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Reconquista

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Häufig in der Geschichte entscheidet nicht die militärische Stärke darüber, wer die Oberhand in einer Region gewinnt. Wird der Angreifer von großen Teilen der Bevölkerung als Befreier gesehen, widmet man sich nur unfreiwillig der Verteidigung.

In Toledo, der Hauptstadt des Westgotenreiches werden in unregelmäßigen Abständen Versammlungen abgehalten und weitreichende Beschlüsse zu politischen, bald auch religiösen Angelegenheiten abgesegnet. Das Konzil von Toledo. Erstmals findet dieses im Jahr 400 statt. Später, im Jahr 589, kurz nachdem der König zum Katholizismus übergetreten ist, wird bei einer dieser Konferenzen entschieden, die Religion zur Staatsreligion zu erheben. Maßnahmen zur Ausgrenzung von Nichtkatholiken werden beschlossen, der Gebrauch der gotischen Sprache verboten. An deren Stelle tritt Latein, bald wird allen Nichtkatholiken das Bleiberecht im Reich abgesprochen. Aus den Protokollen des letzten Konzils im Jahr 702 ergibt sich, dass sich Machtstreitigkeiten zwischen dem König und dem restlichen Adel entwickeln. Und dass immer schärfere Gesetze verabschiedet werden - gegen Juden, die für Wirtschaft und Handel eine zentrale Bedeutung haben.

Im Jahr 711 überqueren die Mauren das Meer, landen auf der Iberischen Halbinsel und werden mutmaßlich von vielen als Befreier angesehen. So ist es für sie ein Leichtes, innerhalb von wenigen Jahren weite Gebiete einzunehmen. Der Islam gewährt in seiner frühen Phase den Angehörigen anderer Glaubensrichtungen den Schutz des Lebens, ihres Eigentums und auch die freie Ausübung ihrer Religion.

Das Land ist bald zweigeteilt, die Christen im Norden - und die Mauren im Süden. Zur frühmittelalterlichen Zeit ist die islamische Kultur gegenüber der christlichen in den Bereichen Wissenschaft, Technik und vor allem Literatur um Einiges überlegen. Ende des ersten Jahrtausends verfügt die Bibliothek von Córdoba über mehr als 500.000 Bücher, während eine christliche Bibliothek im frühen Mittelalter meistens nur aus einem Buch besteht: der Bibel.

Der Süden profitiert durch die kulturellen Neuerungen, welche die Einwanderer in das Land gebracht haben. Wie so häufig, währt die Toleranz gegenüber anderen Religionen nur, solange das Land prosperiert. Die Situation verschlechtert sich im ausgehenden 10. Jahrhundert durch Dürren und Revolten. Die Stimmung beginnt zu kippen und im Verlauf des 11. Jahrhunderts entwickelt sich im Süden eine Radikalisierung. Bevor das Jahrhundert zu Ende geht, kommt es zu Pogromen gegen Juden. Der Dschihad wird ausgerufen im Sinne eines heiligen Krieges.

Im Jahr 1085 nimmt Alfons VI ›der Tapfere‹ - König über die drei Reiche Galicien, Léon und Kastillien - die Stadt Toledo ein. Eine herbe Niederlage, denn diese ist neben Córdoba die wichtigste Stadt der Mauren, die zudem berühmt für ihre Waffenschmiedekunst ist. Erst in dieser Zeit setzt sich der Begriff Reconquista durch - die religiös motivierte Rückeroberung im Zeichen des Kreuzes.

Das Emirat von Córdoba wird verdrängt durch eine neue Macht. Der iberische Süden, Al-Andalus, wird von Almoraviden erobert - eine aus Westafrika stammende Berberdynastie, die einen radikaleren Islamismus vertritt. Deren Macht währt nicht lange, bald bestimmen Kleinstaaten den muslimischen Süden, sogenannte Taifas. Bis 150 Jahre später die fundamentalistisch religiösen Almohaden, eine andere Berberdynastie, das Gebiet erobern. Diese radikal-religiösen Herrscher wenden sich gegen die in der Zeit der Mauren entstandene städtische Hochkultur, ebenso wie gegen Wissenschaft und Philosophie. Die Mission und die Errichtung von Moscheen hat Vorrang. Wirtschaftlicher und kultureller Niedergang des Reiches im Süden ist die Folge.

Im Norden entwickelt sich im Verlauf des 11. Jahrhunderts eine auffällig steigende Bautätigkeit zur Verbesserung der Infrastruktur, welche den Handel begünstigt. Vieles wird motiviert durch die religiösen Legenden - der Weg von Ost nach West wird durch Straßen und Brücken kontinuierlich besser ausgebaut. Zudem entscheiden sich viele, die nach Santiago pilgern, sich dauerhaft in der Region niederzulassen. Viele neue Hospitäler und Siedlungen werden gegründet, was zu einem Bevölkerungszuwachs führt.

Ritterorden zum Schutz der Pilger werden gegründet, die durch Sicherung ihrer Gebiete und Verwaltung von Gütern an Macht und Einfluss gewinnen. Und sich zu einem mächtigen Instrument entwickeln, um in gemeinsamen Kreuzzügen den islamischen Süden zu bedrängen - bald auch mit Unterstützung durch andere europäische Ritterorden.

Im 13. Jahrhundert ist die islamische Herrschaft auf der Iberischen Insel gebrochen. Von dem ehemals großen Reich bleibt nur ein kleiner Staat im Südosten übrig, das Emirat von Granada. Der Sultan sichert sich durch Aushandlung eines Waffenstillstands die Existenz seines kleinen Nasridenreiches, mit weitreichenden Zugeständnissen und Tributzahlungen an das inzwischen übermächtige Königreich Kastilien und Léon im Norden.

Die strategischen Erfolge im 11. Jahrhundert ermutigen die christlichen Würdenträger möglicherweise, ebenso den Kampf an einer zweiten Front aufzunehmen - die weit entfernt liegt, im byzantinischen Reich. So wird im Jahr 1095 von Papst Urban II und Bischof Adémar von le Puy – wo sich der Ausgangspunkt des Jakobsweges in Frankreich befindet – zum Kreuzzug gegen die Araber im Fernen Osten aufgerufen. Jerusalem und der Pilgerweg zu dieser heiligen Stadt soll nach ihrem Willen zum Machtbereich der christlichen Herrscher gehören, Kirche und Vatikan würden an Macht gewinnen.

Eine Pilgerreise zum Ende der Welt

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