möchte ich die Menschen nicht beunruhigen.«
Die beiden Pferdelords grüßten zum Abschied, und Larwyn folgte ihnen in
Begleitung von Tasmund die Treppe hinunter, um das Hospital der Heilerin
aufzusuchen. Sie überquerten den vorderen Hof und schritten unter den drei
Torbögen der neu errichteten Mittelmauer hindurch an der Unterkunft der
Schwertmänner vorbei zum Eingang des Hospitals. Dabei gingen sie
gemessenen Schrittes, denn jede erkennbare Eile hätte nur unnötig für
Aufregung gesorgt.
Sie stiegen die Stufen zu den Räumen der Heilerin hinauf und pochten
kurz an die geschlossene Tür, bevor sie öffneten. Im Land der Pferdelords
war es nicht allein ein Gebot der Höflichkeit, vor dem Betreten eines Raumes
an die Tür zu klopfen. Vielmehr tat man damit seine friedlichen Absichten
kund, wer jedoch eine Tür ohne Ankündigung öffnete, riskierte einen raschen
Schwertstreich. Auch Meowyn, die Heilerin, verstand sich auf den Umgang
mit Waffen. Als sie vor Jahren noch zusammen mit ihrem Mann Balwin und
ihrem Sohn Nedeam die Wolltierherden hütete, hatte sie den Umgang mit
Bogen, Lanze und Schwert erlernt, auch wenn sie letzteres Instrument nicht
besonders liebte.
Das kleine Hospital erstreckte sich über zwei Stockwerke. Im unteren
Geschoss lag der Behandlungsraum, in dem Meowyn ihre Heilkunst
praktizierte. Dahinter schloss sich das Schlafgemach der Heilerin an. Der
Behandlungsraum war eigentlich recht groß, wirkte aber durch die
Einrichtungsgegenstände überfüllt und eher ungemütlich. In der Mitte des
Raumes stand der Behandlungstisch, auf dem Meowyn die Verwundeten
versorgte. Es war ein massiver Tisch mit einer dicken Holzplatte, die
zahlreiche Kerben aufwies, vor allem an den Kanten, in die so mancher
Patient vor Schmerz seine Finger gekrallt hatte. Auf der Platte des Tisches
hoben sich dort die Kerben dunkel ab, wo Blut das Holz verfärbt hatte.
Es gab nicht viel, was den Schmerz linderte, wenn ein Knochenbruch
versorgt und eine Wunde genäht oder gar ausgebrannt werden musste. Meist
erhielt der Verletzte eine ordentliche Portion Alkohol und einen ledernen
Knebel, den man ihm zwischen die Zähne schob, damit er sich im Schmerz
nicht die Zunge abbiss. Manchmal half auch ein wohl dosierter Hieb, um den
Patienten ruhigzustellen. Die Elfen verstanden sich auf die Verabreichung
von Kräutern, welche den Schmerz betäubten, doch diese Kräuter waren
selten, und Meowyn hatte sie bei ihren Ausritten in der Hochmark bislang
nicht finden können.
Meowyn war oft in der Hochmark unterwegs, sammelte Kräuter, Beeren
und Moose und kratzte Rinde von den Bäumen, um all dies später zu
untersuchen. Die Beschäftigung mit der Natur war ihr von der elfischen
Heilerin Leoryn nahegebracht worden, die ihr einiges vom elfischen Wissen
vermittelt hatte. Die Heilerin experimentierte mit den Substanzen, mischte sie
und erkundete, welche Heilkräfte ihnen eigneten. Zu diesem Zweck stand an
einer Seite des Raums ein langer Tisch, auf dem sich Becher, Schalen, irdene
Krüge und Stößel drängten. An den Wänden erhoben sich Regale, die
angefüllt waren mit Schachteln, versiegelten Gefäßen und Bündeln von
trocknenden Kräutern.
Vom Behandlungsraum aus führte eine breite Treppe ins Obergeschoss, in
dem Verwundete oder Erkrankte betreut werden konnten. Der
Treppenaufgang ließ sich von oben mit einer Klappe verschließen, um zu
verhindern, dass sich Erkrankte im Fieberwahn von der Bettstatt erhoben und
die Treppe hinunterstürzten.
Am Fuß des Treppenaufgangs führte eine Tür in Meowyns Kammer. Die
Heilerin war sehr genügsam, und so enthielt die Kammer nicht viel mehr als
eine Bettstatt, zwei große Kisten mit ihren Kleidern und Habseligkeiten sowie
einen kleinen Tisch nebst Schemel. Sie wohnte nun nicht mehr auf Balwins
Gehöft, denn die Erinnerung an ihren Mann schmerzte sie noch zu sehr.
Natürlich hätte Meowyn auch ein Haus in der Stadt beziehen können, aber die
blonde Frau empfand eine tiefe Freundschaft zu Larwyn und fühlte sich
zwischen den Pferdelords in der Burg Eternas wohl. Nein, die einfache
Kammer reichte ihr, zumal sie hier nur schlief, denn meist versorgte sie die
Menschen oder war in der Hochmark unterwegs.
Die beiden verwundeten Pferdelords aus Kormunds Schar saßen noch
unbehandelt auf einer Bank neben der Tür und sahen der Heilerin dabei zu,
wie sie sich mit geübten Händen um den kleinen Mann bemühte. Meowyn
hatte zwei Gehilfen, die ihr zur Hand gingen und dabei von ihr lernten, denn
sollte es Meowyn einmal nicht möglich sein, mussten sie sich um die
Verletzten und Erkrankten kümmern. Doch die meisten Bewohner der
Hochmark verstanden sich auf die Versorgung von einfachen Verletzungen,
wie Schnitt- und Schürfwunden oder Knochenbrüchen, und ein Pferdelord
war nicht unbedingt zimperlich, wenn es darum ging, die eigenen Wunden zu
behandeln.
Früher hatte man die Wunden mit einer Auflage von Moos versehen, das
einer Entzündung entgegenwirkte, und dann einen Verband darübergelegt,
oder man hatte sie ausgebrannt und die Blutgefäße mit einem glühenden
Eisen verschlossen. Von den Elfen hatte Meowyn gelernt, dass es meist
besser war, die Wunde mit einem Faden zu vernähen und so zu schließen.
Aber es brauchte seine Zeit, diese Erkenntnisse zu vermitteln.
Meowyn blickte kurz auf, als die Tür geöffnet wurde, und wandte sich
dann wieder ihrem Patienten zu. »Ihr müsst euch gedulden, ich kann euch
noch nicht viel sagen. Er hat viel Blut verloren, und die Pfeilwunde ist tief.
Der Schaft ist recht grob. Ein Orkpfeil, nehme ich an?«
»Ja«, erwiderte Tasmund und nickte unwillkürlich, obwohl Meowyn gar
nicht zu ihm hinsah.
Die Heilerin seufzte leise. »Dann muss ich ihn schnell entfernen, obwohl
ich nicht glaube, dass die Orks ihn präpariert haben. Die Wunde ist zu sauber
und nicht entzündet. Vielleicht hat auch die Blutung die Giftstoffe
herausgewaschen.«
Der Oberkörper des Verletzten war entblößt, und seine Kleidung lag in
kleine Stücke zerschnitten am Fußende der Tischplatte. Meowyn und ihre
Gehilfen hatten sie aufgetrennt, um sie schonend vom Körper des Mannes
entfernen zu können. Der Mann lag auf dem Bauch und schien am ganzen
Körper behaart zu sein. Es waren kräftige rötliche Haare, und wenn sie auch
kein Fell bildeten, so wuchsen sie doch weitaus dichter als bei einem
Menschenmann. Das Haupthaar war ungewöhnlich lang und kräftig. Vor
allem die beiden dicken, geflochtenen Bartzöpfe verwunderten die Menschen.
Tasmund betrachtete einen der über den Tisch herabhängenden Zöpfe und
trat näher. Dann hob er den Zopf an, besah sich die dunklen Flecken in dem
Haar und schnupperte daran. Ja, es bestand kein Zweifel, das war das Blut
einer Bestie.
»Ist es ein Zwerg?«, fragte Larwyn aufgeregt.
Meowyn nickte gedankenverloren. »Ein Zwerg? Ja, sicher ist es ein Zwerg.
Ein anderes Wesen wäre wohl längst an dieser Wunde verblutet. Er hat sehr
festes Gewebe. Ich werde schneiden müssen. Hoffentlich verlaufen seine
Blutgefäße ebenso wie bei uns.« Sie blickte auf. »Ihr müsst ihn festhalten.
Auch wenn er jetzt ohne Bewusstsein ist, so wird der Schmerz ihn vielleicht
aufwecken. Wenn er sich bewegt, könnte die Klinge abrutschen, und alle
Mühe wäre umsonst.«
Die blonde Heilerin zog an einer Kette, die über dem Tisch von der Decke
herabhing, und das glosende Brennsteinbecken senkte sich ein wenig tiefer.
»Ja, so ist es besser«, murmelte sie und begann die um den Schaft des Pfeils
herum freigelegten Wundränder zu betasten. »Ah gut. Die Ränder sind glatt,
und die Wunde ist nicht sehr lang. Demnach muss die Pfeilspitze recht schmal
sein.«
Meowyn beugte sich zur Seite und schob einen länglichen Haken tiefer in
den Brennstein eines anderen Beckens. Die Spitze begann langsam zu glühen.
Dann nahm sie ein langes Messer mit einer sehr schmalen Klinge und hielt
auch diese kurz in die Flammen.
»Warum tut Ihr das?«, fragte Tasmund interessiert. »Ich dachte, Ihr nehmt
den Haken zum Ausbrennen.«
»Leoryn, die Elfin, sagte einmal zu mir, dass winzige Tiere auf allen
Dingen leben und dass diese Tiere eine Wunde entzünden können. Das Feuer
jedoch würde sie vertreiben.«
»Winzige Tiere, gute Frau Meowyn?« Der Erste Schwertmann runzelte die
Stirn und musterte die Klinge in Meowyns Hand misstrauisch. »Ich kann
keines von ihnen sehen.« Er lächelte. »Sicher wollt Ihr scherzen.«
»Nein, guter Herr Tasmund«,entgegnete Meowyn bestimmt. »Die
Elfenfrau Leoryn hat es gesagt.«
Tasmund schwieg. Die Elfen kannten viele wunderliche Dinge, und wenn
eine Elfenheilerin dergleichen gesagt hatte, so war Tasmund nicht der
Richtige, dem zu widersprechen. Zudem waren die Augen der Elfen
sicherlich besser als die der Menschen. Sie mochten wohl Dinge sehen, die
ein Mann des Pferdevolkes nicht erkennen konnte.
»Haltet ihn fest«, sagte Meowyn.
Auch die beiden verletzten Pferdelords traten hinzu und halfen dabei, den
Körper des Zwerges fest auf den Tisch zu drücken. Meowyn setzte die Klinge
am Schaft des Pfeils in die Wunde und schnitt langsam tiefer ins Fleisch,
wobei ihr Gesicht ihre ganze Konzentration verriet.
»Ich kann die Spitze spüren«, murmelte sie, während frisches Blut aus der
Wunde quoll. »Da ist ein Widerstand, der dort eigentlich nicht sein dürfte.
Passt gar nicht zur Form der Wundränder. Der Pfeil muss sich im Körper
gedreht haben.« Sie bewegte das Messer unmerklich und nickte zufrieden.
»Ja, jetzt gleitet es an der Spitze entlang. Nur kleine Widerhaken.
Ungewöhnlich für einen Orkpfeil.«
Sie zog die Klinge heraus, die mit menschenähnlichem Blut bedeckt war,
setzte sie an der anderen Seite der Wunde an und ergriff den Stummel des
Pfeilschafts. Nun schien die Heilerin eine winzige Drehbewegung
auszuführen, und Larwyn glaubte zu spüren, wie der Körper auf dem Tisch
unmerklich zusammenzuckte, doch dann gab es ein leises, schmatzendes
Geräusch, und der Pfeil glitt entlang der Messerklinge aus dem Körper des
Zwerges heraus.
»Haltet ihn«, murmelte Meowyn und betrachtete kurz die Stahlspitze,
bevor sie die Reste des Pfeils mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck in
einen Kübel warf. Dann ergriff sie den Haken aus dem Brennsteinbecken.
»Gut festhalten.«
Sie warf einen kurzen Blick auf die Klinge des Messers, um die Tiefe der
Wunde abzuschätzen, bevor sie die glühende Hakenspitze in die Wunde
senkte. Es begann nach verbranntem Fleisch zu stinken, und der Körper auf
dem Tisch bäumte sich kurz auf, bevor er wieder erschlaffte und auf die
Holzplatte zurücksank. Meowyn zog den Haken heraus. »Ich bin nicht sehr
tief gegangen, doch es wird gereicht haben, die oberen Gefäße zu
verschließen. Das Gewebe ist sehr fest, und wenn der Zwergenmann nicht
allzu viel Blut verloren hat, müsste es heilen.«
Meowyn warf den Haken in das Brennsteinbecken zurück und trat an eines
der Regale heran, aus dem sie einen kleinen irdenen Topf mit einer gelblichen
Paste hervorzog, die bestialisch stank und deren Zusammensetzung die
anderen lieber nicht erfahren wollten. Damit bestrich sie die Wunde und
bedeckte sie schließlich mit frischem Moos. »Wäre er ein Menschenmann, so
hätte ich die Wunde durch eine Naht verschlossen und sie der Selbstheilung
überlassen«, erklärte Meowyn. »Doch da ich das Innere der Zwergenwesen
nicht recht kenne, habe ich die Gefäße lieber durch Hitze verschlossen.«
Während die Heilerin gefaltete Stofflagen auf den Wundbereich gab und
dann einen Verband anzulegen begann, musterte sie die beiden verletzten
Pferdelords. »Was ich für diesen hier tun konnte, habe ich getan. Nun werde
ich mich auch um euch kümmern.«
Sie sah ihre wartenden Gehilfen kurz an. »Tragt nun den Zwergenmann
behutsam nach oben und achtet darauf, dass sich dabei die Wunde nicht
öffnet. Tritt Blut durch den Verband, so ruft mich sofort.«
»Wann können wir mit ihm reden?«, fragte Larwyn.
»Das vermag ich wirklich nicht zu sagen, Hohe Dame«, seufzte Meowyn
müde.
Alle Umstehenden fuhren zusammen, als die Gestalt auf dem Tisch ein
vernehmliches Stöhnen hören ließ und sich schwach bewegte. Meowyn
beugte sich über den Zwerg und wich überrascht zurück. »Er hat die Augen
offen. Helft mir, ihn umzuwenden, aber seid vorsichtig.«
Einige helfende Hände fassten den Körper des Zwerges und drehten ihn
behutsam herum. Die Augen des Verwundeten schienen langsam klarer zu
werden, während Meowyn vorsichtig Polster unter dessen Rücken schob.
»Wir müssen drauf achten, dass er nicht auf der Wunde liegt und die Ränder
nicht aufbrechen.«
Der Zwerg stöhnte erneut auf und sah die umstehenden Menschen noch
immer ein wenig benommen an. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
»Ihr seid in Sicherheit, guter Herr Zwerg«, sagte Larwyn mit ruhiger
Stimme und sah den Verwundeten freundlich an. »Ich bin Larwyn, Hohe
Dame der Hochmark der Pferdelords, und ich biete Euch den Schutz meines
Hauses und die Wärme meiner Gunst.«
Der Zwerg murmelte ein paar undeutliche Worte, und Meowyn gab
Tasmund einen Wink. Der Erste Schwertmann trat zu einem kleinen Fass
neben der Tür, füllte einen Becher mit Wasser und hielt ihn, zum Tisch
zurückgekehrt, an die Lippen des Zwerges. »Trinkt langsam, guter Herr
Zwerg«, sagte die Heilerin fürsorglich. »Nehmt nur kleine Schlucke.«
»Balruk«, stieß der Zwerg hervor und schob den Becher beiseite. Dann sah
er Larwyn ächzend an. »Mein Name ist Balruk.«
»Ich bin sehr erfreut, guter Herr Balruk, doch nun schont Euch. Ihr habt
viel Blut verloren«, gab Larwyn sanft zurück.
Balruk schüttelte den Kopf. Seine Stimme war leise und kaum zu
verstehen. »Ich habe den Schutz Eures Hauses wohl nötig, Hohe Dame
Larwyn, doch mein Volk braucht ihn noch mehr.« Der Zwerg bäumte sich
erneut auf und biss sich auf die Lippen. »Ah, dieser Schmerz … Ihr müsst uns
helfen. Geht nach Norden bis zum Sprung des Flusses. Bis zum … Sprung
…«
Balruks Augen weiteten sich plötzlich, dann sackte der Zwergenmann in
sich zusammen. Meowyn fuhr hastig mit ihren Fingerspitzen über seine rot
behaarte Brust. »Er lebt. Sein Herz schlägt, wenn auch sehr schwach. Er
braucht jetzt Ruhe, sonst wird er sterben.«
Larwyn nickte zögernd. »Mehr können wir vorerst wohl nicht erfahren. So
bringt ihn nach oben. Und achtet gut auf ihn, gute Frau Meowyn.«
»Habt keine Sorge, das werde ich tun.«
Während die beiden Gehilfen den bewusstlosen Balruk behutsam in die
Krankenkammer hinauftrugen, begutachteten Larwyn und Tasmund die
Kleidung, die Meowyn vom Körper des Zwerges geschnitten hatte. Larwyn
ließ den Stoff durch ihre Finger gleiten und untersuchte die Säume. »Er ist
sehr sorgfältig und fein gearbeitet. Nicht gerade das Gewand eines einfachen
Mannes.«
»Seht Euch seinen Brustpanzer an, Hohe Dame Larwyn.« Tasmund hob
die metallene Brustplatte vom Tisch und wendete sie im Licht der
Brennsteinbecken. »Hier ist ein Wappen eingearbeitet.« Er kratzte an dem
grünlichen Material. »Kein Metall. Es scheint mir eher Kristall zu sein. Sehr
Ihr, wie es funkelt und die verschiedensten Grüntöne zeigt? Nein, das ist nicht
die Kleidung eines einfachen Mannes. Und seine Rüstung schon gar nicht.
Dieser Balruk muss von hohem Rang sein. Ein berühmter Krieger oder sogar
ein Hoher Herr.«
Meowyn stand inzwischen über die klaffende Beinwunde des einen
Pferdelords gebeugt und räusperte sich nun.
Larwyn hob entschuldigend die Hand. »Verzeiht, Meowyn, wir werden
Euch nun Eurer Arbeit nachgehen lassen. Was wir erfahren konnten, haben
wir erfahren. Kommt, guter Herr Tasmund, ich habe noch einiges mit Euch zu
bereden.«
Larwyn und Tasmund verließen das Hospital und schlossen einen Moment
geblendet die Augen, als sie in das grelle Sonnenlicht hinaustraten. Um sie
herum war geschäftiges Treiben.
Pferde wurden vor dem Stallgebäude versorgt und gestriegelt. Ein
Pferdelord, der bei der Hitze nur sein Wams trug, saß auf einer der breiten
Steintreppen, die auf die nördliche Wehrmauer führten, und reinigte einen
Sattel vom Blut seines Reiters. Zwei Burschen brachten Mist aus dem Stall
und schichteten ihn in die Nische unter der Treppe. Oben auf dem Halbrund
der Wehrmauer hantierten ein paar Männer an einem der kleinen Katapulte
und an den neuen Bolzenwerfern. Mit den Katapulten konnte man Steine über
große Entfernung schleudern. Griff ein Feind bei Dunkelheit an, umhüllte
man die Steine mit brennbarem Material, das man zuvor mit Öl oder Fett
getränkt hatte, und entzündete sie. Auf diese Weise ließ sich das Vorfeld der
Burg erhellen. Die neuen Bolzenwerfer dagegen verschossen lange, kräftige
Metallbolzen, die in der Lage waren, bei dicht gestaffelt vorrückenden
Gegnern gleich mehrere Angreifer zu durchbohren und eine Schneise in die
vorderen Reihen zu schlagen.
»Dieser Balruk und die Zwerge stecken offensichtlich mächtig in
Schwierigkeiten.« Tasmund beschattete seine Augen und sah zu dem Turm
hinauf, der sich über das Hauptgebäude erhob und an dessen Spitze das
Signalfeuer von Eternas vorbereitet war. Die Silhouette einer Wache mit dem
wehenden Rosshaarschweif der Schwertmänner hob sich gegen das grelle
Licht ab. »Und es sind die Orks, die ihnen diese Schwierigkeiten bereiten. Es
müssen viele von ihnen sein, sonst würden die Zwerge nicht um Hilfe bitten.«
»Ja. Sie scheinen ein ebenso stolzes Volk zu sein wie wir«, stimmte
Larwyn zu, während sie unter der mittleren Wehrmauer hindurchschritten.
»Es wird ihnen nicht leichtgefallen sein, andere um Hilfe zu ersuchen. Ich
wollte, Garodem wäre hier, dann wäre mir leichter.« Sie seufzte leise. »Ich
kann die Pferdelords nicht einfach nach Norden ins Ungewisse schicken. In
den Jahren nach dem Ansturm der Orks haben wir uns von vielem erholt, und
unsere Bevölkerung ist angewachsen, aber wir bringen kaum drei volle
Beritte auf die Pferde, nicht wahr, guter Herr Tasmund?«
Der Erste Schwertmann kratzte sich im Nacken und überlegte kurz. »Drei
Beritte, nun, Hohe Dame, eigentlich sind es eher zwei. Viele der Männer sind
jung und noch nicht voll ausgebildet, es fehlt ihnen an Erfahrung. Zudem ist
gerade Erntezeit, und die Wolltierschur hat begonnen.«
Larwyn blickte zum Haupttor hinüber. Durch die offen stehenden
Doppelflügel hindurch konnte sie die Stadt erkennen. Es stimmte, es war die
Zeit, in der die Ernte eingebracht und die Wolltiere geschoren werden mussten.
Viel Arbeit für die Menschen der Hochmark. Jeder Mann, dem sie die Losung
der Pferdelords gaben und der dem Treueid folgte, würde dabei fehlen.
»Ihr habt recht, guter Herr Tasmund. Ich will auch nicht zu viel Unruhe in
die Mark bringen, solange wir nicht wissen, was wirklich geschieht. Garodem
wird bald aus der Stadt des Königs zurückkehren, und dann mag er
entscheiden, was zu tun ist. Sollte die Bedrohung durch die Orks zu groß sein,
wird die Zahl unserer Pferdelords nicht ausreichen, ihr zu begegnen. Wenn
wir Hilfe aus den anderen Marken benötigen, müssen wir Boten entsenden
oder das Signalfeuer entzünden. Doch das kann nur mein Gemahl
entscheiden. Bis es so weit ist, müssen wir in Erfahrung bringen, was im
Reich der Zwerge vor sich geht.«
»Kormund und Dorkemunt wären dazu wohl geeignet. Sie sind erfahren
und haben ein Gespür für den Feind.« Tasmund setzte sich auf den Rand des
Brunnens vor dem Haupthaus. Die niedrige Einfassung in achteckiger
Grundform war mit den Wildblumen der Hochmark bepflanzt. In der Mitte
der Wasserfläche spie ein springendes Pferd aus weißem Stein seinen
Wasserstrahl in das Becken. Der Schatten, den die große Steinstatue des
ersten Königs der Pferdelords warf, berührte gerade erst den Rand des
Brunnenbeckens. Es würde also noch dauern, bis die Sonne unterging und der
Abend Abkühlung verschaffte. »Ich möchte sie nur ungern sofort wieder
hinausschicken, aber wir haben nicht sehr viele Männer mit ihrer Erfahrung.«
Larwyn setzte sich neben ihn, schöpfte eine Handvoll Wasser und betupfte
damit ihren Nacken. »Dorkemunt ist nicht nur ein sehr erfahrener
Pferdelord«, sagte sie leise und lächelte Tasmund an. »Er ist auch ein sehr
kleiner Pferdelord.«
Tasmund verstand, worauf sie hinauswollte. »Er würde sich recht
unauffällig im Reich der Zwerge bewegen können.«
»Richtig.« Larwyn lachte auf. »Er mag nicht so breite Schultern haben wie
ein Zwerg, und ihm fehlt wohl auch der üppige Bartwuchs, doch dem könnte
man abhelfen.«
Tasmund straffte sich. »Hohe Dame Larwyn, ich schlage vor, dass
Kormund und Dorkemunt aus den beiden großen Weilern einen Beritt
zusammenstellen, mit dem sie nach Norden reiten, um die Lage zu erkunden.
Hin zu diesem, äh, Sprung, den der Zwerg Balruk erwähnte.«
»Hin zum Sprung des Flusses«, bekräftigte Larwyn, »und, wenn nötig,
auch weiter. Wohl denn, guter Tasmund, geht und bringt mir Dorkemunt und
Kormund. Und schickt noch einen verlässlichen Mann zu mir. Ich will, dass
über all dies Schweigen herrscht. Eilen wir uns, denn wir wissen nicht, wie
viel Zeit uns noch bleibt.«