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Lebenskraft, dreigeteilt und doch vereint
ОглавлениеDie drei zentralen Lebensgeister Spiritus animalis, Spiritus vitalis und Spiritus naturalis sind die Werkzeuge des Organismus. Jeder dieser Lebensgeister hat ein spezielles Aufgabengebiet, und dennoch arbeiten sie Hand in Hand. Gemeinsam sind sie Symbol und Prinzip der Lebenskraft – und dafür sollen sie gut genährt werden.
Die Luftnahrung stellt dafür – unter anderem – einen wesentlichen, nährenden Faktor dar. Der Organismus nimmt die Atemluft über die Lunge durch die Luftverdauung auf. In der Thymusdrüse wird der energetische Anteil der Luft dann in die drei Lebensgeister, die Lebenskraft, umgewandelt.
Die Lebenskraft ist also die Vereinigung der drei Lebensgeister. Jeder Lebensgeist für sich hat eigene Aufgaben. Jeder für sich hat ein eigenes Gehirn und ein speziell zugeordnetes Organ. Alle drei arbeiten stets eng zusammen – ein Kreislauf, den es zu unterstützen und aufrechtzuerhalten gilt!
Einfache Atemübung im Stehen
Nimm eine aufrechte, entspannte und bewusste Haltung ein: Stelle deine Beine hüftbreit auseinander, möglichst parallel. Beuge deine Knie ganz leicht. Achte auf eine gewisse Grundspannung im Becken. Der Kopf ist aufrecht, der Nacken lang. Lass die Schultern entspannt nach unten sinken.
Nun leg deine Hände ineinander, forme sie zu einer Schale und halte sie unter dem Bauchnabel.
Atme tief ein und führe dabei die Hände am Körper entlang nach oben.
Wenn du in Höhe des Brustkorbs angelangt bist, drehe die Handflächen zum Boden und atme lang und tief aus, bewege dabei die Hände Richtung Bauchnabel zurück.
Wiederhole die Übung mehrmals hintereinander. Achte darauf, dass die Ausatmung etwas länger dauert als die Einatmung.
Hakt es bei einem Lebensgeist, versuchen die beiden anderen zu stützen und zu helfen. Dauert dies zu lang oder ist der Prozess zu intensiv, leiden auch die beiden helfenden Lebensgeister darunter. Die Lebenskraft, die Energie, lässt nach. Um dies zu vermeiden, achte darauf, alle drei Lebensgeister bestmöglich zu versorgen.
Für die alte Medizin sind die Lebensgeister Ursache aller Bewegungen. Alle inneren und äußeren Bewegungen erfolgen nur durch die Wirkung der Lebensgeister. Alle Funktionen und deren Heilung sind von ihnen abhängig, werden von ihnen in Gang gesetzt, gelenkt und begrenzt.
Um die Lebensgeister, die Lebenskraft, zu stärken, zu nähren und aufrechtzuerhalten, unterstützt dich eine gute und intensive Atmung. Gern auch mal bewusst mit einem Lächeln. Und Atmen bewegt das Zwerchfell, das wiederum die Bauchorgane bewegt und massiert. Diese Massage tut gut, Leber und Magen genießen es sehr.
Ein paar bewusste Atemübungen zwischendurch tun gut, auch wenn du gerade keine besondere Anstrengung unternimmst, keinen steilen Berg hinaufradelst, keinen Marathon bewältigst: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen … Volle Kraft für die Verdauung! Volle Atmung für die Lebenskraft!
Lebenskraft – Vis vitalis |
Spiritus animalis |
Seelengeist |
Kopfhirn |
Gehirn |
Nervenleistung – Sinnesvermittlung |
Spiritus vitalis |
Luftgeist |
Brusthirn |
Herz |
Dynamik – Rhythmik – Verteilung |
Spiritus naturalis |
Stoffgeist |
Bauchhirn |
Leber |
Ernährung – Ausscheidung |
Spiritus animalis, der Seelengeist des Gehirns
Der Spiritus animalis, auch Seelengeist genannt, hat seinen Sitz im Gehirn und verbreitet sich entlang der Nervenbahnen und des Rückenmarks.
Der Fokus dieses Lebensgeistes ist die Sinnvermittlung über die fünf Hauptsinne: Sehen. Schmecken. Riechen. Hören. Tasten. Und auch über die intellektuellen Sinnesfunktionen: Vorstellungskraft. Urteilskraft. Erinnerungsfähigkeit und Gemeinsinn, der Sensus communis, weithin auch als »gesunder Menschenverstand« bekannt.
Alle Sinneseindrücke werden durch den Seelengeist zu einem Ganzen gebündelt, wahrgenommen und umgesetzt. Das Gehirn ist über die Lebensgeister sehr eng mit der Lebenskraft verknüpft. Es vernetzt die drei Instanzen des Denkens und Fühlens: Kopf, Herz und Bauch. Ich finde das einfach faszinierend! Du auch? Da sind wir sicher nicht die Einzigen.
Die Faszination für unser Gehirn besteht schon sehr, sehr lang und endet wohl nie. Schon die alten Ägypter waren davon beeindruckt. Wie unser Gehirn funktioniert, wurde allerdings erst viel später, in der Antike, erstmals untersucht – man ging davon aus, dass das Gehirn eine zentrale Rolle im Organismus einnimmt.
In der TEM zählt das Gehirn neben Blut, Herz und Leber zu den edelsten Organen und ist Sitz des Phlegmas. Das Gehirn zieht Phlegma an, reinigt und verteilt es wieder, es kontrolliert somit den Abfluss von Stoffwechselendprodukten. Aufgrund der hohen Nerventätigkeit des Gehirns braucht es eine optimale Kühlung und Befeuchtung, ein hohes Maß an Spiritus und Luftnahrung, Atmung. Neben der Atmung braucht es auch eine konstante Ernährung. Hirnnahrung. Kohlenhydrate für die Energie, Proteine und Fette als Bau- und Betriebsstoffe, Flüssigkeit. Und es bedarf Bewegung. Täglich, regelmäßig, im passenden Ausmaß.
Ist der Körper aufgrund von entgleister Ernährung, Bewegungsmangel oder auch zu intensiver Bewegung übersäuert, entstehen Gewebeverklebungen. Die Durchgängigkeit und Vernetzung mit dem Gehirn sind dann gestört. Erkennst du die Notwendigkeit einer guten Versorgung?
Die meisten Informationen bezieht das Kopfhirn von Bauchhirn und Brusthirn. Intuition, Hunger, Sättigung, Denken, Energie – all das funktioniert nur mit einem optimal versorgten Gehirn. Nur so können alle Sinne wahrgenommen und verarbeitet werden.
Umgekehrt ist es ebenso wichtig: Die Information muss auch von Kopfhirn zu Brusthirn und Bauchhirn funktionieren. So wird zum Beispiel die Verdauung ganz massiv durch den Spiritus animalis angekurbelt: Bereits durch die Zubereitung einer Mahlzeit wird der Magen-Darm-Trakt über den Gemeinsinn vorinformiert. Die Sinneswahrnehmung durch das Kochen über den Geruch bedeutet: »Hey, es gibt bald etwas zu essen.« Dadurch wird die Verdauung vorbereitet, alle notwendigen Organe werden mobilisiert. Das ist ein wesentlicher Punkt, den man nicht außer Acht lassen darf. Die Verdauung beginnt also bereits beim Kochen! Das spricht, neben anderen Vorteilen, schon mal ganz dafür, selbst zu kochen. Kochst du selbst?
Spiritus vitalis, der Luftgeist des Herzens
Der Spiritus vitalis, der Luftgeist, hat seinen Sitz im Herzen, insbesondere im linken Herzflügel, und verbreitet sich über die Arterien im Organismus. Das Herz hat, so wie auch der Darm, ein eigenes Netzwerk aus Zehntausenden Neuronen und stellt somit eine Art eigenes Gehirn dar, das Brusthirn. Das Brusthirn wird in der TEM im Spiritus vitalis gesehen.
Rhythmik und Verbreitung sind die zentralen Kräfte des Spiritus vitalis – in Form von Zirkulation, Atmung und Herzschlag. Das Ein- und Ausfließen von Atmung und Nahrung stellen einen rhythmisch fließenden Kreislauf dar. Durch Verbreitung von Wärme und vitaler Feuchte zirkulieren sowohl der Nährstrom, das Blut als auch der Klärstrom, die Lymphflüssigkeit.
Durch den komplexen neuronalen Schaltkreis kann das Brusthirn unabhängig vom Kopfhirn arbeiten. Auch kann es Veränderungen schneller spüren als das Kopfhirn. Es hat die Fähigkeit sich zu erinnern, zu lernen und sich an neue Lebensumstände anzupassen. Heute weiß man, dass das Herz eigenständig Hormone und Neurotransmitter ausschüttet, um den Blutdruck, den Flüssigkeitshaushalt des Körpers und das Gleichgewicht des Elektrolythaushalts zu regulieren. Aber auch Hormone, die für Bindung, Liebe, Toleranz und Anpassung verantwortlich sind, werden vom Herzen freigesetzt.
Der Sympathikus ist zuständig für die Erregung des Körpers, die Beschleunigung der Herzfrequenz und die Ausschüttung von Adrenalin.
Der Parasympathikus steht für Entspannung und bewirkt unter anderem eine Verlangsamung des Herzrhythmus.
Über die Verbindung des vegetativen Nervensystems kann das Herz direkt auf das Kopfhirn einwirken. Ein kohärenter Herzrhythmus synchronisiert Sympathikus und Parasympathikus und wirkt dadurch positiv auf Nerven und Organe.
Herzkohärenz bedeutet, dass Atmung, Herzschlag und Blutdruck aufeinander abgestimmt sind und in gesunder Form zusammenarbeiten. Diesen drei Bereichen und ihrem Zusammenspiel mit dem Spiritus vitalis wird eine große Bedeutung in Bezug auf unser gesamtes Wohlbefinden zugeschrieben, sie haben einen starken Einfluss auf unsere physiologische wie auch psychologische Gesundheit.
Ist dir das auch schon passiert? Hunger! Du isst schnell, viel zu schnell. Durch das hastige Essen verschlägt es dir den Atem. Es nimmt dir die Luft. Tiefes Durchatmen und Atemübungen schaffen Erleichterung, um die rhythmisch fließende Aufnahme wieder stattfinden zu lassen. Und beim nächsten Mal: langsam essen, mit Bedacht, mit Aufmerksamkeit. Genießen.
Spiritus naturalis, der Stoffgeist der Leber
Der Spiritus naturalis, der Stoffgeist, verbreitet sich entlang der Venen und beschreibt den Kreislauf der dienenden Kräfte zur Stoffwechselregulierung. Er weckt den Hunger, den Bedarf an Nährstoffen. Und er mag es gleichmäßig, immer wiederkehrend, regelmäßig in seinem – deinem – Rhythmus. Durch ein Verlangen nach Nährstoffen, nach Substanz geschieht die Nahrungsaufnahme und deren Umwandlung – die Aufnahme und Ausscheidung –, die wiederum Verlangen nach neuer Nahrung weckt.
• Ernährung: Die Zellen verlangen nach Nahrung, Substanz. • Verdauung: Umwandlung der Substanz durch Bewegung. • Ausscheidung: Selektiv wird ausgeschieden, was nicht benötigt wird bzw. für den Organismus gefährlich und giftig ist. • Bewahrung: Das Benötigte festhalten und in körperliche Zellen einbauen, umwandeln. Wenn die Zellen wieder nach Substanz verlangen, beginnt alles wieder von vorn … |
Durch diesen Kreislauf betont der Spiritus naturalis, der Stoffgeist, auch den Nutzen des Klärstroms: denn ohne Klärstrom und dessen Ausscheidung gibt es keinen nutzbringenden Nährstrom.
Die Leber ist das Quellorgan für den Spiritus naturalis und wesentlich an der Verdauung beteiligt. Hier wird die Grundlage für die vier Körpersäfte – Sanguis (Blut), Chole (Gelbe Galle), Melanchole (Schwarze Galle) und Phlegma (Schleim) – gebildet.
Das Bauchhirn ist mit dem Spiritus naturalis verknüpft und bildet wiederum die Wurzel für den Spiritus animalis. Auch der Darm hat ein ausgeprägtes eigenständiges Nervensystem. Im Darm – unserem größten Immunsystem – befinden sich mehr als siebzig Prozent aller Abwehrzellen, die das Bauchhirn wesentlich beeinflussen und die wiederum durch das Bauchhirn beeinflusst werden. Im Bauchhirn wie im Kopfhirn findet man die gleichen Nervenzelltypen. Auch die Ausstattung mit Botenstoffen ist bei beiden Gehirnen identisch. Und sie sprechen die gleiche Sprache.
Die Lebenskraft – die Vereinigung aller drei Lebensgeister – ist der Schlüssel zu einem vitalen und temperamentvollen Leben.
Das Bauchhirn im Zentrum deiner Verdauung ist die Basis. Nähre und pflege es mit der größten Sorgfalt.
Kennst du die Redewendungen »Es läuft einem eine Laus über die Leber« und »Was bist du für eine beleidigte Leberwurst!«? Sie werden meist bei Stimmungsschwankungen verwendet. Dabei handelt es sich oft lediglich um eine Störung der Hirnleistung, die sich aus einer Unterversorgung der Leber ableiten lässt … Die Leber reagiert aktiv und sensibel, wenn der Versorgungskreislauf gestört ist.