Читать книгу Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge - Michael Schenk - Страница 12
Kapitel 10
Оглавление»Beim Dunklen Turm, Barus, mein Freund, es war ein merkwürdiges Ding.«
Guntram stieß lautstark auf und streckte Malvin erneut den geleerten Becher
entgegen. »Gib mir noch etwas von deinem seltsamen Gerstensaft, Malvin,
mein Freund.« Der muskulöse Schmied schwankte und musste sich für einen
Moment am Tresen festhalten. »Dein Gerstensaft schmeckt manchmal
genauso komisch wie dieses merkwürdige Ding.«
»Dann war es also zum Essen?« Malvin schenkte zögernd nach. Guntram
schien eine Neuigkeit zum Besten geben zu wollen, aber er hatte schon mehr
getrunken, als ihm guttat. Malvin überlegte ernsthaft, ob er den Gerstensaft
nicht etwas verdünnen sollte, damit es Guntram wenigstens noch schaffte zu
berichten, was ihn so erregt hatte.
Guntrams Haar war lang und grau geworden, und seine Augen waren auch
nicht mehr besonders gut, aber er fertigte noch immer die besten
Schurklingen, Waffen und Rüstungen der ganzen Stadt. Wenn er sich
bewegte, wurden unter seinem halb geöffneten Wams gelegentlich die Narben
früherer Verletzungen sichtbar. Guntram war einst ein sehr guter Pferdelord
gewesen, und wenn seine Augen es noch zugelassen hätten, so wäre er wohl
dem Eid noch immer gefolgt.
»Zum Essen?« Guntram wirkte einen Augenblick verwirrt und schüttelte
dann den Kopf. »Nein, nein, guter Freund, es war nicht zum Essen. Aber es
war merkwürdig.«
Guntram grinste Malvin bierselig an und zeigte dabei seinen fast zahnlosen
Mund. Er hatte vor Jahren einmal behauptet, der Weg zwischen Burg und
Stadt sei nur deshalb gepflastert, damit die betrunkene Wache des
Pferdefürsten zu später Stunde auch den Heimweg fände. Das hatte dem
Schmied ein Privatgespräch mit dem Ersten Schwertmann des Pferdefürsten
Garodem und in der Folge ein paar fehlende Schneidezähne eingebracht.
Doch seine Zunge war noch immer scharf. So scharf, dass mancher
Pferdelord gerne einmal die Schärfe seiner eigenen Klinge daran erprobt
hätte. Guntram hatte bei dem Angriff der Orks auf die Stadt Eternas seine
Frau verloren, und seitdem sprach er dem Gerstensaft öfter zu. Sosehr es
Malvin auch liebte, das Getränk über den Tresen zu schieben, so sehr
bedauerte er es, dass der alte Schmied derart unter dem Verlust seines Weibes
litt.
»Das merkwürdige Ding«, erinnerte Malvin sein Gegenüber und schob
ihm den aufgefüllten Becher hin.
»Also, einer der Gehilfen aus der Festung kam zu mir und bat mich, ihm
zwei Helme zu fertigen. Getreulich nach dem Vorbild eines merkwürdigen
Kopfschutzes, den er mitbrachte. Ich habe ihm gleich gesagt, der Helm tauge
nichts und ich könne ihm viel bessere fertigen.« Guntram trank in hastigen
Schlucken, wischte sich den Schaum vom Mund und stieß erneut heftig auf,
wobei er sich gegen die Brust klopfte. »Pah, dieser komische Helm taugte
nichts. Gutes Eisen, sicherlich, und auch passabel gearbeitet. Aber auf der
Oberseite ziemlich flach und ohne einen Steg, an dem die Klinge eines
Schwertes abgleiten könnte. Nicht einmal ein passabler Nasenschutz.«
Guntram schnaubte verächtlich. »Und schon gar kein Nackenschutz.«
Barus zuckte die Schultern. Auch er hatte an diesem Tag ein wenig mehr
als gewöhnlich getrunken. Er hatte eine ganze Reihe der kleinen Nager
erwischt, und der Erfolg hatte ihn durstig gemacht. »Vielleicht probieren die
Schwertmänner einen neuen Helm aus?«
Guntram rülpste. »Pah, das Ding mag als Blumentopf taugen, aber nicht
als Helm.«
Sie blickten in den hinteren Bereich der Schenke, wo die anderen Gäste in
einer großen Gruppe gedrängt um einen Tisch saßen. Immer wieder fielen die
Namen der Weiler vom Horngrund und vom Quellgrund, und es war
offensichtlich, dass es um das anstehende Stoßspiel ging.
Der alte Schmied leerte seinen Becher, und als er seinen Kopf in den
Nacken streckte, schien er Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten.
Barus legte ihm hilfreich die Hand an den Arm und bewahrte Guntram vor
einem Sturz, wofür dieser ihm dankbar zunickte.
»Ja, es mag ein etwas ungewöhnlicher Blumentopf sein«, räumte der
Schmied ein. »Die Farbe könnte jedenfalls passen. Der Mann wollte, dass ich
die Dinger im gleichen hellen Farbton nacharbeite. Nicht das schöne
Rotbraun unserer Helme, nein. Ich durfte nicht einmal diese komischen
Verzierungen anbringen, die den Originalhelm schmücken. Oder den
Originaltopf, oder was auch immer dieses Ding nun ist.« Der Schmied grinste
breit. »Ah, es mag zum Haareschneiden dienen. Man setzt es auf und
schneidet sauber darum herum. Ich fand jedenfalls ein paar rote Haare darin.«
Ihre Aufmerksamkeit wurde erneut auf die anderen Gäste gelenkt, deren
Stimmen nun zunehmend lauter wurden. Guntram wankte und schob den
leeren Becher zu Malvin. »Lass es gut sein, Malvin, mein Freund, für heute
habe ich wohl schon genug.«
Er hatte mehr als genug. Aber der alte Schmied fand seinen Weg zur Tür,
auch wenn er dazu fast die volle Breite des Raumes ausnutzte. Barus sah ihm
hinterher und schob dann seinen Becher erneut zu Malvin, der eilig
nachschenkte. Der Nagerjäger lauschte Esynes Stimme, die sich allmählich
über die der anderen zu heben begann. »Ich glaube, Malvin, mein Freund, es
wird Ärger geben.«
Malvin blickte besorgt zu der Gruppe hinüber. »Ach, es ist nur ein wenig
lebhafter.«
»Und ich sage euch, die Männer vom Horngrundweiler werden die vom
Quellweiler aus dem Sattel stoßen«, ereiferte sich einer der Männer und
winkte Malvin heran.
Malvin beeilte sich, die Becher der Männer nachzufüllen. Die Diskussion
über die Favoritenrolle beim anstehenden Stoßspiel erhitzte die Gemüter und
trocknete die Kehlen aus. Und der Wirt hoffte, das Gespräch werde noch
lange anhalten und nicht so lebhaft werden, dass sein »Donnerhuf« in
Mitleidenschaft gezogen wurde. Wenigstens nicht über ein annehmbares Maß
hinaus. Erst vor zwei Wochen hatte er einige der Schemel reparieren müssen.
»Unsinn«, brummte ein stämmiger Schreiner. »Der Quellweiler hat die
besseren Lanzen. Ich habe mir ihre Schäfte angesehen. Sie sind gerade und
folgen exakt dem Maß. Der Horngrundweiler bietet doch nur verkrüppeltes
Holz. Die Lanzen taugen nichts.«
»Dafür taugen aber die Reiter viel«, knurrte sein Gegenüber.
»Und sie haben die besseren Stiefel«, meldete sich Esyne zu Wort. Die
Wangen der blonden Schuhmacherin waren ein wenig gerötet und verrieten,
dass sie sich eifrig an der Diskussion und am Genuss des Alkohols beteiligte.
»Ich muss es wissen, ich habe sie schließlich gefertigt.«
»Die haben doch selber einen guten Schuhmacher«, versetzte der Schreiner
launig.
Esynes Augen verengten sich, und sie richtete sich halb auf. »Was willst
du denn damit sagen? Etwa, dass meine Stiefel nichts taugen?«
»Oh, sie sind wundervoll«, sagte Malvin beschwichtigend. »Ganz
wundervoll weich und geschmeidig. Wie gegossene Haut.«
»Da hörst du es«, keifte Esyne, die wieder einmal drauf und dran schien,
ihre Argumente handgreiflich zu untermauern.
»Beim Stoßspiel braucht es harte Stiefel«, meldete sich ein weiterer Gast
zu Wort. »Wo die Lanze nicht trifft, vermag ein Stiefel nachzuhelfen.«
Esyne wandte sich dem Mann zu. »Willst du sagen, meine Stiefel seien zu
weich?«
Malvin trat rasch dazwischen. »Oh, sie sind furchtbar hart. Wie ein
metallener Panzer, möchte ich sagen.«
»Was denn nun?«, knurrte der Mann, der den Horngrundweiler
favorisierte. »Sind sie nun weich oder hart?«
»Weich im Schaft und hart in der Sohle«, schrie Esyne den Mann an.
»Jedenfalls werden die Spieler vom Horngrund siegen«, entschied der
Mann und nickte bekräftigend dazu. »Egal, wessen Stiefel sie tragen.« Er
prostete Esyne zu. »Selbst in deinen Stiefeln werden sie siegen.«
Das war es. Malvin wusste es sofort. Er wusste es, noch bevor Esyne sich
von ihrem Platz erhob. Die blonde Schuhmacherin gönnte ihrem Widersacher
noch einen erfreulichen Einblick in den Ausschnitt ihres Gewands, bevor sie
ihm den geleerten Krug mit weniger erfreulicher Härte über den Schädel
schlug. Das gebrannte Gefäß zerbarst, und der Mann kippte wortlos
hintenüber. Seine Beine schnellten hoch und schlugen von unten gegen die
Tischplatte, woraufhin Becher in unterschiedlichen Stadien der Leerung
umfielen und empörte Stimmen laut wurden.
»Wartet, ich fülle sofort nach«, schrie Malvin beschwörend und suchte
hastig im Regal nach einem vollen Krug, doch es war zu spät. In seinem
Rücken ertönte wütendes Geschrei im Wechsel mit dem dumpfen Klatschen
von Fäusten, und über alldem kreiste Esynes keifende Stimme, die für die
Robustheit ihres Schuhwerks warb, indem sie wahllos mit dem übrig
gebliebenen Griff des Kruges um sich schlug. Die anderen Gäste an dem
Tisch beteiligten sich zunehmend mit Argumenten ganz eigener Art.
Malvin blickte Hilfe suchend zu Barus, der am Tresen lehnte. »Barus,
mein Freund, sage doch auch etwas.«
Auch Barus hatte an diesem Tag etwas zu viel Gerstensaft getrunken, und
sein Bart war voller trocknenden Schaums. Er blickte trübe zu den anderen
hinüber. »Sie sollten mit Keulen kämpfen«, brummte er und klopfte gegen
sein Handwerkszeug. »Dann sind die Stiefel schnell egal.«
Malvin seufzte resigniert und verzog nur schmerzlich das Gesicht, als einer
der Schemel krachend zerbarst.
Barus sah hinüber und nickte. »Wie ich sagte, Keulen sind am besten
geeignet.«
Erneut zerbrach ein Möbelstück, und dieses Mal schlug ein Splitter in das
Regal hinter der Theke ein und zertrümmerte zwei Krüge mit Gerstensaft und
Blutwein. Malvin befürchtete, dass der Schaden noch weitaus größer werden
würde, und da von Barus keine Hilfe zu erwarten war, warf der Wirt seinen
Wischlappen auf den Tresen und rannte zur Tür, um nach einer Streife der
Schwertmänner zu sehen. Er hatte Glück, denn zwei der Wachen ritten gerade
die Straße entlang, und als Malvin aufgeregt mit den Armen winkte, zogen sie
ihre Pferde herum und trabten zu ihm herüber.
Der Ältere von ihnen beugte sich grinsend im Sattel vor, als er den Lärm
aus dem »Donnerhuf« dringen hörte. »Deine Schenke scheint ihrem Namen ja
wieder alle Ehre zu machen, Malvin, mein Freund.«
»Sie schlagen alles kurz und klein«, jammerte der Wirt und sah besorgt zur
offen stehenden Tür. »Dabei hat alles so harmlos begonnen.«
»Es beginnt immer harmlos«, brummte der Schwertmann und schwang
sich aus dem Sattel. »Um was ging es diesmal?«
»Um das Stoßspiel«, seufzte Malvin.
Der Schwertmann schüttelte den Kopf und bedeutete seinem Begleiter,
ebenfalls abzusitzen. »Narren. Jeder, der reiten kann, weiß doch, dass der
Horngrundweiler gewinnen wird.«
Sein Begleiter runzelte skeptisch die Stirn, verzichtete jedoch auf einen
Kommentar. Die beiden Pferdelords aus Garodems Wache rückten ihre
Schwertgurte zurecht und machten Anstalten, die Schenke zu betreten, als der
ältere unvermittelt die Hand hob und Malvin fragend ansah. »Ist das Esynes
Stimme?«
Malvin zuckte verlegen die Achseln. »Ah, keine Sorge, sie kann sich kaum
noch auf den Beinen halten.«
Der Wachführer runzelte die Stirn. »Ihre Stimme klingt aber noch recht
kraftvoll.« Er sah seinen Begleiter an. »Hol Baromil und seinen Gefährten.
Sie sind unten an der Töpferei.« Während der andere Schwertmann
davontrabte, blickte der Wachführer Malvin an. »Ein platzierter Schlag würde
sie wohl zum Schweigen bringen, aber es brächte keine Ehre ein. Schließlich
ist sie ein Weib.«
»Es ist Esyne«, wandte Malvin ein.
Der Schwertmann rieb sich das Kinn. »Auch wieder wahr.« Erneut drang
der Lärm eines zerbrechenden Möbels aus dem »Donnerhuf«, und er zuckte
die Achseln. »Nun gut, Malvin, bleib derweil draußen, ich will sehen, was
sich machen lässt, bevor dir nichts mehr zum Ausschenken bleibt.«
Die Argumente der Beteiligten hatten sich inzwischen weitestgehend
erschöpft, Gesichter waren zerkratzt, zwei Ohren zerbissen, und Esynes
Gewand war eingerissen, aber sie hatte die Robustheit ihres Schuhwerks
eindrucksvoll unter Beweis gestellt und drosch gerade noch mit einem ihrer
Stiefel auf einen Mann ein, der die Arme schützend über den Kopf hielt und
vor ihr her durch die Schenke flüchtete.
Die blonde Schuhmacherin war wohl eher verblüfft denn erschrocken, als
der einschreitende Schwertmann ihr den Stiefel mit einem Ruck entriss und
der zuvor Geschlagene hinter die breiten Schultern des Wachmannes in
Deckung flitzte. Esyne griff beherzt nach ihrem Stiefel, aber der Wachmann
hielt ihn ein Stück höher. »Es ist genug, Frau Esyne«, knurrte er grimmig.
»Du hast nun die Ohren der Gäste und manches mehr genug strapaziert.«
»Ich strapaziere gleich noch etwas ganz anderes«, zischte sie wütend und
versuchte den Mann zu erreichen, der sich ängstlich hinter dem Schwertmann
verbarg.
»Stelle meine Geduld nicht auf die Probe.« Der Schwertmann blickte über
die Szenerie. Keine wirklich ernsthaften Blessuren, die einen Pferdelord am
Reiten hätten hindern können, aber die Heilerin würde einiges zu nähen
haben, und das nur wegen eines Stoßspiels. Wie würde es erst am Abend nach
dem Turnier zugehen? »Sei froh, dass du ein Weib bist, sonst würde ich dich
schon zur Ruhe bringen.«
»Das ist kein Weib«, schrie der Deckungsuchende. »Sie hat mich gebissen.
Die hat Fänge wie ein Ork.«
»Ich und kein Weib?« Esyne riss empört das ramponierte Gewand
auseinander. »Ich zeige dir gleich, ob ich ein Weib bin.«
Der Schwertmann war durchaus beeindruckt, aber auch für die Ruhe in der
Stadt verantwortlich. »Bedecke dich, Weib, ich bin nicht in der Brunft.«
Mit anzüglichem Blick musterte Esyne den Schwertmann. »Aha, das
könnte Euch wohl gefallen, über ein schutzloses Weib herzufallen, was?«
In dem Moment spähte Malvin durch die Tür herein. »Ich störe euch nur
ungern, aber ich glaube, das Stoßspiel fällt aus.«
Der Schwertmann und Esyne blickten gleichermaßen verwirrt zu dem Wirt
hinüber. »Wie meinst du das?«, stammelten sie im Duett.
Auf der Straße war der Hufschlag vieler Pferde zu hören. Malvin wies
hinter sich. »Dorkemunt und Mortwin werden schon bald aus der Stadt reiten.
Mit Kormund an der Spitze. Es ist ein ganzer Beritt.«
Daran gab es nichts zu rütteln. Zwei der Favoriten des Stoßspiels ritten in
den vordersten Reihen eines kompletten Beritts von hundert Pferdelords die
Straße entlang auf die Burg zu. Sie alle waren voll gerüstet, doch führten sie
keinen Wimpel mit sich. Das konnte nur heißen, dass der Beritt das
Feldzeichen in der Burg empfangen würde, um dann direkt von dort wieder
auszuziehen.
Malvin betrachtete seufzend seine demolierte Schenke. Wieder sah es ganz
nach Neuigkeiten und durstigen Kehlen aus, doch dieses Mal würde er Mühe
haben, die Bedürfnisse seiner Gäste zu befriedigen. Nun, viele der Gäste
schienen im Augenblick auch keine derartigen Bedürfnisse zu haben.