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Kapitel 2

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»Lehn dich nicht so weit aus dem Fenster, mein kleiner Pferdefürst Garwin«,

lachte Larwyn auf und verließ den massiven Schreibtisch, um an das Fenster

zu treten. »Wir mögen schnell zu Pferde sein, doch können wir deshalb noch

nicht fliegen.«


Garwin versuchte dennoch, die Brüstung des Fensterbogens zu erreichen,

und krähte empört, als seine Mutter ihn sanft, aber bestimmt vom Fenster

fortzog. Doch die Frustration des Dreijährigen verflog rasch, und sein

Interesse wandte sich der rotbraunen Rüstung seines Vaters Garodem zu, die

im Hintergrund des Arbeitszimmers des Pferdefürsten der Hochmark stand.


Larwyn sah ihrem Sohn lächelnd bei der Untersuchung der stählernen

Beinschienen zu und setzte sich dann wieder hinter den Schreibtisch ihres

Gemahls.


»Er wird ein rechter Pferdelord werden«, sagte ein schlanker und

hochgewachsener Mann mit tiefschwarzem Haar aus der Mitte des Raumes.

Tasmund, der Erste Schwertmann der Hochmark und Führer der Wache der

Schwertmänner, hielt seine linke Hand ehrerbietig am Griff seines Schwertes.

Wie gewöhnlich hatte er den rechten Arm ein wenig steif unter seinem langen

grünen Umhang verborgen. Als vor Jahren eine orkische Legion gegen

Eternas stürmte, war er gegen eine Mauer geschleudert und seine Schulter

beinahe zerschmettert worden. Die Kunst der elfischen Heilerin Leoryn hatte

bewirkt, dass er sie wieder bewegen konnte, aber der Arm war an der Schulter

ein wenig steif geblieben, sodass Tasmund sein Schwert mit dem rechten Arm

nie wieder richtig würde schwingen können. Er hatte sich zwar antrainiert, es

mit der linken Hand zu führen, aber aus Tradition heraus hing die Waffe stets

an seiner linken Hüfte.


»Das mag noch Zeit haben«, erwiderte Larwyn auflachend. »Vorerst wird

er sich eher unter dem Bauch eines Pferdes als auf dessen Rücken bewegen.«


Drei Jahre war Garwin nun alt, und etwas mehr als drei Jahre lag es

zurück, dass die Legionen der Orks erneut das Menschenvolk bedroht hatten.

Ein neuer Bund von Elfen und Menschen war geschmiedet worden und hatte

in der großen Schlacht vor der weißen Stadt des Königs von Alnoa zum Sieg

gegen die Horden des Schwarzen Lords geführt. Zur gleichen Zeit hatte auch

die Hochmark um ihr Überleben gekämpft, und die Spuren dieses Ringens

waren noch an vielen Stellen zu sehen. Nun war Garodem, der Pferdefürst der

Hochmark, in die Stadt des Königs der Pferdelords gereist, denn Reyodem,

der König und zugleich der Sohn von Garodems in der Schlacht gefallenem

Bruder, hatte den Rat der Pferdefürsten einberufen.


Larwyn blickte auf ihren Sohn und die Rüstung ihres Mannes, und ihre

Gedanken schweiften einen Moment in die Vergangenheit.


Vor vielen Jahren war das Volk der Pferdelords von den Barbaren im

Westen aus seinen angestammten Gebieten vertrieben worden und hatte in der

großen Ebene eine neue Heimat gefunden. Das Volk hatte sich entwickelt,

sich vermehrt und Marken gegründet, die von den Pferdefürsten im Auftrag

des Königs geführt wurden. Die Pferdelords waren ein Volk von Hornvieh- und

Wolltierzüchtern, deren ganzer Stolz die kräftigen Pferde waren, auf denen sie in

die Schlacht ritten. Garodem, Larwyns Gemahl, war einer von zwei Söhnen

des Königs der Pferdelords gewesen, und es lag nun schon über dreißig Jahre

zurück, dass er sich mit seinem Bruder wegen eines von beiden begehrten

Weibes entzweit hatte. Garodem war seinem Bruder nicht mehr begegnet,

bevor dieser bei einem Angriff der Orks vor der weißen Stadt gefallen war,

und Larwyn wusste, dass dies ihrem Gemahl ein heimlicher Kummer war.


Larwyn strich sich eine Strähne ihrer blonden Locken aus dem Gesicht und

blickte zu der großen Landkarte, die an einer Wand des Raumes hing. Sie

zeigte die Marken der Pferdelords und die anderen ihnen bekannten Länder.

Doch waren darauf auch Gegenden dargestellt, die noch kein Pferdelord

jemals gesehen hatte, denn es war eine elfische Karte. Sie wurde Garodem

von den beiden Elfen Lotaras und Leoryn zum Geschenk gemacht, die damals

der Hochmark im Kampf gegen die Legionen der Orks beigestanden hatten

und inzwischen zu ihrem elfischen Volk zurückgekehrt waren.


Die Karte erschien Larwyn als ein Symbol für das neue Bündnis zwischen

den Menschenwesen und dem Volk der Elfen. Sie war aus einem glatten und

sehr weichen Stoff gewirkt und fein bemalt. Aber dieser Stoff war etwas

Besonderes, denn die Karte konnte zusammengerollt oder gefaltet werden,

aber wenn man sie an zwei Ecken anfasste, entrollte sie sich und wurde steif

wie die Rüstung eines Schwertmannes. Die Karte zeigte die Städte und

Weiler, die Furten und Wasserstellen, die Befestigungen und Grenzen der

Marken der Pferdelords und die grenznahen Bereiche der benachbarten

Länder.


Im Norden der Hochmark waren die Gebirge eingezeichnet, in denen das

Volk der Zwerge leben sollte, und dahinter erkannte man das Land der

und Ebenen zogen sich bis zur Küste hin. Im Westen erstreckte sich das

Dünenland mit den Sandbarbaren und den Reitriesen, aus dem die Pferdelords

einst vertrieben worden waren. Im Osten fanden sich die versteinerten

Wälder, an die sich die Weißen Sümpfe anschlossen, hinter denen der Dunkle

Turm des Schwarzen Lords aufragen sollte. Im Süden lag das Reich Alnoa,

auch das Reich der weißen Bäume genannt, da die Gebiete reich an Bäumen

mit weißer Rinde waren. Noch weiter im Süden schloss sich das alte Reich

an, das »Erste Reich der alten Könige”. Die Karte zeigte auch die Kette der

Signalfeuer, welche die Marken der Pferdelords miteinander verband und bis

in die weiße Stadt des Königs von Alnoa führte. Jene Signalfeuer, welche die

Menschen bei Gefahr zu den Waffen rufen sollten.


Larwyn strich erneut eine Strähne aus ihrem Gesicht und berührte dabei

lächelnd den goldenen Stirnreif, den sie im Haar trug. Er zeigte das Symbol

der Pferdelords, zwei einander abgewandte Pferdeköpfe. Sie war stolz darauf,

dass Garodem sich schließlich überwunden hatte, denn dieses einigende

Symbol, das man überall in den Marken der Pferdelords fand, ersetzte nun

auch in der Hochmark zunehmend deren eigenes Zeichen, das Garodem aus

Bitterkeit und falschem Stolz eingeführt hatte. Noch zeigten viele Rüstungen

und Waffen gleichermaßen die beiden Pferdeköpfe der Pferdelords sowie den

doppelten Pferdekopf mit Schmiedehammer der Hochmark, doch das Emblem

Garodems würde zunehmend dem alten Zeichen der Zusammengehörigkeit

weichen.


Tasmund räusperte sich und schreckte Larwyn aus ihren Gedanken.

»Verzeiht, Hohe Dame, aber die gute Frau Meowyn wünscht Euch zu

sprechen.«


»Meowyn?« Larwyns versonnenes Lächeln vertiefte sich. »Lasst sie ein,

guter Herr Tasmund.«


Meowyn hatte, wie so viele Menschen der Hochmark, unter dem Ansturm

der Orks gelitten. Ihr Mann Balwin war erschlagen und sie durch den Bolzen

eines Orks verwundet worden. Nur der Hilfe ihres Sohnes Nedeam hatte die

blonde Frau es zu verdanken, dass sie die Stadt und schließlich die Burg

Eternas erreicht hatte. Die Heilkräfte der Elfenfrau Leoryn hatten das Ihrige

dazu beigetragen, dass Meowyn bald wieder genas, und sie hatte von der

Elfenheilerin begierig gelernt. Meowyn hatte die Betreuung ihres kleinen

Hofes, den sie mit Balwin unterhalten hatte, Nedeam übertragen und sich als

Heilerin in Eternas niedergelassen. Und sie war eine gute Heilerin, wie man

allgemein anerkannte.


Die beiden Frauen nickten einander zu, und Meowyn schenkte Tasmund

ein freundliches Lächeln, das im Gesicht des Ersten Schwertmannes eine

ungewohnt freudige Veränderung hervorrief. Larwyn spürte, dass der treue

Kampfgefährte ihres Mannes in seinem Herzen ein tiefes Gefühl für Meowyn

verbarg. Tasmund zeigte nur selten solche Gefühle, denn all sein Streben

schien einzig der Sicherheit der Hochmark und den Fähigkeiten seiner

Schwertmänner zu gelten. Es war an der Zeit, dass der brave Tasmund auch

andere Seiten des Lebens kennenlernte. Larwyn konnte sich nicht entsinnen,

dass Tasmund sich je einem Weibe zugewandt hätte. Aber ein Mann, dessen

Berufung das Töten war, und eine Frau, die sich der Rettung des Lebens

verschrieben hatte, konnte das zusammenpassen? Eigentlich passten die

beiden sogar sehr gut zusammen, befand Larwyn und lächelte unmerklich,

aber Meowyn schien den Tod ihres Mannes noch immer nicht ganz

verwunden zu haben und noch nicht bereit zu sein, ihr Herz erneut einem

Mann zu öffnen.


»Verzeiht, Hohe Dame Larwyn, wenn ich Euch störe, aber es gibt

Uneinigkeiten bei den Bauarbeiten in der Stadt.«


»Sprecht, gute Frau Meowyn.« Larwyn bemerkte, dass Garwin sich

anschickte, den gepanzerten Schuh der Rüstung in den Mund zu nehmen, und

zog ihren Sprössling seufzend an sich. Garwin brummte missbilligend, bis sie

ihn auf den Schoß nahm. »Was bereitet Euch Sorgen? Ich dachte, es geht gut

voran.«


Die beiden Frauen fühlten einander inzwischen eng verbunden, und unter

vier Augen ließen sie die höfische Etikette häufig fallen, doch in Gegenwart

eines Dritten wahrten sie noch immer die traditionelle Form. Die Heilerin trat

an das Fenster heran und blickte über den Hof der Burg und die südliche

Wehranlage hinweg zur Stadt hinüber.


»Es geht gut voran, Hohe Dame Larwyn. Vielleicht ein wenig zu gut. Die

meisten Schäden an den Bauwerken sind längst beseitigt, und die Stadt

wächst. Genau darin liegt offensichtlich das Problem, Herrin. Eternas

beherbergt inzwischen mehr Menschen als vor dem Angriff der Orks.«


»Gibt es Probleme mit der Ernährung?«, fragte Larwyn verwundert. »Ich

habe nichts dergleichen gehört. Die Felder tragen reiche Ernte, und

inzwischen blüht der Handel wieder.«


»Nein, nein, Herrin«, lachte Meowyn auf. »Es ist nicht die Nahrung. Eher

deren Verdauung. Bislang wurden die Abwässer, wie Ihr wisst, in kleinen

Rinnen abgeleitet, die zum Fluss hinunterführen, doch nun sammelt sich so

viel Unrat, dass die Abflüsse verstopfen. Leoryn hat mich darauf

hingewiesen, wie wichtig es ist, den Unrat rasch zu entsorgen. Wir hatten

geplant, Rohre aus gebrannter Erde oder Metall in den Boden zu legen. Der

Unrat mag einen guten Dünger für die Felder geben, Herrin, jedoch

entnehmen viele Bewohner ihr Wasser mittlerweile aus den unterhalb des

Hauptabflusses gelegenen Flussbereichen. Die Stadt ist gewachsen, Herrin.«


»Oh.« Larwyn lachte leise auf. »Ich denke, ich verstehe das Problem. Das

bedeutet, dass wir den Abfluss verlegen müssen, nicht wahr?«


»So ist es.« Meowyn seufzte. »Die Baumeister halten dies für

überflüssigen Arbeitsaufwand. Allerdings«, fügte Meowyn trocken hinzu,

»wohnen sie auch oberhalb des Abflusses.«


Larwyn blickte Tasmund an. »Tasmund, guter Herr, besprecht dies in

meinem Namen mit den Verantwortlichen und weist sie darauf hin, dass ich

erwäge, ihre Wohnsitze in Gebiete unterhalb des Abflusses zu verlegen.«


Tasmunds Augen funkelten belustigt, und er deutete eine knappe

Verbeugung an. »Wie Ihr wünscht, Hohe Dame.«


Larwyn wiegte Garwin auf ihrem Schoß und zog ihn mit sich, als sie sich

hinter dem Schreibtisch erhob und neben Meowyn trat. »Wir haben so vieles

in den vergangenen Jahren geschafft. Ich hoffe, es wird nie vergessen werden,

wie sehr wir dafür gekämpft und gelitten haben.« Sie blickte über den Fluss

hinweg, doch von ihrem Standpunkt aus war das lang gezogene Grab auf der

anderen Flussseite nicht zu erkennen. »Und wofür so viele von uns gestorben

sind.«


Der Ansturm der Orks vor mehr als drei Jahren hatte viele Menschen der

Hochmark das Leben gekostet, und nur die Tatsache, dass viele von Garodem

aus der Nordmark Gerettete hiergeblieben waren, hatte das erneute Aufblühen

von Eternas ermöglicht.


Das Volk der Pferdelords war es gewohnt, das Land, das es bewohnte,

behutsam zu nutzen. »Nimm nicht mehr vom Land, als es zu geben bereit

ist«, hatten schon die Vorväter den Ahnen gesagt, »sonst nimmt das Land

mehr von dir, als du zu geben vermagst.« Ein Säugling brauchte viele Jahre,

um zu einem Pferdelord heranzuwachsen, so wie ein Baum Jahrzehnte

brauchte, um gutes Holz zu bringen, und fruchtbarer Boden wiederum seine

Zeit, um sich nach einer Ernte zu erholen. In den weiten Ebenen der anderen

Marken des Pferdekönigs war es relativ leicht, neuen Ackerboden zu

erschließen oder einen Teil des Waldes zu finden, in dem man Holz schlagen

konnte, während ein anderer Teil sich erholte. Das Land der Hochmark

hingegen war weit rauer und unwirtlicher, und hätte es nicht das Tal von

Eternas gegeben, so hätte Garodem die Seinen nicht hier angesiedelt. Doch

dieses Tal und seine fruchtbaren kleinen Nebentäler boten Raum zum Siedeln

und die Möglichkeit zu überleben und zu gedeihen.


Da Eternas keine befestigte Stadt war, bot lediglich der im Osten

verlaufende Fluss Eten dem Wachstum der Stadt ein Hindernis. Denn das

jenseitige Flussufer sollte künftigen Gehöften und der Ernährung der

Bevölkerung vorbehalten bleiben.


Nun wurde also das Wachstum der Stadt zunehmend zu einem Problem.

Am Anfang, als nur wenige Hundert Menschen dort lebten, hatten sich die

Einwohner einfach außerhalb der Häuser erleichtert. Später, als die Häuser in

die Höhe wuchsen, hatte man die Obergeschosse ein wenig über die

Untergeschosse hinausragen lassen und die Produkte der Verdauung einfach

in die Gosse hinabfallen lassen. Doch rasch wurde klar, dass der reichliche

Dung zwar gut für den Boden war, die Nasen der Bewohner jedoch

zunehmend belästigte. Auch war es nicht jedermann angenehm, in die

Erleichterung des Nachbarn zu treten und diese an den Schuhen ins eigene

Haus zu tragen.


Die Gemahlin des Pferdefürsten hatte dafür gesorgt, dass Abhilfe

geschaffen wurde. Sie ließ Rinnen zwischen den Häusern anlegen, die ein

geringes Gefälle aufwiesen und an den Seiten gemauert waren. Da es

reichlich Wasser gab, wurden diese Rinnen immer wieder durch die

Hausbewohner gespült, sodass der lästige Geruch bald abnahm. An den

Übergängen der Gassen wurden die Rinnen abgedeckt, sodass man sie

trockenen Fußes passieren konnte. Vornehmlich in der Nähe der Schenken

und während der Nacht verfehlte jedoch mancher tastende Fuß diese sicheren

Übergänge, und der Betroffene musste seinen Heimweg übel riechend und

von eigenen und fremden Flüchen begleitet fortsetzen. Meowyns Absicht, die

Abwässer künftig unterirdisch abzuleiten, konnte dem entgegenwirken.


Die Höfe und Getreidefelder der Bauern erstreckten sich kreisförmig in

einem Radius von einigen Tausendlängen um die Stadt Eternas herum, und

zwischen den in voller Reife stehenden Äckern konnte man die abgeernteten

Brachen der Vorjahre erkennen, die man erst in späteren Jahren erneut nutzen

würde, um den Boden nicht auszulaugen. Die Höfe lagen in der Nähe der

Bachläufe, und obwohl die Menschen des Pferdevolkes ein wehrhaftes

Reitervolk waren, erwiesen sie sich durchaus auch als geschickte Bauern.

Jedes Jahr gab es gute Ernten, und die Vorratslager der Stadt und der Burg

waren prall gefüllt.


Die Menschen der Hochmark waren stolz auf das, was sie geleistet hatten,

und sie hatten allen Grund dazu. Zäh hatten sie der erdrückenden Übermacht

der Orks standgehalten, bis die Pferdelords des Königs die ersehnte Rettung

brachten.


Doch nun schien die Zeit des Krieges vorbei, und Frieden war in die Ebene

von Eternas, in die Täler der Hochmark und die restlichen Marken der

Pferdelords eingekehrt.


Larwyn beobachtete die gelblichen Wolken, die von den Feldern Eternas

aufstiegen. Es war Erntezeit, und man warf das gedroschene Stroh in die Luft,

wo die Spreu vom Wind erfasst und fortgetrieben wurde, während das

schwerere Getreide in die hölzernen Siebe der Erntehelfer fiel. Auch dies war

ein Zeichen des blühenden Handels. Vor wenigen Jahren war Holz noch so

kostbar gewesen, dass die Menschen Eternas’ schwere metallene Siebe

benutzen mussten, und nicht wenige Helfer waren nun erfreut darüber, die

leichteren Holzsiebe einsetzen zu können. Bald würde man sie sogar durch

geflochtene Weidenkörbe ersetzen, denn in den östlichen Marken des Königs

gab es viele Weiler mit reichen Schilfvorkommen.


Auch Fisch war nun reichlicher vorhanden, denn bislang hatte nur der

Quellweiler die Menschen der Hochmark damit versorgen können. Allerdings

erreichte der Fisch aus den anderen Marken die Stadt nur in getrockneter

Form, da sonst die Geruchsbelästigung erheblich erhöht gewesen wäre, was

wiederum Meowyn zusätzliche Beschäftigung gegeben hätte.


»Schaut dort, Herrin, sie trainieren«, sagte Meowyn unvermittelt. Sie

deutete nach Westen, wo sich der Übungsplatz der Schwertmänner und

Pferdelords befand.


Larwyn lachte auf. »Ja, für das Spiel. In einem Zehntag soll das Turnier

stattfinden. Der Horngrundweiler gegen den Quellweiler. Die Kurzweil wird

den Menschen guttun.«


Die Männer dort unten auf dem Platz waren Pferdelords, wie man an den

langen grünen Umhängen erkennen konnte. Natürlich zählten auch die

Schwertmänner dazu, aber es gab Unterschiede. Denn als ständige Wache des

Pferdefürsten trugen die Schwertmänner einen rotbraunen Brustpanzer mit

dem goldenen Emblem der Mark, dazu einen rotbraunen Metallhelm mit

goldenem Kamm und darin befestigtem Rosshaarschweif, der die blaue Farbe

der Mark vorstellte. Als einzige der Pferdelords trugen sie Schwerter, mit

denen sie auch hervorragend umzugehen wussten und die den Männern ihre

Bezeichnung eingebracht hatten. Daneben führten sie noch die lange

Stoßlanze, deren Gebrauch jeder Pferdelord beherrschte, sowie Dolch und

Bogen.


Jeder männliche Bewohner einer Mark konnte ab seinem sechzehnten

Lebensjahr ein Pferdelord werden. Doch es gab nur einige Hundert

Schwertmänner im Land der Pferdelords, die neben ihrem Einsatz als ständige

Wachen an den Höfen der Pferdefürsten und des Königs auch an den Grenzen

der Marken patrouillierten. Aber wenn sich ein ernst zu nehmender Feind

zeigte, waren diese Männer zu wenige an der Zahl, um lange standhalten zu

können. Darum gab es den Treueid, der jeden waffenfähigen Mann zum

Dienst am König verpflichtete. Die Pferdelords wurden von den

Schwertmännern im Umgang mit den Waffen geschult, welche sie jedoch,

ebenso wie ihre Ausrüstung und Pferde, selber stellen mussten. Ihre Waffen

und Rüstungen fielen daher sehr unterschiedlich aus. Einheitlich waren nur

ihre langen Stoßlanzen, die grünen Rundschilde mit den Emblemen ihrer

Weiler und der grüne Umhang des Pferdelords, der ein Symbol ihres

Treueides und ihrer Ehre war.


Unten auf dem großen Platz, auf dem die Pferdelords sonst den Kampf und

die verschiedenen Reitformationen übten, hatte sich eine größere Gruppe

Schaulustiger angesammelt und feuerte ihre Favoriten begeistert an. In einem

Zehntag würden zwei Gruppen zu je fünf Pferdelords gegeneinander antreten.

Ihre Waffen würden aus langen Lanzen bestehen, deren Spitzen man

entfernen und durch gepolsterte Ledersäcke ersetzen würde. Sie würden

versuchen, einen elften Pferdelord aus dem Sattel zu stoßen und, da jeder

Sturz des Punktreiters einen Punkt für die eigene Mannschaft brachte, die

andere Mannschaft nach Kräften zu behindern und aus dem Sattel zu drücken.


Das Spiel war sehr beliebt, und es wurden hohe Wetten auf die Favoriten

abgeschlossen. Zur Zeit des Stoßspiels würden die Schwertmänner Garodems

alle Hände voll zu tun haben, die nächtliche Ruhe in den Straßen zu

gewährleisten, denn sehr viele der Bewohner Eternas’ würden ihren Sieg

feiern oder den Kummer ihrer Niederlage im Alkohol ertränken.


Die Schaulustigen hatten ein grobes Geviert um den Platz gebildet, und die

Reiter in der Mitte des Vierecks umkreisten einander im aufwirbelnden Staub.

Gelegentlich stürzte einer von ihnen unter dem Johlen der Zuschauer und der

gegnerischen Partei aus dem Sattel.


Der kleine Garwin schrie vergnügt und versuchte offenbar, nach einem der

Reiter zu greifen. Larwyn lachte leise. »Warte, mein kleiner Pferdelord, du

wirst deinen grünen Umhang noch früh genug bekommen.«


Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge

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