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Kapitel 10

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»Beim Dunklen Turm, Barus, mein Freund, es war ein merkwürdiges Ding.«

Guntram stieß lautstark auf und streckte Malvin erneut den geleerten Becher

entgegen. »Gib mir noch etwas von deinem seltsamen Gerstensaft, Malvin,

mein Freund.« Der muskulöse Schmied schwankte und musste sich für einen

Moment am Tresen festhalten. »Dein Gerstensaft schmeckt manchmal

genauso komisch wie dieses merkwürdige Ding.«


»Dann war es also zum Essen?« Malvin schenkte zögernd nach. Guntram

schien eine Neuigkeit zum Besten geben zu wollen, aber er hatte schon mehr

getrunken, als ihm guttat. Malvin überlegte ernsthaft, ob er den Gerstensaft

nicht etwas verdünnen sollte, damit es Guntram wenigstens noch schaffte zu

berichten, was ihn so erregt hatte.


Guntrams Haar war lang und grau geworden, und seine Augen waren auch

nicht mehr besonders gut, aber er fertigte noch immer die besten

Schurklingen, Waffen und Rüstungen der ganzen Stadt. Wenn er sich

bewegte, wurden unter seinem halb geöffneten Wams gelegentlich die Narben

früherer Verletzungen sichtbar. Guntram war einst ein sehr guter Pferdelord

gewesen, und wenn seine Augen es noch zugelassen hätten, so wäre er wohl

dem Eid noch immer gefolgt.


»Zum Essen?« Guntram wirkte einen Augenblick verwirrt und schüttelte

dann den Kopf. »Nein, nein, guter Freund, es war nicht zum Essen. Aber es

war merkwürdig.«


Guntram grinste Malvin bierselig an und zeigte dabei seinen fast zahnlosen

Mund. Er hatte vor Jahren einmal behauptet, der Weg zwischen Burg und

Stadt sei nur deshalb gepflastert, damit die betrunkene Wache des

Pferdefürsten zu später Stunde auch den Heimweg fände. Das hatte dem

Schmied ein Privatgespräch mit dem Ersten Schwertmann des Pferdefürsten

Garodem und in der Folge ein paar fehlende Schneidezähne eingebracht.

Doch seine Zunge war noch immer scharf. So scharf, dass mancher

Pferdelord gerne einmal die Schärfe seiner eigenen Klinge daran erprobt

hätte. Guntram hatte bei dem Angriff der Orks auf die Stadt Eternas seine

Frau verloren, und seitdem sprach er dem Gerstensaft öfter zu. Sosehr es

Malvin auch liebte, das Getränk über den Tresen zu schieben, so sehr

bedauerte er es, dass der alte Schmied derart unter dem Verlust seines Weibes

litt.


»Das merkwürdige Ding«, erinnerte Malvin sein Gegenüber und schob

ihm den aufgefüllten Becher hin.


»Also, einer der Gehilfen aus der Festung kam zu mir und bat mich, ihm

zwei Helme zu fertigen. Getreulich nach dem Vorbild eines merkwürdigen

Kopfschutzes, den er mitbrachte. Ich habe ihm gleich gesagt, der Helm tauge

nichts und ich könne ihm viel bessere fertigen.« Guntram trank in hastigen

Schlucken, wischte sich den Schaum vom Mund und stieß erneut heftig auf,

wobei er sich gegen die Brust klopfte. »Pah, dieser komische Helm taugte

nichts. Gutes Eisen, sicherlich, und auch passabel gearbeitet. Aber auf der

Oberseite ziemlich flach und ohne einen Steg, an dem die Klinge eines

Schwertes abgleiten könnte. Nicht einmal ein passabler Nasenschutz.«

Guntram schnaubte verächtlich. »Und schon gar kein Nackenschutz.«


Barus zuckte die Schultern. Auch er hatte an diesem Tag ein wenig mehr

als gewöhnlich getrunken. Er hatte eine ganze Reihe der kleinen Nager

erwischt, und der Erfolg hatte ihn durstig gemacht. »Vielleicht probieren die

Schwertmänner einen neuen Helm aus?«


Guntram rülpste. »Pah, das Ding mag als Blumentopf taugen, aber nicht

als Helm.«


Sie blickten in den hinteren Bereich der Schenke, wo die anderen Gäste in

einer großen Gruppe gedrängt um einen Tisch saßen. Immer wieder fielen die

Namen der Weiler vom Horngrund und vom Quellgrund, und es war

offensichtlich, dass es um das anstehende Stoßspiel ging.


Der alte Schmied leerte seinen Becher, und als er seinen Kopf in den

Nacken streckte, schien er Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten.

Barus legte ihm hilfreich die Hand an den Arm und bewahrte Guntram vor

einem Sturz, wofür dieser ihm dankbar zunickte.


»Ja, es mag ein etwas ungewöhnlicher Blumentopf sein«, räumte der

Schmied ein. »Die Farbe könnte jedenfalls passen. Der Mann wollte, dass ich

die Dinger im gleichen hellen Farbton nacharbeite. Nicht das schöne

Rotbraun unserer Helme, nein. Ich durfte nicht einmal diese komischen

Verzierungen anbringen, die den Originalhelm schmücken. Oder den

Originaltopf, oder was auch immer dieses Ding nun ist.« Der Schmied grinste

breit. »Ah, es mag zum Haareschneiden dienen. Man setzt es auf und

schneidet sauber darum herum. Ich fand jedenfalls ein paar rote Haare darin.«


Ihre Aufmerksamkeit wurde erneut auf die anderen Gäste gelenkt, deren

Stimmen nun zunehmend lauter wurden. Guntram wankte und schob den

leeren Becher zu Malvin. »Lass es gut sein, Malvin, mein Freund, für heute

habe ich wohl schon genug.«


Er hatte mehr als genug. Aber der alte Schmied fand seinen Weg zur Tür,

auch wenn er dazu fast die volle Breite des Raumes ausnutzte. Barus sah ihm

hinterher und schob dann seinen Becher erneut zu Malvin, der eilig

nachschenkte. Der Nagerjäger lauschte Esynes Stimme, die sich allmählich

über die der anderen zu heben begann. »Ich glaube, Malvin, mein Freund, es

wird Ärger geben.«


Malvin blickte besorgt zu der Gruppe hinüber. »Ach, es ist nur ein wenig

lebhafter.«


»Und ich sage euch, die Männer vom Horngrundweiler werden die vom

Quellweiler aus dem Sattel stoßen«, ereiferte sich einer der Männer und

winkte Malvin heran.


Malvin beeilte sich, die Becher der Männer nachzufüllen. Die Diskussion

über die Favoritenrolle beim anstehenden Stoßspiel erhitzte die Gemüter und

trocknete die Kehlen aus. Und der Wirt hoffte, das Gespräch werde noch

lange anhalten und nicht so lebhaft werden, dass sein »Donnerhuf« in

Mitleidenschaft gezogen wurde. Wenigstens nicht über ein annehmbares Maß

hinaus. Erst vor zwei Wochen hatte er einige der Schemel reparieren müssen.


»Unsinn«, brummte ein stämmiger Schreiner. »Der Quellweiler hat die

besseren Lanzen. Ich habe mir ihre Schäfte angesehen. Sie sind gerade und

folgen exakt dem Maß. Der Horngrundweiler bietet doch nur verkrüppeltes

Holz. Die Lanzen taugen nichts.«


»Dafür taugen aber die Reiter viel«, knurrte sein Gegenüber.


»Und sie haben die besseren Stiefel«, meldete sich Esyne zu Wort. Die

Wangen der blonden Schuhmacherin waren ein wenig gerötet und verrieten,

dass sie sich eifrig an der Diskussion und am Genuss des Alkohols beteiligte.

»Ich muss es wissen, ich habe sie schließlich gefertigt.«


»Die haben doch selber einen guten Schuhmacher«, versetzte der Schreiner

launig.


Esynes Augen verengten sich, und sie richtete sich halb auf. »Was willst

du denn damit sagen? Etwa, dass meine Stiefel nichts taugen?«


»Oh, sie sind wundervoll«, sagte Malvin beschwichtigend. »Ganz

wundervoll weich und geschmeidig. Wie gegossene Haut.«


»Da hörst du es«, keifte Esyne, die wieder einmal drauf und dran schien,

ihre Argumente handgreiflich zu untermauern.


»Beim Stoßspiel braucht es harte Stiefel«, meldete sich ein weiterer Gast

zu Wort. »Wo die Lanze nicht trifft, vermag ein Stiefel nachzuhelfen.«


Esyne wandte sich dem Mann zu. »Willst du sagen, meine Stiefel seien zu

weich?«


Malvin trat rasch dazwischen. »Oh, sie sind furchtbar hart. Wie ein

metallener Panzer, möchte ich sagen.«


»Was denn nun?«, knurrte der Mann, der den Horngrundweiler

favorisierte. »Sind sie nun weich oder hart?«


»Weich im Schaft und hart in der Sohle«, schrie Esyne den Mann an.


»Jedenfalls werden die Spieler vom Horngrund siegen«, entschied der

Mann und nickte bekräftigend dazu. »Egal, wessen Stiefel sie tragen.« Er

prostete Esyne zu. »Selbst in deinen Stiefeln werden sie siegen.«


Das war es. Malvin wusste es sofort. Er wusste es, noch bevor Esyne sich

von ihrem Platz erhob. Die blonde Schuhmacherin gönnte ihrem Widersacher

noch einen erfreulichen Einblick in den Ausschnitt ihres Gewands, bevor sie

ihm den geleerten Krug mit weniger erfreulicher Härte über den Schädel

schlug. Das gebrannte Gefäß zerbarst, und der Mann kippte wortlos

hintenüber. Seine Beine schnellten hoch und schlugen von unten gegen die

Tischplatte, woraufhin Becher in unterschiedlichen Stadien der Leerung

umfielen und empörte Stimmen laut wurden.


»Wartet, ich fülle sofort nach«, schrie Malvin beschwörend und suchte

hastig im Regal nach einem vollen Krug, doch es war zu spät. In seinem

Rücken ertönte wütendes Geschrei im Wechsel mit dem dumpfen Klatschen

von Fäusten, und über alldem kreiste Esynes keifende Stimme, die für die

Robustheit ihres Schuhwerks warb, indem sie wahllos mit dem übrig

gebliebenen Griff des Kruges um sich schlug. Die anderen Gäste an dem

Tisch beteiligten sich zunehmend mit Argumenten ganz eigener Art.


Malvin blickte Hilfe suchend zu Barus, der am Tresen lehnte. »Barus,

mein Freund, sage doch auch etwas.«


Auch Barus hatte an diesem Tag etwas zu viel Gerstensaft getrunken, und

sein Bart war voller trocknenden Schaums. Er blickte trübe zu den anderen

hinüber. »Sie sollten mit Keulen kämpfen«, brummte er und klopfte gegen

sein Handwerkszeug. »Dann sind die Stiefel schnell egal.«


Malvin seufzte resigniert und verzog nur schmerzlich das Gesicht, als einer

der Schemel krachend zerbarst.


Barus sah hinüber und nickte. »Wie ich sagte, Keulen sind am besten

geeignet.«


Erneut zerbrach ein Möbelstück, und dieses Mal schlug ein Splitter in das

Regal hinter der Theke ein und zertrümmerte zwei Krüge mit Gerstensaft und

Blutwein. Malvin befürchtete, dass der Schaden noch weitaus größer werden

würde, und da von Barus keine Hilfe zu erwarten war, warf der Wirt seinen

Wischlappen auf den Tresen und rannte zur Tür, um nach einer Streife der

Schwertmänner zu sehen. Er hatte Glück, denn zwei der Wachen ritten gerade

die Straße entlang, und als Malvin aufgeregt mit den Armen winkte, zogen sie

ihre Pferde herum und trabten zu ihm herüber.


Der Ältere von ihnen beugte sich grinsend im Sattel vor, als er den Lärm

aus dem »Donnerhuf« dringen hörte. »Deine Schenke scheint ihrem Namen ja

wieder alle Ehre zu machen, Malvin, mein Freund.«


»Sie schlagen alles kurz und klein«, jammerte der Wirt und sah besorgt zur

offen stehenden Tür. »Dabei hat alles so harmlos begonnen.«


»Es beginnt immer harmlos«, brummte der Schwertmann und schwang

sich aus dem Sattel. »Um was ging es diesmal?«


»Um das Stoßspiel«, seufzte Malvin.


Der Schwertmann schüttelte den Kopf und bedeutete seinem Begleiter,

ebenfalls abzusitzen. »Narren. Jeder, der reiten kann, weiß doch, dass der

Horngrundweiler gewinnen wird.«


Sein Begleiter runzelte skeptisch die Stirn, verzichtete jedoch auf einen

Kommentar. Die beiden Pferdelords aus Garodems Wache rückten ihre

Schwertgurte zurecht und machten Anstalten, die Schenke zu betreten, als der

ältere unvermittelt die Hand hob und Malvin fragend ansah. »Ist das Esynes

Stimme?«


Malvin zuckte verlegen die Achseln. »Ah, keine Sorge, sie kann sich kaum

noch auf den Beinen halten.«


Der Wachführer runzelte die Stirn. »Ihre Stimme klingt aber noch recht

kraftvoll.« Er sah seinen Begleiter an. »Hol Baromil und seinen Gefährten.

Sie sind unten an der Töpferei.« Während der andere Schwertmann

davontrabte, blickte der Wachführer Malvin an. »Ein platzierter Schlag würde

sie wohl zum Schweigen bringen, aber es brächte keine Ehre ein. Schließlich

ist sie ein Weib.«


»Es ist Esyne«, wandte Malvin ein.


Der Schwertmann rieb sich das Kinn. »Auch wieder wahr.« Erneut drang

der Lärm eines zerbrechenden Möbels aus dem »Donnerhuf«, und er zuckte

die Achseln. »Nun gut, Malvin, bleib derweil draußen, ich will sehen, was

sich machen lässt, bevor dir nichts mehr zum Ausschenken bleibt.«


Die Argumente der Beteiligten hatten sich inzwischen weitestgehend

erschöpft, Gesichter waren zerkratzt, zwei Ohren zerbissen, und Esynes

Gewand war eingerissen, aber sie hatte die Robustheit ihres Schuhwerks

eindrucksvoll unter Beweis gestellt und drosch gerade noch mit einem ihrer

Stiefel auf einen Mann ein, der die Arme schützend über den Kopf hielt und

vor ihr her durch die Schenke flüchtete.


Die blonde Schuhmacherin war wohl eher verblüfft denn erschrocken, als

der einschreitende Schwertmann ihr den Stiefel mit einem Ruck entriss und

der zuvor Geschlagene hinter die breiten Schultern des Wachmannes in

Deckung flitzte. Esyne griff beherzt nach ihrem Stiefel, aber der Wachmann

hielt ihn ein Stück höher. »Es ist genug, Frau Esyne«, knurrte er grimmig.

»Du hast nun die Ohren der Gäste und manches mehr genug strapaziert.«


»Ich strapaziere gleich noch etwas ganz anderes«, zischte sie wütend und

versuchte den Mann zu erreichen, der sich ängstlich hinter dem Schwertmann

verbarg.


»Stelle meine Geduld nicht auf die Probe.« Der Schwertmann blickte über

die Szenerie. Keine wirklich ernsthaften Blessuren, die einen Pferdelord am

Reiten hätten hindern können, aber die Heilerin würde einiges zu nähen

haben, und das nur wegen eines Stoßspiels. Wie würde es erst am Abend nach

dem Turnier zugehen? »Sei froh, dass du ein Weib bist, sonst würde ich dich

schon zur Ruhe bringen.«


»Das ist kein Weib«, schrie der Deckungsuchende. »Sie hat mich gebissen.

Die hat Fänge wie ein Ork.«


»Ich und kein Weib?« Esyne riss empört das ramponierte Gewand

auseinander. »Ich zeige dir gleich, ob ich ein Weib bin.«


Der Schwertmann war durchaus beeindruckt, aber auch für die Ruhe in der

Stadt verantwortlich. »Bedecke dich, Weib, ich bin nicht in der Brunft.«


Mit anzüglichem Blick musterte Esyne den Schwertmann. »Aha, das

könnte Euch wohl gefallen, über ein schutzloses Weib herzufallen, was?«


In dem Moment spähte Malvin durch die Tür herein. »Ich störe euch nur

ungern, aber ich glaube, das Stoßspiel fällt aus.«


Der Schwertmann und Esyne blickten gleichermaßen verwirrt zu dem Wirt

hinüber. »Wie meinst du das?«, stammelten sie im Duett.


Auf der Straße war der Hufschlag vieler Pferde zu hören. Malvin wies

hinter sich. »Dorkemunt und Mortwin werden schon bald aus der Stadt reiten.

Mit Kormund an der Spitze. Es ist ein ganzer Beritt.«


Daran gab es nichts zu rütteln. Zwei der Favoriten des Stoßspiels ritten in

den vordersten Reihen eines kompletten Beritts von hundert Pferdelords die

Straße entlang auf die Burg zu. Sie alle waren voll gerüstet, doch führten sie

keinen Wimpel mit sich. Das konnte nur heißen, dass der Beritt das

Feldzeichen in der Burg empfangen würde, um dann direkt von dort wieder

auszuziehen.


Malvin betrachtete seufzend seine demolierte Schenke. Wieder sah es ganz

nach Neuigkeiten und durstigen Kehlen aus, doch dieses Mal würde er Mühe

haben, die Bedürfnisse seiner Gäste zu befriedigen. Nun, viele der Gäste

schienen im Augenblick auch keine derartigen Bedürfnisse zu haben.

Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge

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